
Antisemitismus-Prävention an Unis: Bericht zeigt Licht und Schatten
In der Bekämpfung und Prävention des Antisemitismus gibt es an den österreichischen öffentlichen Universitäten viele gute Ansätze - aber auch noch manche Leerstelle: Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung, die unter Federführung der Grazer Theologin Prof. Martina Bär und im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) im vergangenen Sommersemester erstellt wurde und die nun über die Website des BMBWF und der Universität Graz abrufbar ist. Untersucht wurde dabei, wie die Universitäten in Forschung, Lehre und "Dritter Mission" sowie als Institution Antisemitismus entgegenwirken und welche präventiven Maßnahmen ergriffen werden, um Antisemitismus zu bekämpfen. Der abgefragte Zeitraum beläuft sich auf die Jahre 2021 bis 2024.
Konkreter Anlass war der sprunghafte Anstieg des Antisemitismus speziell auch an Universitäten infolge des Hamas-Angriffs auf Israel vom 7. Oktober 2023, erklärt Studienleiterin Bär in der Einleitung. Insgesamt sei deutlich geworden, dass die Universitäten tatsächlich bereits vieles leisten, um in Forschung, Lehre und im öffentlichen Engagement ("Third Mission") gegen Antisemitismus vorzugehen. Sie würden sich "sehr darum bemühen, ihre Vergangenheit im Nationalsozialismus aufzuarbeiten und heute eine klare Haltung gegen Antisemitismus ein(zu)nehmen", so Bär. Zugleich habe sich gezeigt, dass Antisemitismus vor allem "als historisches Problem" bearbeitet werde und gegenwartsbezogene Erscheinungsweisen oft nicht ausreichend in den Blick kommen.
Mit Antisemitismus und dessen Prävention dezidiert befasst sind demnach sechs Professuren an den Universitäten Wien, Klagenfurt sowie an der Medizinischen Universität Wien. Hinzu kommen drei Institute für Jüdische Studien (Wien, Graz, Salzburg) sowie 85 universitäre Einrichtungen und 75 laufende Forschungsprojekte. Insgesamt seien mehr als 115 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Thema befasst. Inhaltlich zeige sich beim wissenschaftlichen "Output", dass der Schwerpunkt auf der historischen Forschung liegt. Wünschenswert wäre indes, dass angesichts der Konjunktur moderner Ausformungen des Antisemitismus auch in der Forschung verstärkt die Themenfelder Nahost, Israel und Verschwörungsmythen in den Blick kommen, so Bär.
Im Bereich der Lehre hält der Bericht fest, dass es zwar eine Vielzahl von Lehrveranstaltungen gibt, die Antisemitismus thematisieren (insgesamt über 1.250) - speziell aber in den Lehramtsstudien seien die Themen "wenig verankert", so dass gefragt werden müsse, ob es nicht gerade in diesem Bereich einer verstärkten Thematisierung des Antisemitismus bedarf, "da die Demokratieförderung und eine antisemitismuskritische Bildung und Erziehung als Querschnittsaufgabe im Bildungskontext und somit als eine Aufgabe aller zukünftigen Lehrer:innen angesehen werden kann."
Für den Bereich des "Public Engagement" (Dritte Mission) kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass hier speziell zu den Themen Verschwörungsmythen, Israel und Nahost das Engagement "geringer (ist) als die Weltlage im Untersuchungszeitraum erwarten ließ". Positiv könne allerdings vermerkt werden, dass die Befassung mit Antisemitismus als ein aktuelles Problem in öffentlichen Vorträgen "deutlich präsenter" gewesen sei als in der Forschung. "Vermutlich liegt das nicht zuletzt daran, dass die Vortragsform besser geeignet ist, auf aktuelle Probleme einzugehen und zügig zu reagieren", so Bär.
Anlaufstellen für Antisemitismusprävention und die Meldung antisemitischer Vorfälle gibt es an 18 Universitäten. An vier Universitäten würden spezielle Fortbildungen für Mitarbeitende angeboten. Verbesserungsbedarf ortet der Bericht bei der Verankerung der Antisemitismus-Bekämpfung und -Prävention in den universitären Leitbildern sowie beim "Case-Management" (Meldestrukturen/Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen), der Weiterbildung und der Erstellung von Handreichungen zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen auf dem jeweiligen Campus.
Wünschenswert wäre weiters ein Ausbau der dezidiert mit Antisemitismus befassten Professuren, eine gezielte Förderung entsprechender Forschungsprojekte, eine Verstetigung der Lehrangebote in diesem Bereich speziell für Lehramtsstudierende, eine bessere Förderung entsprechender öffentlicher Veranstaltungen an den Unis zum Thema, ein Austausch mit israelischen Universitäten und Einrichtungen dazu sowie ein offensiveres Auftreten gegen Hassrede etwa in universitären Foren oder Online-Gruppen.
Neben Martina Bär zählten zum Projektteam noch Celine C. Casmir, Elisabeth Migge und David Palme. (Studie als PDF downloadbar unter https://www.bmbwf.gv.at/dam/bmbwfgvat/Ministerium/informationspflicht/veroeffentlichungspflicht/Endbericht_Juni2024.pdf und über die Website der Universität Graz: https://homepage.uni-graz.at/de/martina.baer/forschung/antisemitismus-und-universitaeten/)
Quelle: kathpress