
Weltkirchenrat sucht gemeinsames Kirchenbild
Was ist Kirche? Eine gemeinsame Antwort auf diese Frage hat sich der Ökumenische Rat der Kirchen bei seiner 10. Vollversammlung im südkoreanischen Busan als "Hausaufgabe" gestellt. Wie Nicolae Dura, Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), am Montag in Wien berichtete, wollen die 345 Teilnehmerkirchen des Weltkirchenrates künftig "nicht mehr ständig Unterschiede und Übereinstimmungen suchen, sondern das tiefere Verständnis von Gottes Wille", so der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar.
"In vieler Hinsicht fehlt der Ökumene noch die gemeinsame Vision - etwa was die Taufe, die Eucharistie oder das Amt betrifft", stellte Dura fest. Die Mitgliedskirchen sollten derartige Punkte deshalb bis Ende 2015 diskutieren - unter Zuhilfenahme eines in Busan verabschiedeten Konvergenztextes, der wiederum auf der sogenannten "Lima-Erklärung" von 1982 basiert. In vielen anderen Bereichen sei hingegen Einheit bereits sichtbar, etwa im Verständnis der Kirche als missionarische Gemeinschaft, die sich auf Pilgerschaft befindet und "kein Selbstzweck, sondern Gottes Werkzeug zur Heilung der Welt" sei. Deshalb habe sie sich auch politisch für Themen wie Gerechtigkeit, Frieden und Umweltschutz einzusetzen.
Eines der Hauptthemen in Busan war die Situation der Familie. Dura erinnerte an die von Kurienkardinal Kurt Koch übermittelte Botschaft von Papst Franziskus, in der dieser den Schutz der Familie als "fundamentales Element der Gesellschaft" forderte, neben der umfassenden Erziehung der Jugend und der Garantie von Religionsfreiheit. Ähnlich äußerten sich auch der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. und der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion. Der armenische Patriarch Karekin II. stellte im Eröffnungsgottesdienst das Verständnis der "Heiligen Familie", des "Vaterunsers" oder des "Christkindes" angesichts der Realität vieler zerrütteter Familien und der Erfahrung einer Geburt als Last statt als Hoffnung in Frage.
Vielfalt mit Spannungen
Dura zeigte sich "berührt" über die große Vielfalt unter den insgesamt 3.000 Teilnehmern des Treffens - darunter 735 Delegierte und über 2.300 Beobachter und Gäste, 25 davon aus dem Vatikan - die jedoch manchmal auch zu Spannung geführt habe. Unterschiede würden etwa bei der Bibel als gemeinsame Basis zutage treten: "Wir Orthodoxe lesen die Bibel nicht mit der Brille der Kirchenväter, wie uns viele vorwerfen, sondern mit deren Auge, Verstand und Herz. Viele der jungen Kirchen hingegen haben keine Tradition, auf die sie in der Auslegung zurückgreifen", so der Bischofsvikar. Bibellesungen gehörten neben den Gebeten, Diskussionen und Plenumsveranstaltungen zum täglichen Programm des 10-tägigen Treffens.
Schwierigkeiten beobachtete Dura zudem in der Abstimmungsform der Vollversammlung: Sie sei aufgrund der protestantischen Mehrheit auf das Konsensverfahren statt auf Parlamentarismus angewiesen, doch würden manche der Teilnehmer "keinen Konnex zur Theologie" besitzen. Angesprochen wurden zudem auch die finanziellen Probleme des Weltkirchenrates. Hier habe ein Teilnehmer vorgeschlagen, die Genfer Büros zu verkaufen und darum erheblich billigere Grundstücke in Afrika zu erwerben, berichtete Dura. Fest stehe jedenfalls, dass das Treffen ein enormer organisatorischer Aufwand von rund zehn Millionen Euro gewesen sei, dessen Umsetzung Südkorea sehr unterstützt habe.
Überrascht zeigte sich der rumänisch-orthodoxe Geistliche zudem über den Umgang der Organisatoren mit Protesten. Als bei der Abschlussveranstaltung drei Protestanten die Bühne "eroberten", seien sie von Sicherheitsbeamten überwältigt und fortgeschafft worden, ehe sie sich im Mikrofon äußern konnten. "Obwohl die direkt davor gehaltene Predigt sehr versöhnlich war, fand der Generalsekretär später kein Wort zu diesem Zwischenfall. Warum wurde nicht die Stimme auch dieser Menschen gehört?", so Dura.
Österreicherin im Zentralausschuss
Der Bischofsvikar hob die Bestellung von Elisabeth Pausz von der Evangelischen Kirche A. und H.B. in den Weltkirchenrats-Zentralausschuss hervor, mit der Österreich in diesem 150-köpfige Gremium nach 20-jähriger Pause wieder vertreten sei. Heimische Teilnehmer waren neben Dura und Pausz zudem auch die Altkatholikin Susanne Dolzer, sowie mehrere Beobachter, darunter Basilius Jacobus Groen von der Stiftung "Pro Oriente".
Der Weltkirchenrat vertritt rund 500 Millionen Christen, die seinen 345 Mitgliedskirchen angehören. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied im Weltkirchenrat, kooperiert aber auf mehreren Gebieten mit ihm.
Quelle: Kathpress