Korea: Land der Märtyrer
Die größte Seligsprechung dieses Jahres findet am 16. August in Seoul statt, wenn Papst Franziskus bei seinem Korea-Besuch 124 Märtyrer zur Ehre der Altäre erheben wird. Bei den neuen Seligen handelt es sich um Paul Yun Ji-chung sowie 123 weitere Katholiken, die zwischen 1791 und 1888 aus "Hass gegen den Glauben" getötet worden seien, erklärte die vatikanischen Heiligsprechungskongregation im Februar in einem Erlass. Die Biografie der neuen Seligen bildet ein wichtiges Stück Kirchengeschichte im Land der dritten Reise des Papstes außerhalb Italiens und ist auch Programm des 6. Asiatischen Weltjugendtages, an dem Franziskus teilnimmt: "Die Herrlichkeit der Märtyrer strahlt auf euch", so das Motto der Begegnung.
Das gesamte 19. Jahrhundert war für das Christentum in Korea von Diskriminierung, schwerer Verfolgung und tausenden Hinrichtungen geprägt. Nur wenige der rund 10.000 getöteten Katholiken sind bekannt: Die bisher 103 Heiligen und die 124 bald neuen Seligen, die fast ausschließlich Laien waren, seien "nur ein Tropfen im Ozean der anonymen Märtyrer Koreas", bezeichnete dies kürzlich Kurienkardinal Fernando Filoni, Leiter der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Dass die Kirche noch nicht mehr koreanische Märtyrer selig- und heiliggesprochen hätte, liege schlichtweg daran, dass es noch nicht gelungen sei, deren Biografien vollständig zu rekonstruieren.
Todesstrafe für Ahnenkult-Ablehnung
Als erster Märtyrer Koreas gilt Paul Yun Ji-chung. In der Anfangszeit des Katholizismus im Land, als Gelehrte auf der Suche nach neuen Lebensentwürfen das in China bereits bekannte Christentum aufgriffen, kam der Adelssohn durch seinen gelehrten Onkel 1784 zum Katholizismus und ließ sich auf einer Chinareise taufen. Auch konkrete Taten folgten: Gemeinsam mit seinem Cousin James Kwong Sang-yon verzichtete Ji-chung 1791 beim Begräbnis seiner ebenfalls konvertierten Mutter auf deren Wunsch auf das konfuzianische Ritual und verbrannte auch deren im Totenkult übliche Ahnentafel sowie die seines Vaters - eine Praxis, die der Pekinger Bischof Alexander de Gouveia per Dekret angeordnet hatte.
Die Ablehnung der Tradition sorgte für großen Aufruhr und wurde von der koreanischen Joseon-Kaiserdynastie als Gefahr für die soziale Ordnung eingestuft. Sie reagierte in aller Härte, ordnete dem Gouverneur der zuständigen Region Chinsan die Verhaftung und Folter der beiden Mitglieder der Oberschicht an und ließ Monate darauf den 33-jährigen Ji-chung und seinen 41-jährigen Cousin Sang-yon durch das Schwert hinrichten - wegen moralischer und ethischer Verstöße, da sie die im Konfuzianismus vorgeschriebene Ehrbezeugung gegenüber den Ahnen und dem König verweigert hatten.
Etliche Hinrichtungswellen
Nach Verboten der Einfuhr westlicher Bücher, der Verbrennung katholischer Literatur in Korea und einer staatlichen Ächtung und Verfolgung der Katholiken wuchs unter Angehörigen der Oberschicht der Druck aus den eigenen Familien, dem christlichen Glauben wieder abzuschwören.
Wichtigster Träger der katholischen Lehre in Korea wurde nun die "Chungin"-Mittelschicht, die dem erst aufkeimenden Christentum zu neuer Blüte verhalf. Aus Perspektive des Kaiserhauses glich dies einer sozialen Revolte: Eine Gottesbeziehung, die von Gleichheit untereinander geprägt war, stand klar im Widerspruch zur Gesellschaftsordnung, in der Adel und Gelehrte strikt von den Sklaven und Minderbemittelten getrennt waren.
Konsequenz dieses Konflikts war ab 1801 erneute Verfolgung mit Folter, mehreren Wellen jeweils hundertfacher Hinrichtungen sowie auch unzähligen Exilierungen. Verstärkt wurde die Gangart nach der Ankunft von Missionaren aus Paris 1839, wobei bei der Verfolgung von 1846 auch der erste in Korea geborene Priester, Andreas Kim Tae-gon, hingerichtet wurde. Die größte Märtyrerzahl gab es ab 1866, als 8.000 Katholiken - darunter neun Priester aus dem Ausland - an einem Felsen am Ufer des Hangang-Flusses von Seoul öffentlich enthauptet wurden. Hundert Jahre später wurde an dieser Stelle das katholische Nationalheiligtum Jeoldu-san im Hauptstadtbezirk Mapo-gu errichtet, dessen Komplex u.a. eine Kirche, ein Museum, Begegnungsräume und 28 Märtyrergräber umfasst.
Die bisher 103 südkoreanischen Heiligen stammen allesamt aus den Reihen der Märtyrer des 19. Jahrhunderts und wurden - nach Seligsprechungen 1925 und 1968 - von Papst Johannes Paul II. bei dessen Korea-Reise 1984 kanonisiert. Der polnische Papst besuchte damals das Märtyrer-Heiligtum, Mutter Teresa tat dies im Folgejahr. Papst Franziskus macht am 15. August beim Geburtsort des heiligen Andreas Kim Dae-gon in Solmoe südlich von Seoul Station und wird auch nach den 124 Seligsprechungen am 16. August noch einmal - bei der Abschlussmesse des Jugendtages am 17. August - die "Gedenkstätte der unbekannten Märtyrer" aufsuchen.
Weiterhin Märtyrer in Nordkorea
Sehr bewusst wird beim Papstbesuch auch daran erinnert, dass der Alltag der Christen im stalinistisch geprägten Nachbarland Nordkorea weiterhin von Repressalien und brutalen Verfolgungen geprägt ist, obwohl offiziell Religionsfreiheit gilt. Der Menschenrechtsorganisation Open Doors zufolge, die Nordkorea als das Land mit der schlimmsten Christenverfolgung weltweit einstuft, reicht hier oftmals schon der Besitz einer Bibel als Internierungsgrund für eine ganze Familie in einem Arbeitslager.
Derzeit gibt es in Nordkorea laut offiziellen Angaben keine Priester mehr. Mindestens 166 Priester und Ordensleute wurden nachweislich in den 1940er-Jahren vom nordkoreanischen Regime für ihren Glauben getötet. Ein Seligsprechungsprozess ist seit 2009 für eine Gruppe von 36 Benediktinermissionaren aus dem Kloster Tokwon in Gang, die zwischen 1949 und 1952 in Arbeitslagern umkamen. Bekannt ist zudem der letzte nordkoreanische Bischof von Pjönjang, Francis Hong Yong-ho. Der 1906 geborene galt seit 1962 als verschollen und wurde 2013 vom Vatikan für tot erklärt.
Die Seligsprechung ist in der katholischen Kirche die erste Etappe auf dem Weg zur Aufnahme in den Heiligenkalender. Selige dürfen im Unterschied zu Heiligen nur regional und nicht in der gesamten Weltkirche verehrt werden. Durch Anerkennung eines Martyriums entfällt die Notwendigkeit, im Seligsprechungsprozess ein Heilungswunder nachzuweisen, das auf Fürsprache des Kandidaten gewirkt wurde.
Quelle: Kathpress