Lackner eröffnet Salzburger Hochschulwoche
Mit einem Appell an die eigene Kirche und die Theologie, Humanität und Menschsein neu zu bedenken und weiterzuentwickeln, hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Montag die "Salzburger Hochschulwoche" eröffnet. "Abscheulichkeiten, fundamentalistische Bestrebungen, Leben im Namen Gottes zu vernichten" machten Humanität heute zu einem flüchtigen, letztlich prekären Gut, so Lackner unter Verweis auf das Thema "Prekäre Humanität", unter dem die renommierte Veranstaltung an der Universität Salzburg in diesem Jahr steht. "Hier könnte und müsste das Christentum, in dessen Zentrum die Menschwerdung Gottes steht, die Menschheitsgeschichte fortschreiben". Zugleich mahnte Lackner in seinen Eröffnungsworten, dass auch Kirchen und religiöse Gemeinschaften nicht vor Inhumanität gefeit seien.
Auf die Aktualität des Themas verwies im Gespräch mit "Kathpress" auch der Obmann der Hochschulwochen, der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff. Sei es der Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" vom heurigen Jänner, sei es die aktuelle Flüchtlingskrise, Gewalt im Nahen Osten oder die Frage, ob es Europa gelingt, Griechenland zu stützen - "all dies zeigt, dass wir heute mehr denn je herausgefordert sind, politisch, ökonomisch und gesellschaftlich neu zu bestimmen, was Humanität eigentlich ausmacht". "Prekär" gestalte sich dabei nicht zuletzt der Blick auf die Religion selbst: So könne diese zwar Quellen der Humanität freilegen und neu ins Bewusstsein rufen, dies jedoch nur, wenn sie sich der "eigenen Problemgeschichte" bewusst werde, die Terror und Gewalt im Namen Gottes und damit letztlich Inhumanität beinhalte.
Philosophisch-theologische Erkundungen
Erste philosophische und theologische Erkundungsgänge zum Thema "Prekäre Humanität" unternahmen zum Auftakt der heurigen "Salzburger Hochschulwochen" am Montag der Berliner Philosoph Volker Gerhardt und der Kölner Theologe Hans-Joachim Höhn.
Um die Begriffe Humanität und Humanismus heute neu in Form einer "Theorie der Humanität" fruchtbar zu machen, müsse man sie zunächst gegen ihre Verächter verteidigen und von falschen Interpretationen befreien, so Gerhardt. So gebe es heute Autoren, die zu einem "Abschied vom Humanismus" aufriefen; auf der anderen Seite werde philosophisch versucht, Humanismus unter Verweis auf eine Gattungsethik oder einen Speziesismus zu verteidigen - nach dem Motto: human handelt, wer im eigenen Überlebensinteresse der Spezies Mensch handelt. Dies jedoch verkürze eklatant den Begriff "Humanität", so der Berliner Philosoph.
Angesichts der Tatsache, dass der Mensch als "das grausamste aller Geschöpfe" immer auch gegen die eigene Spezies handelt, indem er Mitmenschen unterdrückt und quält, sei es "keine Kleinigkeit, zur Menschheit zu stehen, sich zu ihr zu bekennen", so Gerhardt. Daher müsse man Humanität tiefer als in einem bloßen Gattungsbegriff grundieren. Eine solche Begründung könne etwa in einem umfassenden Kulturbegriff gesehen werden, der den Menschen eingebettet in zahlreiche Abhängigkeiten und soziale Verstrickungen versteht: "Die Natur nimmt am Menschen eine neue Form an - und zwar die Form der Kultur". Humanität werde nur dort nicht "prekär", wo eben dies gelinge: Eine umfassende Sicht des menschlichen Daseins zu gewinnen.
Höhn: Theologische Selbstbescheidung
Der Kölner Theologe Hans-Joachim Höhn verortete die Frage der Humanität in einem "Dreiecksverhältnis" von Anthropologie, Ethik und Theologie. Alle drei Disziplinen bemühen sich laut Höhn gleichermaßen um eine Begriffsklärung - dabei stehe die Theologie indes stets in der Gefahr, von der säkularen Vernunft nicht ernst genommen zu werden. "Im säkularen Kontext werden religiöse Behauptungen gerne bestritten - etwa die Betonung eines Transzendenzbezugs zur Bestimmung dessen, was Menschlichkeit sei". Wo klassische theologische Zugänge noch von einer Sonderstellung des Menschen in der Schöpfungsordnung ausgingen, seien deren Begriffe heute säkular geronnen: "Aus der Seele wurde die Psyche, aus dem Geist wurden Gene und Neuronen".
Tatsächlich täte die Theologie gut daran, so Höhn, von vorschnellen Transzendenzbezügen abzusehen und die Autonomie der Vernunft zu akzeptieren. Nur so könne der Blick auf neue, alternative Zugänge zur Rede von Gott im Kontext anthropologischer Fragen frei werden. Notwendig sei ein Abrücken von starken Transzendenzbezügen in Fragen der Humanität aber auch im Blick auf den Missbrauch religiöser Sprachformen, die Gewalt und Inhumanität letztlich mit dem Verweis auf Gott bzw. die Religion rechtfertigen.
Diese Gefahr eines Missbrauchs religiöser Begründungsmuster zur Legitimation inhumaner Gewalt sei heute aktueller denn je, so Höhn unter Verweis etwa auf den IS-Terror. Wo sich dieser einer religiösen Semantik bediene, würden "alle humanen Zusammenhänge zur Disposition gestellt". Höhn: "Wir können nicht über den Beitrag von Religionen zur Humanität diskutieren, wenn wir nicht zuvor überlegen, wie wir ausschließen können, dass sie zur Quelle höchstmöglicher Inhumanität werden."
Für die Theologie bedeute dies den Aufruf zu einer säkularen Selbstbescheidung. Man müsse etwa die religiös-theologische Angewohnheit ablegen, von einer prinzipiellen "religiösen Zuständigkeit für die Begründung moralischer Normen und des menschlichen Sollens" auszugehen. Laufe dies nicht letztlich auf eine "gottlose Moral" hinaus, so Höhns Frage. "Ja. Es braucht Gott nicht, um moralisch zu handeln - ebenso wie es keine Bosheit unter den Menschen gibt, die nicht gesteigert werden könnte, wenn man zu ihrer Ausführung noch religiöse Motive anführt".
Dies sei gewiss eine irritierende These, so der Theologe, da dies "gegen fromme Denkgewohnheiten" verstoße. Zugleich sei eine solche theologische Selbstbescheidung notwendige Voraussetzung, um einen neuen Zugang zum Zusammenhang von Gott und Welt zu gewinnen.
Neben dem wissenschaftlichen Programm bieten die Hochschulwochen außerdem ein spirituelles Rahmenprogramm. So bildete ein Gottesdienst in der Erzabtei Stift St. Peter den Auftakt der heurigen Hochschulwochen. In seiner Predigt verwies Abt Benno Malfer dabei auf den "prekären Zusammenhang von Leben und Energie, von Liebe und Freiheit". Menschliches Leben sei nur dort "human", wo es sich der "Abhängigkeitsverhältnisse" sowohl vom jeweiligen Mitmenschen als auch von der natürlichen Begrenztheit des Lebens bewusst sei, so Malfer.
Die einzelnen Veranstaltungstage heben ebenfalls mit Gottesdiensten oder ökumenischen Gebeten an; den Endpunkt bildet schließlich am Sonntag, 2. August, ein Festgottesdienst mit Erzbischof Lackner im Salzburger Dom (8.30 Uhr).
"Theologischer Preis" an Islamforscherin
Der im Rahmen der Hochschulwochen alljährlich vergebene "Theologische Preis" geht heuer an die deutsche Orientwissenschaftlerin Angelika Neuwirth, die an deutschen und internationalen Universitäten (Italien, Iran, Israel) lehrte und seit 2007 Leiterin des Projekts Corpus Coranicum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ist. Mit ihren Forschungsergebnissen forderte die an der Universität Berlin lehrende Orientwissenschaftlerin "die kulturelle Hermeneutik und die historische Diskursivität christlicher Theologien auf eine besondere Weise heraus", heißt es in der Begründung der Jury, die "Kathpress" vorliegt. Durch ihre Arbeit gewinne daher "die Identität des Christlichen ... deutlich an Profil". Als Beispiel für die Relevanz von Neuwirths Arbeit für die christliche Theologie nennt die Jury die Wechselwirkungen zwischen Koran und christlicher Spätantike.
"Religionstriennale" mit internationalem Flair
Ein eigenes Begleitprogramm speziell für Studierende stellt darüber hinaus die zeitgleich stattfindende "Salzburger Religionstriennale" sowie die Vergabe eines "Publikumspreises für Wissenschaftliche Kommunikation" der Hochschulwochen dar. In Kooperation mit dem Fachbereich "Systematische Theologie" der Universität Salzburg arbeiten 20 junge Wissenschaftler aus ganz Europa zu Fragen aus Religion, Kultur, Politik und Identität.
Es habe angesichts der Fragen der Humanität auch eine besondere "Symbolkraft", so Hoff, dass u.a. Studierende aus Russland und der Ukraine angereist sind. Es sei nicht zuletzt diese Internationalität der jungen Nachwuchswissenschaftler bei der "Religionstriennale", die den "Salzburger Hochschulwochen" ihre besondere Strahlkraft und "europäische Dimension" geben, so Hoff. Heuer widmen sie sich in Vorträgen und Diskussionen dem Thema "Religionskulturen: Zivilisierung und Humanität im Zeichen der monotheistischen Religionen". (Infos: www.salzburger-religionstriennale.at)
Die "Salzburger Hochschulwochen" fanden 1931 zum ersten Mal statt. Ihr Ziel ist es, ein universitäres, interdisziplinäres Forum zu bilden, in dem sich die Theologie dem Dialog über aktuelle Fragen mit säkularen Wissenschaften stellt. Jährlich locken sie bis zu 800 Interessierte aus dem gesamten deutschen Sprachraum nach Salzburg. Träger sind die Theologische Fakultät der Universität Salzburg, die Salzburger Äbtekonferenz der Benediktiner, das Katholische Hochschulwerk Salzburg, die Görres-Gesellschaft, die Katholischen Akademikerverbände Deutschlands und Österreichs sowie das Forum Hochschule und Kirche der Deutschen Bischofskonferenz.