
Polak: Glaubenskrise mit mehr theologischer Selbstkritik begegnen
Die vom deutschen Portal "communio.de" angestoßene Debatte über den gesellschaftlichen Relevanzverlust des Christentums und das tatsächliche Maß an Säkularisierung und Entchristlichung geht weiter: Zuletzt hatte der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner dafür plädiert, Gott nicht zu funktionalisieren und nach "Gottesverstecken" jenseits tradierter Religionen und Glaubensformen zu suchen. Der deutsche Religionssoziologe Detlef Pollack hatte Zulehner daraufhin "Realitätsverweigerung" und "theologische Immunisierung" vorgeworfen. Nun hat wiederum die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak auf Pollack geantwortet und auf die Komplexität der Glaubensrealitäten verwiesen. Statt theologischer Grabenkämpfe brauche es mehr theologische Selbstkritik und Demut vor der Vielgestalt des Glaubens.
Ausführlich legte Polak in ihrem Beitrag die bisherigen Ergebnisse der gemeinsam von Universität Wien und ORF durchgeführten Mixed-Methods-Studie "Was glaubt Österreich?" Diese hält klar fest, dass auch in Österreich nachweislich das bisherige kirchlich-religiöse Selbstverständnis und der Glaube an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit "einen Tiefpunkt erreicht" habe. Auf die "kontinuierliche Erosion kirchlicher Praxis und Zugehörigkeit" folge offenbar nun der nächste Schritt: "der Einbruch eines christlichen Gottesverständnisses".
Dies sei gerade aus Sicht der etablierten christlichen Kirchen gewiss ein dramatischer Befund, an dem es nichts zu beschönigen gelte, führte die Pastoraltheologin weiter aus. Die sich zeigende "Implosion des christlichen Glaubens" gehe jedoch nicht mit einem "Totalverlust von Religiosität" einher, so Polak. "Religiosität in Österreich ist 'liquidiert' - flüssig, fluide, diffus; aber nicht verschwunden". Diese Verflüssigung und der Relevanzverlust des Christentums seien dabei "zu einem wesentlichen Teil auch selbstverschuldet", verwies Polak etwa auf interne Skandale, Machtkonflikte und eine mangelnde innerkirchliche Reformbereitschaft.
Dies bedeute umgekehrt aber auch, dass man kirchlicherseits dieser Entwicklung nicht "ohnmächtig gegenüberstehen" müsse. Der christliche Glaube verpflichte zum einen dazu, sich zu fragen, warum selbst Christen einem personalen Gott und der Offenbarung in Jesus Christus zunehmend "entfremdet" gegenüberstehen; zum anderen gelte es, nach "Anknüpfungspunkten" im Alltag der Menschen zu suchen und dabei den eigenen "theologischen Lernbedarf" zu erkennen. Polak: "Wenn ich also in der Selbstkritik des innerkirchlichen Glaubens und einer theologisch fundierten Glaubensvertiefung eine zentrale Konsequenz sehe, ist das keine bösartige hidden message, sondern gut biblisch bezeugte explizite (Selbst-)Kritik. Es war immer die lernbereite Selbstkritik des Volkes Gottes, das diesem Zukunft geschenkt hat".
Quelle: Kathpress