
Mauthausen: "Tag mit Marcel Callo" zum 80. Todestag
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen steht am Samstag im Zeichen von Marcel Callo: Im Rahmen einer internationalen Feier wird an jenen französischen Jugendlichen erinnert, der vor 80 Jahren - am 19. März 1945 - im Außenlager Gusen II ermordet wurde. Dem 23-jährig verstorbenen Buchdrucker war es zum Verhängnis geworden, sich in NS-Zeiten in der katholischen Arbeiterjugend engagiert zu haben. Ein "Tag mit Marcel Callo" erinnert an den 1987 von der Kirche Seliggesprochenen. Höhepunkte sind eine Gedenkführung in St. Georgen/Gusen, die Präsentation einer neuen Broschüre über sein Leben sowie ein Gottesdienst in der Lagerkapelle mit dem Linzer Bischof Manfred Scheuer, dem Erzbischof von Rennes, Pierre d'Ornellas, und einem Neffen Callos.
Die Feiern werden von der Diözese Linz gemeinsam mit dem Jägerstätter-Institut, der Katholischen Jugend, Katholischen Arbeitnehmer:innenbewegung, Katholischen Aktion, den Pfadfindern und dem Mauthausen-Komitee organisiert. "Es geht weniger um das Gedenken als um die Botschaft und das Erinnern an Callos Auftrag für die Gegenwart", erklärte Heinz Mittermayr, Referent im diözesanen Team mensch & arbeit, im Vorfeld gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress. Callo habe eindrücklich und ganz bewusst den Arbeitsplatz als Ort des Christseins vorgelebt - selbst noch im katastrophalen Extrem der Zwangsarbeit und im KZ, wo Arbeit dann zur Form der Vernichtung des Menschen pervertiert worden sei. Sein Beispiel habe die Arbeiterpastoral der Diözese Linz, besonders unter Bischof Maximilian Aichern, wesentlich inspiriert und mache bis heute hellhörig gegen totalitäre Ansätze.
Mit vielen Gestaltungselementen rücken die Feiern zum 80. Todestag den NS-Märtyrer in die Gegenwart: Zu sehen ist etwa ein von Christoph Fuchs gestaltetes neues Bild des Seligen sowie ein originaler Buchdrucker-Setzkasten aus Callos Zeit, mit dessen Lettern der Schriftzug "Glaube-Arbeit-Widerstand" - das Motto der Gedenkfeiern - gestaltet wurde. Der Setzkasten soll bei einer geplanten Sonderführung durch den KZ-Stollen Gusen am 10. April dort hinterlassen werden. Weiters wird der Mauthausener Chor "Musica Viva", bekannt von der jährlichen Gestaltung der Mauthausener Befreiungsfeiern, ein von Alfred Hochedlinger komponiertes Lied zur Aufführung bringen.
"Marcel Callo verkörperte das Ideal, dass Glaube, Arbeitswelt und Widerstand untrennbar zusammengehören", so die Einschätzung des Leiters des Franz-Jägerstätter-Instituts an der Katholischen Privat-Universität Linz, Andreas Schmoller, im Kathpress-Interview. Wie bei Jägerstätter, sei auch Callos Biografie universell und erlaube es, sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit seinen Idealen zu verbinden. Neben der fast zeitgleich erlebten Leidensgeschichte in der NS-Zeit gebe es zwischen den beiden auch Parallelen im Selbstverständnis als "Laienapostel", in der Glaubensweitergabe durch das Handeln, in tiefer Spiritualität mit starkem Bezug zur Eucharistie und zur Teilnahme am liturgischen Leben, sowie auch in der Sorge um die Familie.
Briefe zeichnen neues Lebensbild
Erst kürzlich wurde in der Callo-Forschung ein neues Kapitel aufgeschlagen: 97 bisher unveröffentlichte Briefe, die der Franzose während der Zeit der Zwangsarbeit in Thüringen und der Haft in Gotha an seine Verlobte Marguerite Derniaux und an seine Familie geschrieben hatte, wurden der Diözese Rennes übergeben. Das dortige theologische Institut hat die bislang nur in einzelnen Zitaten bekannten Schriftstücke ausgewertet; in Anbahnung ist eine Kooperation mit dem Linzer Jägerstätter-Institut für die Übersetzung in mehreren Sprachen und die digitale Veröffentlichung.
Durchaus zeichnen die Briefe bisher unbekannte Nuancen im Lebensbild: "Sie zeigen Callos Führungsstärke, die er auch in der Haft behielt, seine Prägung durch die Katholische Arbeiterjugend, aber auch seine innere Zerrissenheit und Niedergeschlagenheit", berichtete Schmoller. Seine schonungslose Ehrlichkeit mache Callo für die Gegenwart nahbar. Auf beeindruckende Weise kämen in den Schriften auch seine Innerlichkeit und Glaubenshaltung zum Vorschein. "Callo blieb bis zuletzt ein Mensch der Hoffnung und der gelebten Solidarität mit anderen. Er vertrat stets die Ansicht, man müsse auch in der schwierigsten Situation menschlich bleiben", so der Kirchenhistoriker und Herausgeber der Broschüre "Marcel Callo: Christ und Märtyrer". Auch der Linzer Altbischof Maximilian Aichern, der mit dem Seligen eng verbunden ist, hat zu dieser beigetragen.
Arbeiter-Apostel
Marcel Callo kam am 6. Dezember 1921 in Rennes als Kind einer bretonischen Arbeiterfamilie zur Welt. Er erlernte den Beruf des Buchdruckers, engagierte sich bei den Pfadfindern und der Katholischen Arbeiterjugend. 1943 wurde er kurz vor der Verlobungsfeier zum Zwangsarbeitsdienst nach Deutschland rekrutiert. Aufgrund seiner katholischen Organisationsarbeit verhaftete ihn dort im April 1944 die Gestapo. Nach der Haft in Gotha und den KZs Flossenbürg und Mauthausen wurde das Lager Gusen II und die Stollenanlage "Bergkristall" zum Leidensort Callos. Gemartert und völlig entkräftet, starb er 23-jährig am 19. März 1945 im "Sanitätslager" von Mauthausen, wo seine Leiche anschließend verbrannt wurde.
Die neue Broschüre - die erste deutschsprachige Publikation über Callo nach über 30 Jahren - beschäftigt sich auch mit der Gusener Stollenanlage "Bergkristall", durch einen Beitrag von Rudolf Haunschmied vom Gedenkdienstkomitee Gusen. Callos Martyrium sei "schlimmer als alles, was wir aus Antike und Mittelalter kennen" gewesen - "und das am Boden unserer Heimat", bemerkt der Verfasser. Callo sei "nur im Kontext der menschengemachten Hölle zu verstehen", in der er jene Grundhaltung gelebt habe, die sein Sterben so außergewöhnlich gemacht habe. Weitere Beiträge behandeln die Lebensgeschichte des Seligen aus französischer Sicht, sein Gedächtnis und seine Ausstrahlung sowie auch die 1998 geweihte "Kirche in der Tuchfabrik" in Linz-Auwiesen, die Marcel Callo geweiht ist.
Callo wurde am 4. Oktober 1987 von Papst Johannes Paul II. in Rom als "Apostel der Arbeiter" seliggesprochen. Auch in Frankreich, mehreren afrikanischen Ländern und in den USA sind Kirchen, Schulen und Straßen nach ihm benannt. Ein Heiligsprechungsverfahren für ihn läuft.
Quelle: kathpress