
Sozialethiker: Ökologische Krise für Christentum "Schicksalsfrage"
"Die ökologische Krise ist eine Schicksalsfrage unserer Epoche, an der sich neu bewähren muss, ob der christliche Glaube etwas zu sagen hat für die Welt von heute." - Das betonte der deutsche Sozialethiker Prof. Markus Vogt im Interview mit dem Salzburger "Rupertusblatt" ( Nr. 14/2025) "Gott spricht zu uns durch die ökologische Krise. Wenn wir in Sachen Nachhaltigkeit weiterkommen wollen, müssen die Religionen mitwirken. Oder es wird misslingen", so Vogt. Als "revolutionären Text" bezeichnete er im Interview Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015.
Es gelte, so der Ethiker unter Verwies auf eine Formulierung des Philosophen Peter Sloterdijk, den "Zukunftsatheismus" zu überwinden: "Wir glauben nicht, was wir wissen." Über den Klimawandel wisse man seit 40 Jahren Bescheid und trotzdem geschehe zu wenig. Religion habe aber "den Handlungsauftrag, das Wissen zu bündeln und mit Taten zu verbinden, also so mit der Schöpfung umzugehen, dass sie auch für künftige Generationen erhalten bleibt".
Vogt räumte ein, dass das Christentum eine kulturgeschichtlich prägende Wurzel der ökologischen Krise sei. Seit der Interpretation der biblischen Stelle "Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch" als Herrschaftsauftrag statt als Verantwortungsauftrag, sitze das Christentum auf der "Anklagebank". Denn mit "Herrschen" sei eigentlich gemeint, dass der Mensch als Ebenbild Gottes Verantwortung für die Schöpfung übernehmen solle.
Die Religionen seien demnach Teil des Problems, "deshalb müssen Religionen mit ihren zentralen Kompetenzen auch Teil der Lösung sein". Vogt führte dies anhand von drei Beispielen aus: Theologie stehe wie Ökologie für langfristiges Denken. Ein zweites gewichtiges Potenzial sei das globale Denken. Vogt sprach von "Religionsgemeinschaften als globale Solidaritätsgemeinschaften". Und schließlich gehe es auch um die emotionale Motivation: "Indem uns Religionen emotional berühren, können sie uns zum Umdenken bewegen." Geschätzte 80 Prozent der Menschen weltweit seien in ihrem Sozialverhalten durch die Religionen mitgeprägt.
Vogt erläuterte im Interview auch, weshalb er die Enzyklika "Laudato si" (2015) von Papst Franziskus als revolutionären Text betrachte: "Vor dieser Enzyklika kam in offiziellen Dokumenten des Vatikan das Wort Klimawandel kein einziges Mal vor. Die katholische Kirche war kein ökologischer Vorreiter, sondern Nachzügler."
Sie habe aber durch "Laudato si" gewaltig aufgeholt. Das Schreiben betone die Dringlichkeit und die Überlebensfrage. Es sei durch die Verbindung von Menschenschutz und Umweltschutz ökosozial. Und das Schreiben habe einen befreiungstheologischen Ansatz: "Das in früheren Enzykliken nie erwähnte Thema Macht kommt insgesamt 69 Mal vor."
"Laudato si" spreche zudem jeden Einzelnen an, wie man den eigenen Lebensstil ändern könne. Und es sei auch ein hoffnungsvoller Text: "Die Enzyklika benennt die Klimakrise, aber die Stimmung ist nicht Angst, sondern Freude an der Schöpfung und dem Lob Gottes - eine Sinnperspektive, die zum Handeln ermutigt", so Vogt.
Vogt lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Im Bildungszentrum St. Virgil sprach er kürzlich bei einer interreligiösen Tagung zum Thema "Religionen und ihre ökologischen Potenziale".
Quelle: kathpress