Papst Benedikt XVI. hat ein Naheverhältnis zu Österreich
Wien-Vatikanstadt, 19.4.06 (KAP) Papst Benedikt XVI. hat viele Bezüge zu Österreich. Schon als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation war Joseph Ratzinger hier oft zu Gast, sowohl in offizieller Funktion als auch privat. Seine Urlaube verbrachte der heutige Papst 30 Jahren hindurch zum Wandern im salzburgischen Bad Hofgastein. Sein Quartier bezog er in einem schlichten Zimmer im Gästehaus der örtlichen Pfarre. Mit einigen österreichischen Bischöfen ist Ratzinger bestens bekannt, allen voran mit Kardinal Christoph Schönborn: Der Wiener Erzbischof war nicht nur ein Schüler Joseph Ratzingers in Regensburg, er war auch an der Erarbeitung des "Katechismus der katholischen Kirche" (KKK) als Redaktionssekretär maßgeblich beteiligt.
Als der damalige Gurker Bischof Egon Kapellari in den achtziger Jahren die inzwischen renommierten "St. Georgener Gespräche" ins Leben rief, gewann er den höchstrangigen Theologen der Weltkirche 1985 als Referenten über die Lage des Glaubens in der Welt. 15 Jahre später ließ es sich Kardinal Ratzinger nicht nehmen, den nach einer Operation noch rekonvaleszenten Bischof Kapellari im Forsthaus der Gurker Bischöfe auf der Flattnitz aufzusuchen, als er wieder einmal im Gasteinertal seinen Urlaub verbrachte. Ratzinger, der mit Kapellari auch durch die Nähe zur Kunst verbunden ist, besuchte dabei auch die Ausstellung mit alter und zeitgenössischer sakraler Kunst auf Schloss Straßburg im Gurktal.
Der Kunst war auch ein weiterer Ratzinger-Besuch in Österreich gewidmet. 1991 weilte er aus Anlass des 200-Jahr-Gedenkens der Uraufführung des "Ave Verum" von Wolfgang Amadeus Mozart in Baden. Im August 2002 verbrachte er gemeinsam mit seinem Bruder Georg einige Tage in Wien.
Die Republik Österreich drückte ihre Wertschätzung für den großen Theologen 1992 durch die Verleihung des höchsten österreichischen Ordens aus, des "Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich am Bande".
Requiem für Kardinal König
Im März 2004 nahm Kardinal Ratzinger als persönlicher Vertreter Johannes Pauls II. an den Trauerfeiern für Kardinal Franz König teil, für den er auch das Requiem zelebrierte. Ratzinger würdigte dabei "die große geschichtliche Sendung Wiens als Begegnungsort zwischen Ost und West", die der verstorbene Wiener Alterzbischof gleichsam verkörpert habe. Wien sei ein Schauplatz erfolgreicher Bemühungen gewesen, "damit die Kirchen des Ostens und Westens mit dem Reichtum ihrer Überlieferungen über alle Trennungen hinweg wieder in ein brüderliches Gespräch miteinander kommen und wieder zueinander finden". Kardinal König sei ein "herausragenden Konzilsvater" gewesen, mit dem er sich sehr gut verstanden, habe, so Ratzinger damals.
Indirekt knüpfte der heutige Papst damals an jene ökumenisch relevanten Äußerungen an, die er Jahrzehnte zuvor in Österreich formuliert hatte. Es handelte sich um Feststellungen bei Veranstaltungen in Wien im April 1974 ("Pro Oriente") und in Graz im Jänner 1976 (Theologische Fakultät). Joseph Ratzinger kommentierte damals eine Grußformel des großen Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras I., mit der dieser Paul VI. bei dessen Besuch in Konstantinopel am 25. Juli 1967 begrüßt hatte. Damals sagte der Patriarch gegenüber dem Papst: "Und siehe, wir haben in unserer Mitte gegen jede menschliche Erwartung den ersten von uns der Ehre nach, den Vorsitzenden in der Liebe".
Joseph Ratzinger bemerkte in Wien im April 1974 dazu: "Es ist klar, dass der Patriarch damit nicht den ostkirchlichen Boden verlässt, und sich nicht zu einem westlichen Jurisdiktionsprimat bekennt. Aber er stellt deutlich heraus, was der Osten über die Reihenfolge der an Rang und Recht gleichen Bischöfe der Kirche zu sagen hat und es wäre nun doch der Mühe wert zu überlegen, ob dieses archaische Bekenntnis, das von 'Jurisdiktionsprimat' nichts weiß, aber eine Erststellung an Ehre und Agape bekennt, nicht doch als eine dem Kern der Sache genügende Sicht der Stellung Roms in der Kirche gewertet werden könnte".
Nur eineinhalb Jahre später kommentierte Ratzinger in der Aula der Universität Graz am 26. Jänner 1976 den Gruß des Patriarchen Athenagoras wieder, jedoch mit einem sehr großen Unterschied. In Graz sagte er nicht mehr, "es wäre der Mühe wert zu überlegen, ob", sondern er stellte das Ergebnis seiner Überlegungen unmissverständlich und unzweideutig dar. In seinem viel zitierten Vortrag von Graz sagte er: "Rom muss vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde. Wenn Patriarch Athenagoras am 25. Juli 1967 beim Besuch des Papstes im Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzenden der Liebe, benannte, findet sich im Mund dieses großen Kirchenführers der wesentliche Gehalt der Primatsaussagen des ersten Jahrtausends, und mehr muss Rom nicht verlangen".
Ein halbes Jahr nach dem Requiem für Kardinal König, im Oktober 2004, führte Kardinal Ratzinger die Wallfahrt der Notare Mitteleuropas nach Mariazell. Er zelebrierte das feierliche Pontifikalamt in der Basilika des Marienortes. In seiner Predigt betonte Ratzinger, dass das Christentum eine Religion der Freude sei. Freude, weil die Christen in der Gewissheit leben würden, "dass wir von einer Liebe gewollt sind, die nicht aufhört und die uns nicht verlässt, auf die wir uns immer verlasen können". Gott sei kein grausamer Richter, sondern er wolle das Heil jedes Menschen, so der damalige Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation.
"Dialog für Österreich"
In dieser Funktion als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation hat sich Kardinal Ratzinger auch immer wieder zu innerkirchlichen Diskussionen in Österreich - vor allem im Zusammenhang mit dem "Dialog für Österreich" nach der Krise rund um die "Causa Groer" - zu Wort gemeldet.
Dem "Kirchenvolks-Begehren" im Jahr 1995 mit fünf Reformwünschen an die Kirchenleitung, das mehr als 500.000 Unterstützer fand, konnte er wenig abgewinnen. Im Frühjahr 1997 beschied er der Initiative in einem Schreiben an den damaligen Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber, zur "Spaltung zwischen dem Volk Gottes und der kirchlichen Leitung" beizutragen und ein "unannehmbares demokratisches Kirchenmodell" zu propagieren. Zugleich akzeptierte Ratzinger, dass die Träger der Unterschriftenaktion, die Plattform "Wir sind Kirche", in den "Dialog für Österreich" eingebunden werden sollten, mit dem die Bischöfe auf die Kirchenkrise reagierten.
An seiner Einschätzung der Forderungen der "Plattform" ließ Ratzinger jedoch keinen Zweifel. Im Umfeld der Delegiertenversammlung des "Dialogs" im Oktober 1998 erklärte der Präfekt der Glaubenskongregation in einem Brief: "Viele Probleme, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, wurzeln in einer einseitigen oder sogar falschen Lehre über die Kirche". Dialog dürfe nicht heißen, dass die Lehre der Kirche in Frage gestellt, "sondern dass sie besser verstanden und in die Praxis umgesetzt wird". Nur auf dem festen Fundament des kirchlichen Glaubens könne ein Dialog fruchtbar sein.
Gegen vatikanischen Zentralismus
Im Wendejahr 1989 weilte Kardinal Ratzinger in Österreich, um in Laxenburg bei Wien an einem Treffen der vatikanischen Glaubenskongregation mit Vertretern der Glaubenskommissionen der Bischofskonferenzen Europas teilzunehmen. Dabei betonte er mehrmals, eine verstärkte Tätigkeit der Glaubenskommissionen solle den Zentralismus zurückdrängen und "Entscheidungen verstärkt in die einzelnen Länder verlegen".
Auch bei seinem Besuch in Wien anlässlich des Begräbnisses von Kardinal König ging Ratzinger im Gespräch mit Journalisten auf die oftmals geäußerte Kritik am römischen Zentralismus ein: "Ich habe keine Schwierigkeiten zuzugestehen, dass wir in manchem vielleicht großzügiger sein müssen. Dass es zu viele Eingriffe der Zentralinstanz gab. Ich habe keine Schwierigkeiten damit, darüber nachzudenken, wo es weniger Zentralismus und mehr Dezentralismus geben könnte".
Einheit in Vielfalt
Einheit in Vielfalt ist auch jenes Thema, das der Wiener Pfarrer Hugo Unterberger in seiner noch vom Konzilstheologen Ratzinger mitbetreuten Dissertation aufgegriffen hatte. Benedikt XVI. verfüge sicher über die Fähigkeit, eine kritische Distanz zur eigenen Machtposition einzunehmen, so Unterberger zu Beginn des Pontifikats des neuen Papstes im Gespräch mit "Kathpress". Ratzinger sei über die Situation der Kirche in Österreich immer bestens informiert gewesen und habe eine "Grundsympathie" für das Land, betonte Unterberger. Über die Persönlichkeit des neuen Papstes sagte er, er habe noch nie jemanden getroffen, der so genau zuhören kann wie Ratzinger. Und wie kaum ein anderer verstehe es der brillante Rhetoriker Dinge auf den Punkt zu bringen. (ende)