
Schriftsteller Menasse: Nationalismus ist Wurzel von Konflikten
Für eine Vielfalt der Kulturen statt einer Vielfalt der Nationen in Europa hat sich der bekannte Schriftsteller und Essayist Robert Menasse vor Studierenden und EU-Interessierten am Dienstag im Wiener Figlhaus ausgesprochen. Die als Friedensprojekt gegründete EU könne als "Speerspitze eines internationalen Miteinanders" nur dann weiter bestehen, wenn der Nationalismus der Staaten überwunden werde. Er sei die Wurzel von schwelenden Konflikten, in dessen Namen im 20. Jahrhundert "unsagbare" Menschheitsverbrechen begangen worden seien. Menasses Plädoyer für eine Auflösung der Nationen habe unter den Anwesenden durchaus für lebhafte Debatten gesorgt, wie die "Akademie für Dialog und Evangelisation" am Mittwoch berichtete.
Der Geburtsort in einem europäischen Reisepass solle als Indikator der Provenienz reichen, so Menasse, der durch politische Romane wie "Die Hauptstadt" als EU-(Be-)Kenner bekannt wurde. Nationen hätten ausgedient und ein übers andere Mal bewiesen, dass sie nicht für das Projekt Frieden taugten, erklärte er vor Studierenden des zweisemestrigen EU-Zertifikatslehrgangs, den die Akademie für Dialog und Evangelisation zusammen mit dem CIFE (Centre international de formation européenne) anbietet.
"Das war schon ein intensiver Austausch, es ging richtig zur Sache", äußerte sich Michael Frey, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation. "Aber dafür gibt es das Figlhaus und unsere Lehrgänge - sie ermöglichen den direkten Austausch mit Expertinnen und Vordenkern, Politikerinnen, Medienmachern und Künstlern", so Frey. Auch CIFE-Programmdirektorin Helgard Fröhlich begrüßte den intensiven Austausch. Dennoch teile sie eine andere Meinung zur Frage, ob Nationen in der EU weiterhin Bestand haben sollen, wie sie ausführte: "Ich würde stärker zwischen Nationen und Nationalismus unterscheiden. Aber es ist wichtig, dass es weiterhin Räume gibt, um sich über diese Unterschiede und das Funktionieren des Mehrebenensystems (Region-Nation-Europa) Gedanken zu machen und Gespräche zu führen.
Der nächste EU-Lehrgang, der jungen Berufstätigen und Studierenden in Gesprächen mit EU-Expertinnen und Experten eine Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Zusammenschluss bieten soll, startet am 4. November. (Infos: https://akademie-wien.at/)
Quelle: kathpress