Konfessionslose im Fokus
Die Zahl der Aktivisten und deklarierten Unterstützer für agnostische oder atheistische Vereinigung in Österreich ist sehr gering im Verhältnis zur Zahl jener Menschen, die offiziell "ohne religiöses Bekenntnis" sind. Das hat Johannes Sinabell Leiter des Referats für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien, in einer Stellungnahme gegenüber "Kathpress" dargelegt. "Der Großteil der Menschen ohne Konfession steht etablierten Kirchen zwar indifferent, jedoch nicht feindlich gegenüber", so Sinabell, der gleichzeitig darauf verwies, dass die atheistische Szene in den letzten Jahren in Bewegung gekommen sei.
Steigend sei die Gruppe jener Menschen, die mit Kirche oder Religion kaum oder überhaupt nicht mehr in Berührung kommen. Dies zeige sich in einer Abnahme des religiösen Allgemeinwissen und im Umstand, dass "kirchliche Feiertage zwar als Familienfeste gefeiert und zur Erholung geschätzt werden, aber nicht so, dass dabei der religiöse Hintergrund relevant wäre." In Österreich sei laut Sinabel somit klar ein "praktischer Atheismus" dominant, der "freundlich desinteressiert" gegenüber Religion stehe.
Daneben gebe es jedoch auch das Phänomen eines sogenannten "neuen Atheismus" mit Wurzeln in den USA, wo Buchautoren von klar antireligiösem Standpunkt aus vor allem auf das Erstarken einer evangelikalen, teils fundamentalistischen Frömmigkeit reagierten. Thema der Debatte war vor allem die Evolution, wobei stets versucht wurde, alles nicht wissenschaftlich Beweisbare - und somit auch Gott - aus der Wahrnehmung der Wirklichkeit auszuschließen und dadurch jede Art des Glaubens abzuqualifizieren.
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In jüngster Vergangenheit habe sich die moderne Variante des Atheismus auch im deutschsprachigen Raum gebildet und mache sich über Kampagnen und Initiativen bemerkbar, so Sinabell. Dies sei ein "völliges Novum", wenngleich er den Kreis der Proponenten als "klein" beschreibt: Viele Leitungsfunktionen in den einzelnen aktiven Gruppierungen der Konfessionslosen würden dieselben Personen in Doppel- oder Mehrfachfunktion übernehmen.
Die älteste der aktiven atheistischen Vereinigung ist der 1887 im Arbeitermilieu gegründete Freidenkerbund Österreich (FBÖ), der sich anfangs vor allem für religionslose Schulerziehung und Feuerbestattung stark machte. Nach einem Verbot 1933 wurde er 1948 neu gegründet, musste allerdings 1978 nochmals einen Neustart machen - nun mit Beinamen "Institut für wissenschaftliche Weltanschauung" und Fokus auf Erwachsenenbildung.
Anhaltende Krisen und Richtungsstreitigkeiten beim Bund lösten 2006 eine Absplitterung gleich mehrerer Gruppen aus. So gründete sich etwa die ehemalige oberösterreichische FBÖ-Landesgruppe um Wolfgang Huber als "Allianz für Humanismus und Atheismus" (AHA) neu, die u.a. die Öffnung des Bundes auch für Freireligiöse nicht mittragen wollte.
Der Grünen-Politiker und Biologe Erich Eder gründete fast zeitgleich die "AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich" (AG-ATHE) mit Philippe Lorre als Sprecher, wobei man als vorrangige Ziele die Gleichbehandlung Konfessionsloser in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie eine laizistische Gesellschaftsordnung anstrebte.
2009 entstand die Regionalgruppe Österreich der "Giordano-Bruno-Stiftung" (GBS), die sich an der 2004 gegründeten deutschen "Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus" orientiert. Durch ihre klare atheistische Offensive - bekannt wurde etwa die Plakatkampagne des Werbefachmanns und Österreichsprechers der Stiftung, Niko Alm - wurden bestehende Gruppen belebt und die Bildung neuer Initiativen angeregt.
Trend zur Initiativen-Bildung
Als Beispiele dieses Engagements nannte Sinabell die "Initiative Religion ist Privatsache" um ihren Präsidenten Prof. Heinz Oberhummer, deren Hauptziel die Verbannung von Religion aus öffentlichen Einrichtungen ist: Religion in diesem Raum diskriminiere die Konfessionsfreien, so die Argumentationslinie des Kampfes etwa gegen Kreuze in Schulen oder gegen den Religionsunterricht, den die Initiative durch alle Rechtsinstanzen führen will. Eine eigens eingerichtete "Meldestelle" gegen religiöse Bevormundung soll entsprechende Diskriminierungsfälle sammeln.
Strenge Trennung von Religion und Staat heftet sich die "Laizismus-Initiative" auf ihre Banner, wobei vorrangig die Aufhebung des Konkordats, das laut Ansicht der Initiative die Kirche privilegiere, sowie eine Verfassungsänderung angestrebt wird. "Vorübergehend", wie die Vertreter um Niko Alm sagen, soll der Staat das Religionsbekenntnis frühestens im Alter von 14 Jahren aufnehmen und folglich bis dahin in der Pflichtschule dahin nur Ethikunterricht mit religionsgeschichtlichen Aspekten anbieten.
Seit 2012 benennt sich der "Zentralrat der Ex-Muslime" ebenfalls als "Initiative", deren Mitglieder sich als ehemalige Muslime und säkulare Humanisten sehen. Der Verein, dessen Obmann Cahit Kaya ist, beklagt eine einseitige Wahrnehmung des Staates zugunsten strenggläubiger islamischer Verbände. Er setzt sich für Aufklärung, gegen Ehrenmorde und Zwangsehen, gegen eine "falsche Toleranz" etwa bei Schleier und Minarett sowie für die Enttabuisierung des Abfalls vom Glauben im Islam ein.
Als Plattform der genannten säkularen Einrichtungen ist jüngst der "Zentralrat der Konfessionsfreien" (ZrK) entstanden. Die von Niko Alm geleitete Organisation versucht sich für jene Österreicher stark zu machen, die formell zu keiner Religionsgemeinschaft gehören und fordert, dass Rechte der Indifferenten, Uninteressierten und Ungläubigen in gleichem Ausmaß geschützt werden wie Rechte der Gläubigen.
Das aktuelle "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien" wurde initiiert von Einzelpersonen wie Alm und Oberhummer, vom Freidenkerbund, der österreichischen Giordano-Bruno-Stiftung und von der Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt", die ihr Anliegen für nicht-kirchliche Ombudsstellen vertritt. Um das Begehren zu starten, wurden innerhalb von knapp zwei Jahren 8.637 Unterstützungserklärungen gesammelt. Die Forderungen sind laizistischer, antiklerikaler und finanzieller Natur - so wird etwa behauptet, der Staat könne sich ohne Kirchenprivilegien viel Geld sparen.
Andere Anliegen der atheistischen Gruppierungen finden ihren Ausdruck etwa in der "Kreuzanfechtung" in öffentlichen Einrichtungen, in der Unterstützungserklärung der Initiative Laizismus, für die bislang 5.462 Unterschriften getätigt wurden, oder in der Atheisten-Kampagne, in der die Werbeagentur von Alm zuletzt etwa in der "Buskampagne" das Thema Religionsfreiheit und Kinder aufgegriffen hat. Schließlich ist hier auch die "Atheistische Religionsgemeinschaft in Österreich" zu nennen, die per Antrag nach dem Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz herausfinden will, wie weit der Staat geht, um eine Überzeugung als Religion zu werten.
Keine genauen Zahlen verfügbar
Die exakte Zahl jener Staatsbürger, die aktuell ohne religiöses Bekenntnis sind, ist unbekannt, gab es in Österreich doch seit 2001 keine Volkszählung mehr. Der "Zentralrat der Konfessionsfreien" ordnet auf seiner Homepage 2,4 Millionen Menschen - umgerechnet 28,5 Prozent der Bevölkerung - der Kategorie "Konfessionslos und ohne Angaben" zu. Eine "nicht nachvollziehbare" Zahl, so das Urteil von Stefan Lorger-Rauwolf, Mitarbeiter am Referat für Weltanschauungsfragen: Man habe hierfür die von den einzelnen Religionsgemeinschaften veröffentlichten Mitgliederzahlen schlichtweg addiert und die Differenz zur Gesamtbevölkerung gezogen. "Außer von der katholischen und evangelischen Kirche werden jedoch kaum Zahlen veröffentlicht, und besonders bei der Zahl der muslimischen Bürger gibt es große Unsicherheiten", so Lorger-Rauwolf gegenüber "Kathpress". Wahrscheinlicher sei daher die Zahl von rund 1,9 Millionen, die deklariert ohne religiöses Bekenntnis sind.
Herausforderung an Glaubende
Hinsichtlich der Beurteilung des Atheismus in seinen Erscheinungsformen bemerken die kirchlichen Weltanschauungsexperten, dass Kirchen und religiöse Menschen am Entstehen von Atheismus durchaus mitbeteiligt seien, etwa durch ihr Auftreten oder die Art des Umganges mit Kritikern oder Andersdenkenden. Das habe bereits das Zweite Vatikanische Konzil festgestellt, das die "Vernachlässigung der Glaubenserziehung, missverständliche Darstellung der Lehre oder Mängel des religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Lebens" der Gläubigen als Mitverursacher nannte. Das "wahre Antlitz Gottes und der Religion" werde auf diese Weise eher verhüllt als offenbart, so das Konzilsdokument "Gaudium et spes".
Der deutsche Priester und Philosoph Eberhard Tiefensee bezeichnete Atheisten und religiös Indifferente deshalb als Anfrage an den Glauben: Sie machten "auf die Unerfahrbarkeit, Unbegreiflichkeit und Nichtinstrumentalisierbarkeit Gottes aufmerksam und problematisieren damit die oft unvorsichtige Rede der Gläubigen von 'religiösen Bedürfnissen' und Gotteserfahrungen".
Quelle: Kathpress