
EU-Lieferkettengesetz: NGOs kritisieren geplante Abschwächungen scharf
Heftige Kritik üben österreichische Hilfsorganisationen an Plänen der EU-Kommission, die schon beschlossene Lieferkettenrichtlinie im Namen von Bürokratisierung massiv abzuschwächen. Die sogenannte "Omnibus-Verordnung", die am Mittwoch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen präsentiert werden soll, wäre ein "Rückschlag im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit", warnte die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar in einer Mitteilung vom Dienstag. Auch weitere Hilfswerke wie Jugend Eine Welt und der Verein "Südwind" schlossen sich der Kritik an.
Den geleakten Plänen zufolge sollen zentrale Elemente des Gesetzes entschärft werden. So würden Sorgfaltspflichten für Lieferketten künftig nur noch für große direkte Zulieferbetriebe gelten. Damit blieben gravierende Menschenrechtsverletzungen, wie ausbeuterische Kinderarbeit, die oft in frühen Produktionsstufen oder informellen Märkten auftreten, unberücksichtigt. Zudem droht die bislang vorgesehene zivilrechtliche Haftung für Unternehmen gänzlich zu entfallen, und Mindeststrafen bei Verstößen könnten gestrichen werden. Auch die Häufigkeit der Kontrollmechanismen würde reduziert, auf Berichte alle fünf Jahre anstatt jährlicher Prüfungen.
Aus Sicht der Dreikönigsaktion ist der Vorschlag ein "massives Einknicken vor den Lobbyverbänden der Industrie". "Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Kinderarbeit. Wer sie nachträglich abschwächt, setzt die Zukunft von Millionen Kindern aufs Spiel", mahnte Veronika Schippani-Stockinger, die Bundesvorsitzende der Katholischen Jungschar.
Auf dramatische Folgen einer Aufweichung des Gesetzes wies auch Reinhard Heiserer von "Jugend Eine Welt" hin. "Millionen Kinder würden unter dem Deckmantel der 'Entbürokratisierung' der wichtigen Schulbildung und somit ihrer Zukunft beraubt und zur Kinderarbeit gezwungen", warnte der Geschäftsführer. Weder Kinderarbeit noch Ausbeutung dürften jedoch jemals als Grundlage unseres Wohlstandes toleriert werden. Die geltende Gesetzesfassung verhelfe hingegen der Gerechtigkeit zum Durchbruch und ermögliche Kindern Chancen auf ein Leben in Würde.
Als "Freifahrtsschein für Kinderarbeit und lebensgefährliche Arbeitsbedingungen" bezeichnete Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferketten-Experte von Südwind, die Kommissionspläne. Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen werde damit das Recht auf Entschädigung oder einer Klagsmöglichkeit verwehrt, wodurch das Gesetz wirkungslos werde. Der Entfall regelmäßiger Kontrollen gehe zulasten von Arbeitnehmenden in prekarisierten Arbeitsverhältnissen, warnte zudem Bettina Rosenberger vom Netzwerk Soziale Verantwortung.
Die Dreikönigsaktion, Jugend Eine Welt, Gewerkschaften und weitere im Bündnis "Kinderarbeit stoppen!" zusammengeschlossene NGOs appellierten an die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten, die ursprüngliche Fassung der erst vor einem Jahr beschlossenen Richtlinie beizubehalten. Eine konsequente Umsetzung sei essenziell für eine sozial- und umweltverträgliche Wirtschaftsweise, hieß es. Zudem würde eine kurzfristige Aufweichung des Gesetzes Unternehmen benachteiligen, die bereits in die Umsetzung investiert haben.
Neben dem Lieferkettengesetz wären auch die Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Richtlinie (CSRD) und die Taxonomie-Verordnung von den geplanten Änderungen betroffen. Beide sind bereits in Kraft, und in Österreich wurde die CSRD in nationales Recht überführt. Zahlreiche Unternehmen hatten sich in einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Beibehaltung klarer Regeln ausgesprochen und vor Rechtsunsicherheit gewarnt.
Quelle: kathpress