100 Tage Franziskus: Die Bilanz
100 Prozent Zustimmung nach 100 Tagen Pontifikat: So könnte die Schlagzeile nach einem "Kathpress"-Rundruf unter Theologen, Ordens- und Laienvertretern zur 100-Tage-Bilanz von Papst Franziskus lauten. Tatsächlich erntet der neue Papst mit seinen ungewöhnlichen Zeichen und Akzentsetzungen durchgängig Zustimmung.
Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück betont die prinzipielle theologische Kontinuität zu Benedikt XVI., der Heiligenkreuzer Abt Maximilian Heim unterstreicht die durch Franziskus ins Bewusstsein gerückte "Option für die Armen"; der Wiener Franziskaner-Guardian P. Gottfried Wegleitner wiederum lobt die Einfachheit und Bescheidenheit. Lob auch von Seiten der Laienvertreter: "Seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus ist die kirchliche Welt eine andere geworden", meint die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Gerda Schaffelhofer. Der Papst überrasche fast täglich mit Aussagen, "die motivieren und aufrütteln".
Positiv auch die Rückmeldung aus der Ökumene: So betont der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker die positiven Signale in Richtung einer innerkirchlichen Reform.
Tück: Kontinuität zu Benedikt XVI.
Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück erkennt in der neuen päpstlichen "Ästhetik der Schlichtheit und Einfachheit" und im Verbleib des Papstes im vatikanischen Gästehaus Santa Marta eine auch theologisch geerdete "Vorliebe für das Provisorium". Schließlich sei aus Sicht des Glaubens das ganze menschliche Leben nur ein "Provisorium". Unter den konkreten Taten in den ersten 100 Tagen des Pontifikats sieht Tück die Einberufung einer Kardinalskommission zur Kurienreform als wichtigsten Akzent. "Franziskus macht offenbar mit der Idee der Kollegialität ernst und will die Kurienreform ernsthaft angehen."
Eine Adelung der bislang vatikanisch ungelittenen Befreiungstheologie durch den Papst aus Lateinamerika sieht Tück nicht. "Mit Bergoglio hat kein ausgewiesener Befreiungstheologe die Cathedra petri erklommen", so der Theologe. Aber er habe durch seine authentisch vorgelebte "Option für die Armen" die Anerkennung der Befreiungstheologie bekommen.
100 Tage Papst: Bilanz von Jan-Heiner Tück
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Von Beginn des Pontifikats an heiß diskutiert ist außerdem die Frage nach dem theologischen Verhältnis von Benedikt XVI. und Franziskus. Steht Papst Franziskus in Kontinuität zu Benedikt XVI. oder lässt sich gar ein Bruch konstatieren? Tück lehnt die Rede von einem Bruch ab und spricht lieber von einer "Akzentverschiebung". Aufgrund seiner lateinamerikanischen Herkunft habe Bergoglio einen "unverkrampft direkten Zugang" zu Fragen der Gerechtigkeit in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Insofern scheine er den Gerechtigkeitsfragen größere Bedeutung zuzumessen als Benedikt XVI. der stärker auf die Wahrheitsfrage gesetzt habe. Dennoch zeigten Äußerungen von Papst Franziskus zu Fragen etwa des Lebensschutzes, dass es eine große Nähe zur Theologie Benedikts XVI. gebe.
Heim: Erinnerung an Paul VI.
Ähnlich auch die Einschätzung des Heiligenkreuzer Abtes Maximilian Heim. Heim, selbst Mitglied im "jungen Schülerkreis" und ausgewiesener Experte für die Theologie Joseph Ratzingers, sieht ebenfalls keine Anzeichen für einen theologischen Bruch. Der unterschiedliche Stil resultiere indes aus unterschiedlichen Lebenskontexten: Franziskus komme schließlich aus Lateinamerika und habe die Notwendigkeit hautnah erlebt, "das Evangelium in das Leben der Menschen zu übersetzen". Benedikt XVI. habe in seinem Gelehrtendasein andere Akzente verfolgt. "In der Intention sind beide gleich, wenn auch die jeweiligen Lebenskontexte ganz unterschiedlich sind".
Positiv überrascht zeigte sich Heim von der Vehemenz, mit der Franziskus von Beginn an die "Option für die Armen" eingebracht hat. Das habe ihn "sehr berührt", da es schließlich auch der monastischen Tradition entspreche, die Armen ins Zentrum zu rücken. Einen "revolutionären Ansatz" erkennt Heim in der Schlichtheit des Lebenswandels von Papst Franziskus nicht: "Er schafft nicht revolutionär Dinge ab, sondern er lässt einfach weg, was überflüssig war. Und darin erinnert er sehr stark an Papst Paul VI., der eine neue Einfachheit in die Kirche eingebracht hat".
Weiters stellte Heim in Aussicht, dass es auch heuer wieder ein Treffen der beiden Schülerkreise um Joseph Ratzinger - den "alten" und "jungen" Schülerkreis - geben wird. Diese Treffen werden laut Heim voraussichtlich auch heuer wieder am päpstlichen Sommersitz Castelgandolfo stattfinden, allerdings nicht mit Teilnahme von Benedikt XVI. Dieser werde eventuell mit den Schülerkreisen einen gemeinsamen Gottesdienst im Vatikan feiern, dies sei jedoch noch unsicher, so Heim.
Wegleitner: "Name ist zum Programm geworden"
Den Vorbildcharakter des neuen Papstes unterstreicht in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress" der Guardian des Wiener Franziskaner-Klosters, P. Gottfried Wegleitner. "Im Glauben ist das Vorbild entscheidend. Was nützen große Worte, aber das Zeugnis fehlt?" Insofern sei Franziskus ein "Vorbild für einen gelebten Glauben", der zeige, dass Glaube "Menschen-Freundlichkeit" bedeute. Außerdem zeige seine Bescheidenheit den "eigentlichen Reichtum" des Glaubens auf, der "nicht in Prunk und Pracht" liege. Wegleitner: "Für den Papst ist der Name 'Franziskus' tatsächlich zum Programm geworden. Beide sind Menschen, die an Gott glauben und die andere Menschen für Gott begeistern."
Katholische Aktion: Aufwertung der Laien
Für KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer geben viele der Aussagen und Bilder des Papstes "Anlass zur Hoffnung auf einen neuen Aufbruch in der Kirche". So habe er von den Priestern gefordert, dass sie mit dem "Geruch der Schafe" - also inmitten ihrer Herden - leben sollen. Das darf laut Schaffelhofer als "ermutigender Anfang für ein neues Miteinander von Klerikern und Laien" interpretiert werden. Zudem habe Franziskus seine Aussage wiederholt und bekräftigt: "Wenn ihr einen disponiblen Laien auftreiben könnt, dann lasst ihn nur machen."
Der Papst bekenne sich zu einem apostolischen Mut, der ein Säen mit dem Zulassen verbinde, "dass der Heilige Geist den Rest macht". Dieses "Urvertrauen" in die göttliche Gnade ist laut Schaffelhofer befreiend "und entzieht einem angstbesetzten kirchlichen Fundamentalismus die Basis".
Dass der Papst in seiner Osterbotschaft den Sieg von Liebe und Barmherzigkeit ins Zentrum stellte, bewertet die KAÖ-Präsidentin als "großartig". Nachsatz: "Bleibt die Frage, wie diese zentrale Botschaft umgesetzt werden kann, z.B. im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen."
Glückwünsche aus Ökumene
Positiv auch die Einschätzung des evangelisch-lutherischen Bischofs Michael Bünker: Franziskus habe in seinen ersten 100 Tagen positive Zeichen gesetzt: "Ich nenne etwa die Kirche der Armen oder die Öffnung der katholischen Kirche." Daher könne man ihm aus der Ökumene "nur das Beste wünschen für seine Reformanliegen, denn das wissen wir Evangelischen: Ecclesia semper reformanda, wie ja auch das Zweite Vatikanische Konzil von der Kirche spricht."
Mayrhofer: Ruck geht durch die Kirche
Beeindruckt von Papst Franziskus hat sich die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreich (VFOÖ), Sr. Beatrix Mayrhofer gezeigt. Jorge Bergoglio bleibe sich auch als Papst selbst treu und lebe das weiter, was ihm wichtig ist; in Treue zum Evangelium, in seiner Hinwendung zu den Armen und seinem Leben als Ordensmann.
In besonderer Erinnerung sei ihr die Predigt des Papstes vom Palmsonntag, als dieser die freudige Dimension des christlichen Glaubens hervorgehoben hatte und einen Appell an alle Gläubigen richtete, sich nicht entmutigen zu lassen, so Sr. Mayrhofer. Die Spontanität von Papst Franziskus, seine Freiheit und die Freude, mit der er auf Menschen zugeht, seien wegweisend, sagte die Präsidentin der heimischen Frauenorden.
Die Impulse des Papstes, dass Christsein mit Freude und Armut zugleich zu tun hat, lasse einen Ruck durch die Kirche gehen und bringe frischen Wind "in die Kirchengemeinden und wohl auch in die bischöflichen Räumlichkeiten", zeigte sich Sr. Mayrhofer überzeugt.
Quelle: Kathpress