
Sozialorganisationen: Spardruck darf soziale Krisen nicht verschärfen
Die großen österreichischen Sozialorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe haben angesichts des aktuellen Spardrucks der österreichischen Regierung vor einer Verschärfung der Pflegekrise und Armut gewarnt. Im Zusammenschluss fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) "kluge" Investitionen im Pflege- und Sozialbereich, die mittel- und längerfristig Kosten einsparen sollen, wie die BAG argumentiert. "Gerade bei Pflege, Arbeitsmarkt und Armutsbekämpfung sehen wir: Geldmittel klug und richtig einsetzen hilft sparen", betonte Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie und aktuelle BAG-Vorsitzende, in einer Aussendung am Montag.
In die Langzeitpflege zu investieren, hieße, in einen krisensicheren Wirtschaftssektor zu investieren und den Job- und Konjunkturmotor in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit anzukurbeln, so Moser weiter. In der Pflege zu sparen bedeute hingegen eine Erhöhung späterer Kosten im Gesundheitssystem. Die Diakonie-Direktorin verwies auf Berechnungen des WIFO: "Jeder Euro, der in die Langzeitpflege investiert wird, hat eine Wertschöpfung von 1,7 Euro. Und 70 Prozent des Geldes, das der Staat in die Langzeitpflege investiert, fließen wieder ins Budget zurück - über Steuern, Sozialversicherungsbeiträge etc."
Verschränkung von Medizin und Pflege
Auf eine stärkere Verschränkung von Medizin und Pflege und eine rasche Umsetzung der dafür im Regierungsprogramm verankerten Maßnahmen pochte Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich. Sie verwies auf die Situation älterer Menschen, die "oftmals länger als notwendig" im Krankenhaus verbleiben müssten, weil die pflegerische Versorgung zu Hause aktuell noch nicht gegeben sei. "Durch den Ausbau von Entlassungsmanagement, flächendeckender Übergangs- und Kurzzeitpflege sowie leistbarer mobiler Pflege könnten diese Personen früher nach Hause und mit geringerem Kostenaufwand dort gepflegt und besser in ihrer Selbstständigkeit gestärkt werden", so Parr.
Die Vorantreibung der Digitalisierung und das Prinzip "digital vor ambulant vor stationär", wie es im Regierungsprogramm im Bereich Gesundheit und Pflege heißt, begrüßte Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm. So könnten Personalressourcen und wertvolle Finanzmittel frei werden. Dazu brauche es aber finanzielle Mittel für die Umsetzung. "Wir brauchen einen Digitalisierungsfonds für Pflegedienste. Wir müssen rasch ELGA-Readiness erreichen und unsere Pflegedokumentationen flächendeckend digitalisieren, auch um das Pflegepersonal zu entlasten", forderte Anselm.
Prävention spart Kosten
Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, ortet Einsparungspotenziale in präventiven Maßnahmen in der Pflege. "Man darf Prävention nicht nur als Thema für Gesunde sehen", so Foitik. Er schlägt Programme für mehr Selbstständigkeit im Alltag oder Gedächtnistraining vor, die den Pflegebedarf eindämmen sollen. Auch pflegerische Beratungsleistungen zu Hause, etwa zur besseren Steuerung von Diabetes-Therapien oder zur Verhinderung von Burnout bei Angehörigen, könnten laut Foitik helfen, Folgekosten im Gesundheitssystem einzusparen.
Auf die Situation pflegender Angehöriger, die aufgrund fehlender Unterstützungsangebote ihrer Erwerbsarbeit teilweise oder gar nicht mehr nachgehen können, machte Diakonie-Direktorin Moser aufmerksam. "Hier muss mehr investiert werden, zum Beispiel in leistbare Tagesbetreuung, mehrstündige Alltagsbegleitung oder Besuchsdienste, damit vor allem Frauen ihre Jobs nicht für die Pflege zu Hause aufgeben", so Moser. Das hätte positive Effekte in Bezug auf die Vollzeitbeschäftigung von Frauen und könne spätere Altersarmut verhindern. Zudem würde mehr Beschäftigung auch mehr Steuereinnahmen bringen.
Unisono forderte die BAG nachhaltige Verbesserungen in Pflege und sozialer Absicherung. "Wir warnen aber nachdrücklich davor, jetzt dort zu sparen, wo die Menschen schon wirkliche Sorgen und Probleme haben, und sich durch finanzielle Einschnitte die Systemfehler verstärken", hieß es abschließend im gemeinsamen Statement.
Quelle: kathpress