
Bischof Kräutler warnt vor ökologischer Krise in Amazonien
Der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler warnt eindringlich vor einer sich zuspitzenden ökologischen Krise im brasilianischen Amazonasgebiet. "Nur eine konsequente und entschlossene Verteidigung Amazoniens vor rücksichtsloser Ausbeutung kann das Überleben sowohl der indigenen Völker als auch zukünftiger Generationen sichern", mahnt der emeritierte Bischof von Altamira-Xingu in einer aktuellen Stellungnahme mit dem Titel "SOS Amazonien!", die der Nachrichtenagentur Kathpress vorliegt. Die fortschreitende Entwaldung, unkontrollierte Brandrodungen und großflächige Infrastrukturprojekte gefährdeten nicht nur die Biodiversität und die Lebensräume der indigenen Bevölkerung, sondern hätten längst auch gravierende Auswirkungen auf das globale Klima, so Kräutler.
Besonders besorgt zeigt sich der 85-Jährige über die anhaltenden Waldbrände im Amazonasgebiet und im Pantanal. Trotz des von Präsident Lula da Silva formulierten Ziels "Null Abholzung bis 2030" nehme die Zerstörung unvermindert zu. "'Null Abholzung bis 2030'? Das sind noch fünf weitere Jahre! Diese Zeitspanne ist so lang, dass bis dahin noch Millionen und Abermillionen Hektar tropischen Regenwaldes der Brandrodung zum Opfer fallen werden", kritisiert der aus Vorarlberg stammende Ordensmann.
Ruf nach politischem Kurswechsel
Kräutler fordert eine grundlegende Neubewertung des wirtschaftlichen und politischen Umgangs mit Amazonien und seinen "immensen Bodenschätzen und Naturreichtümern". Der rücksichtslosen Ausbeutung seien seit Beginn der Erschließung in den 1970er-Jahren wiederholt Menschen zum Opfer gefallen. "Die Konflikte mit den indigenen Völkern, Kleinbauernfamilien und Flussanrainern dauern bis heute an und kosten immer noch Menschenleben", so Kräutler und erinnert u.a. an den Bau der Transamazonas-Straße. Der Begriff "Kahlschlag" sei damals zum Synonym für wirtschaftlichen Fortschritt geworden, während langfristige ökologische und soziale Schäden weitgehend ignoriert worden seien.
Kritik an Lula und Bolsonaro
Besonders scharf fällt Kräutlers Kritik an der Politik der Amtsvorgängerregierung unter Jair Bolsonaro aus. Bolsonaro habe die Expansion der Viehzüchter und des Holzraubbaus in Amazonien gefördert - "ja er genehmigte sogar das Unwesen tausender illegaler Goldgräber in indigenen Gebieten", so Kräutler. Zwar habe Lula da Silva nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt ambitionierte Umweltziele ausgegeben, doch würden die Erfolge bislang ausbleiben.
Als Negativbeispiel nennt Kräutler auch die Unterstützung der Regierung für geplante Ölbohrungen im Amazonasbecken. Trotz warnender Berichte der Umweltbehörde IBAMA über irreversible Schäden, die durch solche Projekte entstehen könnten, halte die Administration an diesen Plänen fest. Lula werde der Behörde vor, "sie arbeite mit ihren technischen gutachten gegen seine Regierung", beschreibt Kräutler.
Belo Monte und seine Folgen
Ein weiteres Beispiel für den ökologischen Raubbau sei das umstrittene Wasserkraftwerk Belo Monte am Xingu-Fluss, dessen Bau Kräutler seit Jahrzehnten kritisiert. Das Megaprojekt habe die Balance des Flusses zerstört und zu massiven Umsiedlungen indigener Gemeinschaften geführt. "Brasilien braucht Energie, das steht außer Frage. Aber wäre es nicht vernünftiger gewesen, kleinere Kraftwerke an den vielen Nebenflüssen des Xingu zu bauen? Diese würden in Summe wahrscheinlich mehr Energie liefern als ein Mammutkraftwerk, das monatelang nur prekär funktioniert", gibt der Bischof zu bedenken.
Goldmine bedroht Umwelt
Besorgniserregend sei auch das geplante Goldabbauprojekt der kanadischen "Belo Sun Mining Corporation" am Rio Xingu. Die Nutzung giftigen Zyanids bedrohe Mensch und Natur, warnt Kräutler. Kritische Umweltgutachten würden unterdrückt, während Investitionsvorhaben rigoros vorangetrieben würden. "Profitgierige Wirtschaftsbosse träumen bereits von astronomischen Gewinnen, vergessen dabei aber, dass die Goldschätze am Ende nach Kanada abwandern", so Kräutler.
Indigene Gemeinden unter Druck
Gleichzeitig verschärfe sich die Lage der indigenen Bevölkerung Amazoniens. Illegale Landnahmen und wirtschaftlich motivierte Gewaltakte würden systematisch ihre verfassungsmäßig garantierten Landrechte untergraben. Erst kürzlich sei ein Kazike der Parakana-Indigenen an ihn herangetreten, berichtet Kräutler. Bewaffnete Milizen hätten das Dorf gezwungen, das angestammte Gebiet zu verlassen.
Ein Leben für den Schutz Amazoniens
Erwin Kräutler gehört dem Orden der Missionare vom Kostbaren Blut an. Von 1981 bis 2015 war er Bischof von Altamira-Xingu - mit 350.000 Quadratkilometern die damals flächenmäßig größte Diözese Brasiliens. Seit seinem Amtsantritt als Bischof setzt sich Kräutler unermüdlich für die Rechte der indigenen Bevölkerung sowie den Schutz des Amazonas ein. Für sein Engagement wurde er unter anderem mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Quelle: kathpress