"Auf Reformen drängen - mit Rom, nicht gegen Rom"
Für ein verstärktes Engagement der Bischöfe im fortschreitenden kirchlichen Reformprozess hat sich der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl ausgesprochen
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Für ein verstärktes Engagement der Bischöfe im fortschreitenden kirchlichen Reformprozess hat sich der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl ausgesprochen. "Wir Bischöfe stehen auch in weltkirchlicher Verantwortung, daher müssten auch wir stärker auf Reformen drängen - mit Rom, nicht gegen Rom", unterstrich Krätzl bei der Präsentation seines neuen Buches "Mein Leben für eine Kirche, die den Menschen dient" am Montag in Wien. Zugleich warnte Krätzl davor, dass "die Praxis an der Basis und die Weisungen aus Rom immer mehr auseinanderklaffen". Dies sei gefährlich und "verantwortungslos", da es der Einheit der Kirche schade.
Für die Bischöfe bedeute dies die Aufgabe, in der Pastoral wie auch in der Ökumene "weiter zu denken". Konkret hoffe er etwa auf Fortschritte im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Eine "verantwortungsbewusste Einzelfallprüfung" würde die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe nicht in Frage stellen. Dies bedeute schließlich keinen "Freibrief", sondern ein sensibles Hören auf die Nöte der Menschen, so Krätzl. Im Übrigen habe Joseph Ratzinger selbst einmal eine solche Lösung unter Verweis auf die Praxis in der Orthodoxie befürwortet. Weiters verwies Krätzl auf eine entsprechende Weisung in der Diözese Bozen-Brixen, wo eine Einzelfalllösung bereits Praxis sei.
In der Ökumene müsse laut Krätzl in Richtung der Eucharistiegemeinschaft weiter gedacht werden. Nach der Einigung von Augsburg im Jahr 1999 in der umstrittenen Frage der Rechtfertigungslehre mit den Lutheranern habe eine gewisse Aufbruchstimmung in der Ökumene geherrscht. Diese sei heute weitgehend verflogen und der Devise gewichen: erst Kircheneinheit, dann Eucharistiegemeinschaft. "Vielleicht müsste man den umgekehrten Weg wagen", gab Krätzl zu bedenken. Zugleich verwies er auf die politische Bedeutung der Ökumene: "Wenn wir als Christen einen Beitrag zur Einheit Europas leisten wollen, dann müssen wir mit einer Stimme sprechen", appellierte Krätzl.
"Ein Zeuge kann nicht schweigen"
In einem Kurzvortrag erläuterte Krätzl bei der Präsentation außerdem die zentralen Anliegen seines Buches. So fühle er sich als "Zeuge, der nicht schweigen kann", etwa wenn es um wichtige Ereignisse in der österreichischen Kirchengeschichte gehe oder auch um "das heute zentrale Ringen um die Deutung des Konzils". Schwerpunkte seines Buches seien u.a. die Schilderung rund um den Papstbesuch in Österreich im Jahr 1983. Dies sei zugleich der "letzte Höhepunkt des Wirkens der Katholischen Aktion" gewesen, so Krätzl.
In einem weiteren zentralen Kapitel widmet sich Krätzl in seinem Buch der Nachfolge Kardinal Franz Königs im Jahr 1986 - jenem Kapitel also, dass später in die "Causa Groer" münden sollte. Dabei dokumentiert Krätzl u.a. einen Brief an den damaligen Papst Johannes Paul II., in dem er seine Enttäuschung und seine Sorge über den zukünftigen Weg der Erzdiözese Wien unter der neuen Leitung zum Ausdruck bringt. Er wolle damit zeigen, "dass wir Bischöfe nicht immer nur geschwiegen haben", so Krätzl. Und in Richtung des u.a. anwesenden neuen Wiener Weihbischofs Stephan Turnovskzy fügte Krätzl hinzu, er hoffe, dass auch heute Bischöfe verstärkt diese Verantwortung wahrnehmen würden: "Man sollte viel öfter nach Rom fahren."
Differenzen mit Kardinal Schönborn
Schließlich widmet sich Krätzl in seinem Buch auch ausgiebig seinem zentralen Thema: der Deutung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Da gebe es bis heute u.a. mit Kardinal Christoph Schönborn eine unterschiedliche Auslegung. Während Kardinal Schönborn das Konzil auch als einen Grund für spätere Abbrüche und Krisen verstehe, habe er es immer als Aufbruch verstanden, so Krätzl. Im Übrigen habe ihm Kardinal Schönborn selbst zu erkennen geben, dass er die ausführliche Schilderung dieser Differenzen in dem Buch begrüße, so Krätzl.
Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung sei zweifellos sein Gespräch mit Joseph Ratzinger gewesen, dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation. Es fand statt in Folge der Aufregungen um sein Konzilsbuch "Im Sprung gehemmt". Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt". Kardinal Ratzinger habe ihm dabei kein Schreibverbot auferlegt. Im Gegenzug habe Krätzl jedoch versprochen, zumindest keine weitere Auflage des mittlerweile vergriffenen Bestsellers zu veranlassen.
An der Präsentation nahmen u.a. der frühere Vizekanzler und Bundesminister Erhard Busek, der frühere Leiter der Pressestelle der Parlamentsdirektion, Franz Josef Weißenböck, sowie die Direktorin des Seminars für kirchliche Berufe, Ulrike Exler, teil.
Busek: Kirche muss "neue Sprache" finden
Busek bedauerte in dem Podiumsgespräch ausdrücklich, dass es heute kaum mehr politischen Nachwuchs aus den kirchlichen Reihen bzw. aus den Reihen der Katholischen Aktion gebe. "Dabei wäre es eigentlich eine Pflicht für die Christen, in die Politik zu gehen", so Busek, der selbst als Politiker eine starke kirchliche Sozialisation erfahren habe. Zugleich betonte Busek, dass die Kirche heute dringend eine "neue Sprache" finden müsse, um all jene Menschen zu erreichen, die "eine tiefe Sehnsucht nach Glaube und Orientierung" verspürten, diese jedoch nicht in der Kirche befriedigt fänden.
Weißenböck ging insbesondere auf die Konzilsinterpretation ein, die er als wichtigen Knackpunkt auch heutiger kirchlicher Debatten ausmachte. Das Konzil habe in vielerlei Hinsicht einen "Bruch" dargestellt - etwa im Blick auf die Liturgie, das Bekenntnis zur Religionsfreiheit, die Ökumene, die neue Sprache dem Judentum gegenüber oder im Blick auf die neue Wertschätzung anderen Religionen gegenüber.
Exler verwies schließlich auf die Probleme der nachwachsenden Generationen von Laien in kirchlichen Berufen. Dort gebe es viel Frust bis hin zur Apathie. Zwar sei gerade bei jungen Menschen der Wunsch groß, auch in der Kirche als Laie Verantwortung zu übernehmen, oftmals stünde dem jedoch die Erfahrung entgegen, "nicht gehört zu werden". So entstehe bei vielen Menschen der Eindruck, "in der Kirche geht es eigentlich nur zurück", so Exler.
Dank von der Ökumene
Einen besonderen Dank richtete im Anschluss der emeritierte evangelisch-lutherische Bischof und langjährige Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Herwig Sturm, an Helmut Krätzl. Er habe "tiefen Respekt" für die Leistungen und für die "Gradlinigkeit" Krätzls im ökumenischen Dialog, so Sturm. Zugleich verband Sturm damit die "Hoffnung auf einen weiteren Funken in der Ökumene" und auf ein weiteres Zusammenwachsen der getrennten Kirchen. Neben Sturm waren bei der Präsentation auch der Grazer Altbischof Johann Weber, der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky, der frühere altkatholische Bischof Bernhard Heitz sowie der früher Pressesprecher des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich, Helmut Nausner.