Bioethikkommission: Streit über assistierten Suizid
Die österreichische Bioethikkommission hat am Donnerstag Empfehlungen zum Thema Sterbehilfe abgegeben, wobei die Kommissionsmitglieder deutlich unterschiedlicher Meinung waren. 16 der 25 Mitglieder befürworteten eine Lockerung des strafrechtlichen Verbots der Mitwirkung am Suizid, während acht Mitglieder eine derartige Neuregelung als problematisch bezeichneten. Der am Donnerstag in einer Pressekonferenz präsentierte Abschlussbericht, der insgesamt vier unterschiedliche Voten abbildet, soll laut der Kommissionsvorsitzenden Christiane Druml möglichen Regierungsmaßnahmen eine Linie vorgeben.
Das von Druml präsentierte Mehrheitsvotum spricht sich für Straflosigkeit für Angehörige und nahestehende Personen aus, die "einer an unheilbarer, zum Tode führenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidenden Person beim Suizid Hilfe leisten, sofern die Beweggründe - Loyalität oder Mitleid - verständlich seien.
Mehrheitsvotum: Kritik von Ärzten und Behindertenvertretern |
Zum Mehrheitsvotum der Bioethikkommission, in "Härtefällen" Ausnahmeregelungen zur assistierten Selbsttötung im Strafrecht durchzuführen, gab es am Donnerstag zahlreiche Reaktionen aus Politik und Zivilgesellschaft. Gegen jedwede Lockerung des Verbotes aktiver Sterbehilfe, insbesondere auch der straffreie Beteiligung von Ärzten daran, sprachen sich die Ärztekammer, Behindertenorganisationen sowie auch das kirchliche Bioethikinstitut IMABE aus. "Die Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient würde dabei völlig untergraben", so dessen Geschäftsführerin Susanne Kummer gegenüber "Kathpress".
In der Gesellschaft würde die Legalisierung in einem "breiten Konsens" abgelehnt, und es mute "eigenartig" an, "dass eine nicht demokratisch legitimierte Kommission diesen bestehenden Konsens brechen will".
Die Bioethikerin verwies darauf, dass die Zulassung ärztlicher Suizidbeihilfe in bestimmten Fällen - von der Bioethikkommission mehrheitlich gefordert - von den Ärzten eindeutig abgelehnt werde, wie schon ein einstimmiges Votum in der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer vom Dezember 2014 gezeigt habe. "Die Mediziner stehen als Dienstleister für Tötungsdelikte nicht zur Verfügung. Ärzte kennen Grenzen, und das ist gut so", betonte Kummer.
Weiters positionierte sich das IMABE-Institut klar im Sinne des Sondervotums in der Bioethikkommission. Es sei gefährlich, wenn gemäß des Minderheitenvotums beim Sterbewunsch eines Patienten diesem automatisch ein Suizidwunsch unterstellt würde, da dies Unterschiede verwische, so Kummer. Auch im Wortgebrauch ziele man scheinbar auf eine Entwicklung wie in Großbritannien ab, wo der Begriff "assistierter Suizid" mittlerweile verboten und nur noch die Rede von "Selbstbestimmung" sei. "Fakten werden somit komplett verschleiert", so Kummer.
Widerspruch zum Berufsethos
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), Artur Wechselberger verwies in einer Presseaussendung auf "zeitlose ethische Bindungen, die die Aufgabe der Ärzteschaft nicht in der Herbeiführung des Todes kranker Menschen sehen". Dieser Grundsatz sei bei der jüngsten ÖAK-Vollversammlung in einer Resolution einstimmig bekräftigt worden. Leben zu beenden widerspreche dem ärztlichen Berufsethos und dürfe nicht Bestandteil ärztlichen Handelns sein, zitierte Wechselberger aus dem Dokument der Ärztevertretung. Dringend erforderlich sei vielmehr ein umfassender Ausbau der Palliativmedizin in Österreich.
Von einem "offenen Schlag ins Gesicht von Menschen, die sich in der letzten Phase ihres Lebens befinden", sprach Marianne Karner vom Behindertenberatungszentrum "Bizeps" mit Blick auf das Mehrheitsvotum der Bioethikkomission. Nach der Zulassung der PID vor wenigen Wochen sei dies bereits die zweite ethische Diskussion, "die das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen massiv in Frage stellt", so Karner. Insbesondere die mögliche Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit zum ärztlich-assistierten Suizid hätte "fatale gesellschaftspolitische Auswirkungen und Konsequenzen für den normalen medizinischen Alltag", warnte die Behindertenvertreterin.
Huainigg: Töten ist nie Bamherzigkeit
"Tötung ist niemals ein Akt der Barmherzigkeit, hier geht es um eine Richtungsentscheidung", sagte der ÖVP-Abgeordnete Franz-Joseph Huainigg. In tragischen Fällen müsse man sich der Sorgen und Ängste von Menschen annehmen. "Schmerzen und Einsamkeit müssen bekämpft werden, aber niemals der Mensch!", betonte Huainigg: "Bei einem Hospizdeckungsgrad von 50 Prozent die Einführung der Beihilfe zur Selbsttötung zu fordern, ist besonders im Hinblick auf unsere Geschichte äußerst bedenklich und abzulehnen."
Der ÖVP-Politiker sprach wörtlich von einem Weg, der "definitiv in die falsche Richtung" weise und Druck auf die Lebensexistenz von Menschen schaffe. Diese müssten sich dann dafür rechtfertigen, warum sie überhaupt noch am Leben sind, Angehörigen zur Last fallen oder Pflegegeld in Anspruch nehmen, so Huainigg. "Dieser Vorschlag zur Neuregelung im Strafrecht fördert einen Gewissenskonflikt der pflegenden Angehörigen, der durch die Möglichkeit zur Beihilfe zum Suizid nicht gelöst, sondern im Gegenteil erst richtig geschürt wird. Ich lehne daher jegliche Türöffnung zu Änderungen im Strafrecht ab."
SPÖ, Grüne: Votum diskutieren
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach sich dafür aus, die Empfehlungen der Kommission ernsthaft zu diskutieren. "Würde am Ende des Lebens bedeutet, schmerzfrei und in guter Umgebung zu sterben, sowie selbstbestimmt letzte Entscheidungen über das eigene Leben treffen zu können", so Jarolim in einer Aussendung. Ängste vor einem leidvollen Sterben seien ernst zu nehmen.
Vom Mehrheitsvotum der Ethikkomission bestätigt in der Forderung nach einer "Entkriminalisierung" der Beihilfe zum Suizid, sah sich Grünen-Gesundheitssprecherin Eva Mückstein. "In genau umschriebenen Ausnahmefällen sollte die Hilfestellung durch Angehörige, nahestehende Personen und Ärzte möglich sein", betonte sie. |
Der diese Handlung bisher betreffende Paragraph 78 im Strafgesetzbuch (StGB) sollte demnach gelockert werden.
Abweichend davon erklärten acht Kommissionsmitglieder, dass schon die derzeitige Rechtsordnung bei der Frage, ob in einem konkreten Fall rechtswidriges Verhaltens vorgelegen sei, den Einzelfall prüfe und Gewissensnot angemessen berücksichtige statt Pauschalurteile zu fällen, wie Befürworter argumentierten. Eine Abänderung des StGB-Paragraphen 78 würde ein völlig falsches Signal an die Gesellschaft richten und könnte dazu beitragen, dass assistierter Suizid zum Normalfall werde, erklärte des Grazer Moraltheologe Walter Schaupp, ein Unterzeichner des Minderheitenvotums, das Bedenken.
Wie das Minderheitenvotum weiter feststellte, wäre die vorgeschlagene Abänderung des § 78 StGB - die Straffreistellung bestimmter Ausnahmen - in vielerlei Hinsicht problematisch. So gebe es enorme Unschärfen bei Begriffen wie "begrenzte Lebenserwartung" oder bei der Überprüfbarkeit der Vorbedingungen, zudem würden Ärzte keineswegs aus einem Gewissenskonflikt entlassen, wie von Befürwortern vorgetragen. Statt einer Strafgesetzbuch-Änderung wurde deshalb - als "niederschwelligere Alternative" - die Erstellung von Richtlinien angeregt, nach denen Staatsanwälte prüfen können, ob Einzelfälle weiterverfolgt werden müssen oder nicht. Schaupp: "Dass in milden Formen der Involvierung Angehöriger - etwa allein durch menschlichen Beistand - Anklage erhoben wird, will niemand."
Selbst innerhalb des Minderheitenvotums gab es innerhalb der Kommission jedoch vier Mitglieder, die ihre Meinung in einem Sondervotum noch weiter präzisierten. Die Äußerung eines Wunsches nach dem Lebensende dürfe nicht mit tatsächlicher Suizidabsicht gleichgesetzt werden, hieß es hier, zudem seien diese Äußerungen vor allem Ausdruck eines Leidensdrucks, der eine Verbesserung der Lebenssituation als Ziel haben müsse. Jeder Suizid - egal ob "aus der Mitte des Lebens" oder bei lebensbedrohlicher Erkrankung - sei zudem ein "tragischer Schlussstrich", den es gesellschaftlich zu vermeiden gelte.
Bei anderen Themen gab es in der Kommission hingegen Einstimmigkeit - etwa darin, dass am Lebensende "unverhältnismäßige medizinische Interventionen" vermieden werden sollten und hier mehr Rechtssicherheit erforderlich sei. "Absolut dringend" werde laut Druml auch der Bedarf für den bundesweiten Ausbau der Palliativmedizin und der Hospizdienste sowie der verstärkten Ausbildung in diesem Bereich gesehen. Abgebaut werden sollten zudem die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht oder das Bewusstsein in der Bevölkerung für individuelle gesundheitliche Vorausplanung für das Lebensende.