
Bischof Scheuer ruft zu einer "Kultur der Versöhnung" auf
Der Sehnsucht nach Gemeinschaft und Frieden steht eine zunehmende "Aggressivität der Worte" und "Gewalt der Taten" gegenüber: Inmitten von "Bubbles" von Gleichgesinnten und "Hate Speech" gegenüber Andersdenkenden schwinde die Bereitschaft, eigene Interessen zugunsten des Gemeinwohls zurückzustellen, schreibt der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer in seinem Bischofswort zur Österlichen Bußzeit. Die Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch am 5. März beginnt, könne dazu beitragen, Unrecht zu benennen, Vergebung zu erbitten und zu schenken sowie den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern. Denn: "Der Zusammenhalt in Kirche und Gesellschaft ist gefährdet", so Scheuer in seinem Fastenhirtenbrief 2025.
Nötig sei eine bestimmte Haltung und Schritte, die ein versöhntes Miteinander ermöglichen und den Zusammenhalt in Kirche und Gesellschaft fördern. Dazu gehört laut Scheuer, Unrecht zu benennen und bereuen, Vergebung zu erbitten und zu schenken, eine Erinnerungskultur zu pflegen und Versöhnung zu feiern.
Versöhnung könne aber nicht erzwungen werden, selbst staatliche Gerichte könnten sie nicht erwirken oder verordnen, erklärt der Bischof. Vielmehr sei es Aufgabe der Kirche und auch der Gesellschaft, eine Kultur zu fördern, die Vergebung und Heilung ermöglicht. "Es braucht einen mutigen Blick auf das Unrecht und den Mut, es zu benennen", so Scheuer. Vergebung sollte aber nicht mit Nachgeben oder Vergessen verwechselt werden. "Vergeben heißt nicht, das Unrecht zu verdrängen, sondern es anzuerkennen und dann freiwillig zu vergeben."
Im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr 2025, das unter dem Motto der Barmherzigkeit steht, fordert der Bischof eine differenzierte Auseinandersetzung mit Schuld und Versöhnung. Besonders wichtig sei, dass Täter die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und Reue zeigen. "Reue bedeutet, dass sich jemand vom Schmerz des anderen berühren lässt", erklärt Scheuer, der dem Prinzip des "Schwamm drüber!" eine Absage erteilt. "Der erste Schritt zur Vergebung ist vielmehr das mutige Hinschauen und klare Benennen geschehenen Unrechts. Vergebung erfordert den Mut zur Wahrheit", so der Bischof mit Blick auf die Missbrauchskrise.
Keine Pflicht zur Vergebung
Für die Opfer von Unrecht müsse die Entscheidung zur Vergebung frei bleiben. "Die Geschädigten haben keine Pflicht zur Vergebung. Wer Druck auf sie ausübt und sie zur Vergebung drängt, um schnell zur Tagesordnung zurückkehren zu können, der schädigt die Opfer ein zweites Mal. Vergebung ist eine absolut freie Entscheidung der Geschädigten. Es ist ein Geschenk, wenn sie ehrlichen Herzens vergeben können und dies auch tun", betont der Bischof. Diese Botschaft sei besonders im Heiligen Jahr von Bedeutung, da es den Gläubigen eine Zeit der Gnade biete. Helfen könnten dabei Stellen in und außerhalb der Kirche, wie Geistliche Begleitung, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Mediation und andere mehr.
Es gelte aber auch, eine Erinnerungskultur zu pflegen, die den Blick auf vergangenes Unrecht und die Verantwortung für die Zukunft schärft. "Nur so können wir zu echter Versöhnung und einem tragfähigen Miteinander finden", schreibt Scheuer. Der Weg der Versöhnung müsse mit einem offenen Herzen und einer Bereitschaft zu Umkehr und Neubeginn gegangen werden.
Quelle: kathpress