"Lange Nacht": Symbol für verfolgte Christen
Mit einem kraftvollen Zeichen begann die heurige "Lange Nacht der Kirchen" in Wien: Kardinal Christoph Schönborn führte einen Schweigemarsch für die Opfer von religiöser Gewalt und Verfolgung durch die Wiener Innenstadt an. An dem Gang vom Stephansplatz über den Graben bis hin zur Augustinerkirche beteiligten sich am Freitagabend neben Vertretern zahlreicher christlicher Kirchen des Nahen Ostens u.a. auch der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und mehrere hundert Teilnehmer. Die dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten, aber auch in Afrika und anderen Teilen der Welt würden die "Lange Nacht der Kirchen" heuer zu einem "Symbol für verfolgte Christen" machen, sagte Kardinal Schönborn gegenüber "Kathpress". Auch diese erlebten derzeit eine "lange Nacht des Leidens, des Martyriums".
Beeindruckt zeigte sich Schönborn vom "starken Glaubenszeugnis" der verfolgten Christen, die selbst angesichts größter Repressalien nicht von ihrem Glauben abließen und sogar bereits seien, im Zeichen des Friedens ihren Verfolgern zu vergeben. Solidarität mit verfolgten Christen dürfe daher keine exklusive Solidarität sein, sondern stets auch andere Verfolgte einschließen und auch das Gebet für die Verfolger beinhalten, so der Wiener Erzbischof.
Weiters warnte Schönborn im "Kathpress"-Gespräch vor einem vereinfachenden Begriff von Christenverfolgung: "Der Opfer zu gedenken darf nicht bedeuten, die eigene Schuld als Christen in der Geschichte zu vergessen." Das Eintreten für Religionsfreiheit weltweit müsse außerdem in eine besondere Sensibilität für die Situation in Österreich münden: "Erhalten wir uns das friedliche Miteinander der Religionen in unserem Land", mahnte Schönborn bei einer Gedenkminute im Rahmen des Marsches an der Pestsäule auf dem Wiener Graben.
Unter den Teilnehmern waren auch der Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki, Weihbischof Franz Scharl sowie der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis). Arsenios unterstrich gegenüber "Kathpress" die Notwendigkeit, dass aus geistlicher Solidarität auch politisch-praktische Hilfe resultieren müsse: "Wir müssen nicht nur für diese Menschen beten, sondern auch laut aussprechen, was in Syrien und Irak an Unrecht geschieht", so der Metropolit. Die orthodoxe Kirche sei sowohl in Österreich als auch in den Ländern des Nahen Ostens aktiv, um Verfolgten beizustehen und ihnen - wo möglich - Quartiere und Schutz anzubieten. In Österreich erfolge dies in Kooperation mit den Diözesen Wien und Eisenstadt sowie mit dem Innenministerium, so Arsenios.
Beim abschließenden ökumenischen Gottesdienst des Schweigemarsches in der Augustinerkirche wurde am neuen "Altar für die verfolgten Christen" ein Triptychon des nigerianischen Künstlers Samuel Palmtree gesegnet, das in eindrucksvollen Bildkompositionen das Leid der entführten, inhaftierten und gefolterten Christen in Afrika zeigt, zugleich aber auch die Weigerung der Gläubigen deutlich macht, ihren Glauben zu verleugnen, selbst wenn dies lebensrettend wäre.
Im Anschluss an den Gottesdienst waren Texte frühchristlicher Märtyrer (begleitet von Noemi Tiercet und Peter Hudler) zu hören. Danach wurde der Märtyrertod des algerischen Trappisten-Abtes Christian de Cherges und seiner Mitbrüder im Jahr 1996 (mit dem musikalischen Hintergrund des Ensembles "Vocafonia") reflektiert. Den Abschluss in St. Augustin bildete ein von Pfarrer P. Matthais Schlögl zelebriertes Requiem für die getöteten Christen von heute; die Messfeier wurde musikalisch von Chor, Solisten und Orchester von St. Augustin mit dem Requiem in d-Moll von Mozart gestaltet.
Initiiert wurde der Schweigemarsch von der österreichischen Sektion von "Christian Solidarity International" (CSI). Unterstützt wurde er u.a. von der "Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände" (AKV). Deren Präsident, Helmut Kukacka, hatte aus Anlass des Schweigemarsches am Freitag in einer Aussendung an Außenminister Sebastian Kurz appelliert, "in der Frage der Menschenrechtspolitik und beim Thema Christenverfolgung eine europäische Führungsrolle zu übernehmen". Das Thema gehöre unbedingt "auf die Agenda der europäischen Politik und der Staatengemeinschaft", so Kukacka. Zu lange habe die internationale Politik den Einsatz für Religionsfreiheit weltweit vernachlässigt.