Abschaffung der eugenischen Indikation überfällig
Die Abschaffung der straffreien Abtreibung von Kindern mit Behinderung bis in den neunten Monat, die in Österreich derzeit diskutiert wird, ist in den Augen des St. Pöltner Bischofs Klaus Küng "ohne Zweifel längst überfällig": Es sei schließlich die "größtmögliche Diskriminierung behinderter Menschen, wenn die Entdeckung einer Behinderung oder der bloße Verdacht darauf eine Abtreibung bis unmittelbar vor der Geburt straffrei macht", so der in der österreichischen Bischofskonferenz für medizinethische Fragen zuständige Bischof in einem "Standard"-Gastkommentar (Samstag).
Der medizinische Fortschritt immer besserer Diagnosemethoden erlaube es zwar, Missbildungen früher und sicherer zu erkennen, doch sei dies für das Kind "zunehmend lebensgefährlich": Schon bloßer Verdacht könne hier ein Todesurteil bedeuten, wobei zudem Fehldiagnosen nicht selten seien. "Manche verkünden es als Fortschritt, dass Kinder mit Behinderungen nicht mehr zur Welt kommen. Mir läuft es kalt über den Rücken", so der Bischof. Kinder mit Down-Syndrom würden weltweit zu 80 Prozent abgetrieben, in der Schweiz zu 92 Prozent; in Österreich fehlen Statistiken, wobei Küng von einer Zahl nur wenig hinter der Schweiz ausgeht.
Das Leben aller Menschen sei gleich an Würde und Wert, betonte der Bischof. Freilich stelle sich die Frage, ob ein behindertes Kind für die konkrete Frau oder Familie zumutbar sei. Man könne nur verstehen, dass es schwer sei, sich auf die Behinderung, die besondere Pflege und vielleicht sogar die für die ganze Familie notwendige Lebensumstellung einzustellen. "Auch für das behinderte Kind selbst kann das Leben schwer werden. Aber es deshalb töten?", hinterfragte Küng. Bedacht werden müsse zudem, dass auch ein zunächst gesundes Kind im Lauf seines Lebens sehr einschränkend krank bis todkrank werden könne.
Für durchaus berechtigt hält Küng die Überlegung, auf die vorgeburtliche Untersuchungen auf Behinderung zu verzichten: Bisher seien therapeutische Eingriffe im Mutterleib kaum möglich, und die Tests würden auch dann routinemäßig angeboten, wenn die Schwangerschaft normal verlaufe. Erschwerend dazu komme die Angst der Ärzte - Küng ist selbst promovierter Mediziner - vor Schadenersatzforderungen, verbunden mit der "unmittelbaren Wirkung" von Untersuchungen, Verdachtsäußerungen, Diagnosen und Empfehlungen auf die betroffenen Frauen, die in ihrer schwierigen Entscheidung weitgehend alleingelassen würden, bemängelte der Diözesanbischof.
Außer für die in Deutschland bereits vor einigen Jahren vollzogenen Abschaffung der "eugenischen Indikation" sprach sich Küng für eine "Kultur des Lebens" aus, die Abtreibung "so undenkbar macht, wie sie es aus ethischen Überlegungen ist", denn: "Eine Gesellschaft, die behinderte, chronisch kranke und alte Menschen beiseiteschafft, ist unmenschlich." Mangel an Liebe sei die "größte und schlimmste Behinderung", hingegen würde jener, der sich armer, kranker, behinderter oder alter Menschen annimmt, "die Erfahrung machen, dass er von ihnen beschenkt wird". Viele Familien hätten durch Annahme eines behinderten Kindes und besondere Liebe zu ihm "eine positive Entwicklung erfahren, weil sich ihre Lebenseinstellung ändert", so Küng.