
Ethikerin: Handy-Verbot an Schulen ist wissenschaftlich gestützt
Unterstützung für das angekündigte Verbot von Handys an Österreichs Schulen bis zur 8. Schulstufe kommt aus der Wissenschaft. Das Bioethikinstitut IMABE verwies in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress vom Dienstag auf aktuelle Studien renommierter Universitäten, denen zufolge Schülerinnen und Schüler, die täglich viele Stunden vor digitalen Medien verbringen, schlechtere Konzentrationsfähigkeit, erhöhte Ablenkbarkeit sowie Einschränkungen bei der Problemlösungsfähigkeit, Aufmerksamkeitsspanne und Gedächtnisleistung zeigen. Jüngste Untersuchungen aus Australien hätten zudem messbare Veränderungen in Gehirnen durch exzessive Nutzung von Smartphones und Sozialen Medien festgestellt.
Neuropsychologen um Michoel Moshel von der Macquarie University in Sydney hatten laut IMABE-Direktorin Susanne Kummer zuletzt eine Schädigung der grauen Substanz in relevanten Gehirnarealen infolge exzessiver Bildschirmzeit aufgezeigt. Laut ihrer im Fachjournal "Neuropsychological Review" veröffentlichten Studie kommt es zu Veränderungen in den Gehirnarealen für Entscheidungsfindung, Impulskontrolle und Belohnungsverarbeitung. Die kognitiven Einschränkungen dadurch seien vergleichbar mit Substanzabhängigkeiten durch Alkoholmissbrauch und Methamphetamine oder auch mit den Folgen eines leichten Schädel-Hirn-Traumas. Insbesondere bei Jugendlichen seien langfristige Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit wahrscheinlich, zumal sich deren Gehirn noch in der Entwicklungsphase befinde, hieß es.
Auch tiefgreifende psychische Effekte durch übermäßige Smartphone-Nutzung wurden in der australischen Studie sichtbar. Insbesondere das ständige Konsumieren negativer Nachrichten ("Doomscrolling") beeinträchtige die Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen erheblich. Die Neuropsychologen betonen, dass Jugendliche durch digitale Überreizung Schwierigkeiten bei der Identitätsbildung und sozialen Wahrnehmung entwickeln. Besonders betroffen seien sozial schwächere Jugendliche, die verstärkt in virtuelle Realitäten flüchten.
Bis zu 70 Wochenstunden online
Eine besorgniserregende Entwicklung zeige sich bereits bei jüngeren Kindern. Kummer verwies dazu auf eine Erhebung der Plattform Internetworld, wonach fast die Hälfte der österreichischen Kinder zwischen 5 und 12 Jahren ein bis drei Stunden täglich online verbringen. In der Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen seien 44 Prozent mindestens drei bis sechs Stunden pro Tag im Netz unterwegs. Die deutsche Jugend-Digitalstudie 2024 ermittelte einen Durchschnitt von 71,6 Online-Stunden wöchentlich bei den 16- bis 18-Jährigen.
Warnungen aus der Medizin vor gravierenden Folgen dieser Entwicklung nehmen zu. Die IMABE-Direktorin zitierte hier die Pädiaterin Arnika Tiede vom Ordensklinikum Barmherzige Brüder Linz: 44 Prozent der Fünf- bis Sechsjährigen könnten zwar einen Touchscreen perfekt bedienen, "aber nicht selbstständig mit Besteck essen, sich die Schuhe binden oder sich alleine an- und ausziehen", erklärte die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde unlängst in einem Zeitungsinterview.
Verbote nehmen zu
Mit der Debatte über eine strengere Handhabung von Smartphones an Schulen bis hin zu Verboten ist Österreich nicht allein: Auch in etlichen anderen europäischen Ländern gelten solche Regelungen. So führte Frankreich bereits 2018 ein landesweites Handy-Verbot an Schulen ein, ebenso wie in den Folgejahren die Niederlande, Italien, Lettland und Schweden. Australien erlaubt die Nutzung sozialer Medien erst ab 16 Jahren, und auch Deutschland, Irland und Großbritannien prüfen derzeit strengere Maßnahmen.
In Österreich könnte ein Verbot durchaus mit breiter Zustimmung rechnen: Einer aktuellen Umfrage des Österreichischen Bundesverlags und der Johannes Kepler Universität Linz zufolge sprechen sich 74 Prozent der Lehrkräfte für ein Handy-Verbot an Schulen aus. Gründe sind die negativen Auswirkungen der Smartphones auch jenseits verminderter Konzentration und Lernleistung, sind doch auch Cybermobbing, gewaltverherrlichende Inhalte und der Konsum von Pornografie auf Schulhöfen ein wachsendes Problem.
Handschrift als Alternative
Während die Digitalisierung in vielen Bereichen voranschreitet, setzen skandinavische Länder wie Schweden, Dänemark und Norwegen verstärkt auf das Schreiben mit der Hand, betonte die IMABE-Direktorin. Eine in der Fachzeitschrift "Frontiers in Psychology" (2024) veröffentlichte Studie ergab, dass Handschriftlichkeit die Speicherung von Informationen und die Gehirnentwicklung fördert. Insbesondere motorische Fähigkeiten und die Gedächtnisleistung profitierten davon, während digitales Tippen die kognitiven Prozesse weniger aktiviert.
Am Montag hatte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) ein Handy-Verbot bis zur 8. Schulstufe in Österreichs Schulen angekündigt. Die Maßnahme solle sowohl im Unterricht als auch in den Pausen gelten und habe das Ziel, digitale Reizüberflutung zu reduzieren und soziale Fähigkeiten zu fördern. Schulen dürfen selbst entscheiden, wie die Geräte verwahrt werden, z. B. in "Handygaragen" oder ausgeschaltet in der Schultasche, hieß es. Durch die Verordnung würden klare Regeln und Rechtssicherheit geschaffen, was auch bezüglich der Strafen gilt. Das Verbot soll Lehrkräfte entlasten und Diskussionen mit Eltern vermeiden.
Quelle: kathpress