
Theologe Lintner: "Heiliges Jahr schenkt Chancen für Neuanfänge"
Das Heilige Jahr ist seit jeher mit bestimmten Glaubenspraxen, Traditionen, Zielen und Vorstellungen verbunden. Im Jubeljahr sollen "die Karten neu gemischt werden", wie der Theologe Martin M. Lintner im "Tiroler Sonntag" (13/2025) erklärt hat. Gläubige sollen im Heiligen Jahr die Chance erhalten, ihr Leben in Freiheit neu zu gestalten. Das begründete der Moraltheologe mit einer Praxis aus dem Alten Testament: Im Levitikus heißt es, dass alle 50 Jahre Sklaven ihre Freiheit wiedererlangen und allen Schuldnern ihre Schulden erlassen werden sollen. Seit 1475 wird das Heilige Jahr alle 25 Jahre gefeiert, doch der Sinn des Jubeljahres sei geblieben, so Lintner: "Ungerechtigkeiten und soziale Ungleichheiten, die sich im Lauf von Jahren verfestigt haben, sollen aufgebrochen werden."
Der Sinn der kirchlichen Jubeljahre bestehe darin, "die Gläubigen zur Erneuerung und Vertiefung ihres Glaubens anzuregen und sie zu ermutigen, sich für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen", betonte Lintner, der Dekan der Philosophisch-Theologischen Fakultät Brixen in Südtirol ist. Bestenfalls sollen dabei die drei göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe, wachsen.
"Gnadenschatz"
Zum festen Bestandteil im Heiligen Jahr zählt seit dem ersten Jubeljahr im Jahre 1300 das Durchschreiten der Heiligen Pforte. Es bedeute, "sich und das eigene Leben in die Gegenwart Gottes zu stellen", so Lintner. Ein immer wiederkehrendes Motiv in Bibelstellen besage, dass sich jene, die vor Gott treten, prüfen sollen, ob sie würdig sind. Eng verbunden damit sei auch die Lehre des sogenannten "Gnadenschatzes", die auf der mittelalterlichen Bußpraxis beruht. "Gute Menschen können durch Gebete und gute Werke einen 'Gnadenschatz' sammeln, den die Kirche den Sündern und Büßern zukommen lassen kann." Mit dem später in Verruf geratenen Ablasshandel habe die Intention des Heiligen Jahres aber nichts zu tun, wie Lintner hervorhob.
Beichte, Kommunionempfang, Gebet und Werke der Nächstenliebe könnten ein "Zeichen der Umkehr und des Neuanfangs setzen". Seine "Ablasspraxis aufzufrischen" könne für manche aber auch die Gefahr bergen, "in eine Leistungslogik zu verfallen, die dem Grundgedanken des kirchlichen Jubeljahres widerspricht".
Quelle: kathpress