
Menschenrechtler: Christen gelten in Nordkorea als Staatsverräter
Zweimal wagte er die Flucht aus Nordkorea, mit 19 entkam er nach Umwegen mit Gefängnisaufenthalten und Folter in China und Nordkorea nach England: Der 37-jährige Menschenrechtsaktivist Timothy Cho, heute Sprecher von NGOs und Mitglied der britischen parteiübergreifenden parlamentarischen Arbeitsgruppe zu Nordkorea. Bei seinem Wien-Besuch am Mittwoch berichtete der Sohn eines politisch Verfolgten der Nachrichtenagentur Kathpress von den Menschen, die in Nordkorea zurückbleiben mussten, nach Fluchtversuchen in Arbeitslager gesteckt, gefoltert oder gar getötet wurden, sowie vom Schicksal der verfolgten Christen im totalitären Regime von Pjöngjang: "Christen gelten in Nordkorea in den Augen des Regimes als Staatsverräter", erklärte Cho, der als Jugendlicher selbst Christ wurde.
Jegliche christliche Handlungen sowie der Besitz und das Verteilen von Bibeln ziehen in Nordkorea Deportationen, Inhaftierungen bis zu öffentlichen Hinrichtungen als Abschreckung nach sich. "Es gibt nur eine erlaubte Gottheit in Nordkorea und das ist die Kim-Familie", sagte Cho.
Kinder werden bereits früh kommunistisch indoktriniert und dabei auch einer antichristlichen Propaganda ausgesetzt, weiß der Menschenrechtler aus eigener Erfahrung. Im Alter von elf Jahren erlebte er die öffentliche Hinrichtung eines angeblich "christlichen Spions". Die Kinder wurden zum Zweck der Abschreckung in die erste Reihe vor der stehenden Menschenmenge platziert, um die Tötung eines Mannes anzusehen, der drei Nordkoreanerinnen ermöglicht haben soll, Messen in China zu besuchen.
Gott durch Kim ersetzt
Waren Mitte des 20. Jahrhunderts noch 30 Prozent der Bevölkerung der Hauptstadt Pjöngjang katholisch, wurde christliches Leben mit Einmarsch der kommunistischen Truppen während des Koreakrieges (1950-1953) ausgelöscht. Kirchen und Klöster wurden zerstört, Geistliche verhaftet und zum Tod verurteilt. Der Rest der christlichen Gemeinde ging in den Untergrund, so wie es Christen in Nordkorea bis heute geblieben sind. Nach der Machtübernahme des kommunistischen Führers Kim Il-sung, der selbst christliche Wurzeln hat, wurden christliche Erzählungen zugunsten der Kim-Dynastie umgeschrieben. Das Trinitätssystem dort lautet Vater, Sohn, Enkel und meint die Drei-Generationen-Linie der nordkoreanischen Führung. "Sie haben den Gläubigen Gott genommen und durch Kim ersetzt", erzählte Cho, dessen Österreich-Besuch das Hilfswerk "Open Doors" organisiert hat.
Gebetsanweisung eines Gangsters
Bei seinen Fluchtversuchen wurde Cho mehrfach inhaftiert und lernte in einem Gefängnis in Shanghai von einem Mithäftling, einem südkoreanischen Gangster, zu beten. Zu diesem Zeitpunkt drohte ihm die zweite Auslieferung nach Nordkorea, "sein Todesurteil", wie der heute als Missionar tätige Christ sagte. "Ich wollte zuerst nicht mit ihm sprechen, weil er so gefährlich aussah, aber er hat mir gesagt, ich solle am Ende meiner Wunschliste ein Amen sprechen, dann sei es ein Gebet."
Bis heute trage ihn der Glaube, betonte der Nordkoreaner, der nach seiner Ankunft in England von Flashbacks aus seiner Gefangenenzeit heimgesucht wurde. "Wenn ich Gott nicht in meinem Herzen gehabt hätte, hätte ich Suizid begangen." Immer wieder habe er sich die Szene der Kreuzigung und die Bitte Jesu, der um Vergebung für seine Peiniger bat, vor Augen geführt. Auch er habe verziehen - auch seinen Eltern, die ohne ihn nach Südkorea flüchteten, als Cho neun Jahre alt war. Jahrelang lebte er als Kind eines Staatsverräters ohne Schulbesuch auf der Straße, bis ihn seine Großmutter aufnahm. "Ich habe ihnen vergeben, weil ich leben wollte statt in dieser Dunkelheit zu bleiben."
Cho traf seine Eltern nach seiner Flucht in Südkorea wieder. "Meine Mutter hat mich vor ihrem Tod gefragt: 'Mein Sohn, kannst du mir verzeihen?' Das habe ich getan." Niemandem falle es leicht, ein Kind zurückzulassen, das habe er verstanden.
Untergrund- und "Fake"-Christen
Weil Cho öffentlich über die Verbrechen des nordkoreanischen Regimes berichtet, wird er bis heute bedroht. Allein im vergangenen Jahr sei er viermal auf Facebook gehackt worden und erhalte anonyme Drohungen und Hinweise, dass er ständig überwacht werde.
Zusammen mit anderen aus Nordkorea Geflohenen und Menschenrechtsaktivisten versucht Cho seit einigen Jahren, Informationen auf USB-Sticks nach Nordkorea zu schmuggeln. Darauf gespeichert sind etwa die Bibel, südkoreanische Songs und Schauspiele sowie Nachrichten aus dem Ausland. Dazu werden in kleinen, mit Reis gefüllten Plastikcontainern Speichermedien, Geld oder Süßigkeiten versteckt und über die Gewässer transportiert oder mithilfe von Ballonen über den Luftweg geschmuggelt. "Das ist in den letzten Jahren aufgrund der strengen Überwachung an den Grenzen zu Nordkorea schwieriger geworden", so Cho.
Glauben im Untergrund
Religionsfreiheit gibt es in Nordkorea faktisch nur am Papier. Christen können ihren Glauben nur im Untergrund leben. Die Gemeinden sind auf eine kleine Zahl limitiert, und es wird den Menschen empfohlen, die Namen untereinander nicht zu kennen. Im Falle einer Inhaftierung und unter schlimmer Folter sei die Gefahr groß, dass Menschen Gemeindemitglieder verraten, erklärte Cho. Wie viele Christinnen und Christen in Nordkorea im Untergrund leben, ist nicht beziffert. Zum dritten Mal in Folge und seit 1993 zum 23. Mal wird der jährlich veröffentlichte Weltverfolgungsindex (WVI) 2025 von Nordkorea angeführt.
Rein aus diplomatischen Gründen gibt es laut Cho einige wenige "offizielle" Kirchen, die für Ausländer den Anschein erwecken sollen, dass Religionsfreiheit in Nordkorea existiert. Deren Bau habe in den 1980er Jahren begonnen. Die einheimischen Kirchbesucher, die Touristen dort antreffen konnten, seien ursprünglich Kriminelle gewesen, die vom Regime einem "Brainwashing" unterzogen und als "Fake Christen" in Kirchen gesetzt wurden. Man habe dann allerdings sehr bald den Bau neuer Kirchen gestoppt. "Denn nach sechs Monaten waren die Menschen durch das Lesen der Bibel und Singen der Hymnen verändert. Sie kamen frühmorgens in die Kirche, um zu putzen und Ordnung zu halten", so Cho. Der Heilige Geist erfasse auch diese "Fake-Christen", die in die "Touristenkirchen" gesetzt werden, darum könnten sie ebenso als "Untergrundchristen" gelten, zeigte sich der Menschenrechtler überzeugt.
Quelle: kathpress