
"Youtube für Kirchenarchive" für Ahnenforschung
Hobbyhistoriker unternehmen viel, um die eigene Familiengeschichte zu erforschen. In der Ahnenforschung sind Kirchenarchive eine fast unverzichtbare Quelle: Eine amtliche, staatliche Matrikenführung wurde in Österreich erst 1939 eingeführt, vorher registrierten die anerkannten Religionsgemeinschaften im Auftrag des Staates Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle. Einige Diözesen stellen die Kirchenbücher der Pfarren im Internet als "Open Data" zur Verfügung und erleichtern die Geschichtsforschung enorm.
Vorreiter im Feld der Digitalisierung ist das Diözesanarchiv St. Pölten. Dort wurde 2008 das Projekt "Matricula" (www.matricula-online.eu) initiiert. "Die Plattform ist wie Youtube für Matriken", soThomas Aigner, Archivleiter in St. Pölten, im "Kathpress"-Gespräch. Früher sei es für Ahnenforscher sehr umständlich gewesen, denn die Aufzeichnungen lagen unter Verschluss in den Pfarren. Diözesanarchivar Aigner zum Ziel der Matricula-Plattform: "Wir wollen der Allgemeinheit diese historischen Quellen ohne Barriere zugänglich machen." Konsultiert werde die Seite vor allem von Privatpersonen, die der eigenen Familiengeschichte auf der Spur sind. Eine steigende Zahl an Historikern verwende die frei zugänglichen Daten für Forschungsprojekte, denn "die Pfarrmatriken sind eine einmalige Quelle der Bevölkerungsentwicklung."
Auf der Matricula-Plattform sind die Pfarrarchive der Diözesen St. Pölten, Linz und Passau als Bilddateien vollständig einsehbar. Die Erzdiözese Wien bietet Teilbestände, eine Vervollständigung der Bestände ist bis 2017 geplant. Das Projekt wurde bewusst interkonfessionell gestartet, auch die Evangelische Kirche zeige großes Interesse an einer Veröffentlichung, so Aigner. Er weist darauf hin, dass bei der Digitalisierung der Personenschutz ein heikles Thema sei. Der gesetzliche Datenschutz legt fest, dass Geburts- und Taufbücher 100, Trauungsbücher 75 und Sterbebücher 30 Jahre für die allgemeine Verwendung gesperrt bleiben. Millionen Buchseiten professionell einzuscannen sei zugleich kostenintensiv: Die Finanzierung erfolgte über Landesmittel, EU-Fördergelder und Eigenmittel aus den Diözesen.
"Alle Diözesen arbeiten an eigenen Digitalisierungsprojekten, sie laufen aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten", so Matricula-Initiator Thomas Aigner. Die Diözese Graz-Seckau bietet einen Online-Zugriff auf die Pfarrarchive auf einer eigenen Plattform (matriken.graz-seckau.at) an. Die digitalisierten Matriken der Diözese Feldkirch sind auf der Seite des Vorarlberger Landesarchivs einsehbar, das Tiroler Landesarchiv will bald nachziehen. Liegt das Forschungsinteresse in Kärnten, Burgenland oder im Gebiet der Erzdiözese Salzburg, müssen Ahnenforscher die Quellen weiterhin in den Diözesanarchiven konsultieren.
Pfarrarchive sind eine wichtige Quelle der Ahnenforschung und gehen auf das Mittelalter zurück. Beim Trienter Konzil im 16. Jahrhundert wurden alle Pfarren zur Buchführung verpflichtet, in Österreich begann die flächendeckende Matrikenführung mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts. Andere Quellen aus dieser Zeit sind Urkunden oder grundherrschaftliche Verzeichnisse.