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Administrator Grünwidl: Kirche muss Menschenwürde verteidigen
Er wünsche sich keine Kirche, "die ständig zur Tagespolitik mit dem Zeigefinger Stellung nimmt". Aber es sei Aufgabe der Kirche, "sich zu äußern zu gesellschaftspolitischen Veränderungen, wo es um Menschenwürde, um Gerechtigkeit geht, auch um Minderheiten, damit sie nicht unter die Räder kommen": Das hat der Wiener Administrator Josef Grünwidl im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe, Nr. 5/2025) betont. Er verstehe, "dass manche Menschen in unserem Land sich gelegentlich auch von den Bischöfen ein klareres Wort erwarten oder erwartet haben", so Grünwidl.
Zu seiner Aufgabe als Administrator hielt Grünwidl fest, dass der Übergang sehr gut vorbereitet wurde. "Nur, ich habe festgestellt, es gibt 70 Dossiers. Es sind also so viele Bereiche, für die der Erzbischof auch zuständig ist. Hier werde ich jetzt keine großen Entscheidungen treffen. Aber es geht jetzt darum, in allen diesen Bereichen einmal Kontakt aufzunehmen mit den Verantwortlichen und zu schauen: Braucht ihr etwas, gibt es Probleme, gibt es Fragen?"
Das Leben in der Erzdiözese Wien gehe weiter: "Auch nach dem 80. Geburtstag und dem Rücktritt von Kardinal Schönborn taufen wir weiter Kinder, wir feiern Gottesdienste, das pfarrliche Leben und das Leben in den kirchlichen Gemeinschaften geht weiter." Die Kirche könne in den Pfarrgemeinden auch gut eine Zeit lang ohne Erzbischof leben, so der Administrator. Nachsatz: "Auf Dauer ist das kein Zustand." Er stehe aber jedenfalls dafür, "dass dieser Alltag in der Kirche und in der Diözese, die alltäglichen Dinge und Geschäfte gut weitergeführt werden können".
Darauf angesprochen, dass er eine Zeit lang Mitglied der Pfarrerinitiative war, sagte Grünwidl, dass er sich daraus wieder verabschiedet habe, als es zum Aufruf zum Ungehorsam kam. "Weil Ungehorsam, auch dem Erzbischof gegenüber, kein guter Weg ist, Reformen oder Veränderungen anzustoßen." Was er aber mitnehme aus dieser Zeit sei die Einstellung, mutig zu sagen, was man denkt und auch Vorschläge zu machen. Das habe er mehrmals auch mit Erzbischof Schönborn besprochen, und das mahne ja auch Papst Franziskus von den Bischöfen ein. Kardinal Schönborn habe im Übrigen öfter darüber geklagt, "dass es in seiner Führungsposition schwierig ist, Menschen zu finden, die ihm ehrlich die Meinung sagen".
Weiters hielt Grünwidl fest: "Wir sollten als Kirche nicht ständig mit uns selbst beschäftigt sein. Mission in dem Sinn ist mir sehr wichtig, dass Kirche immer einen Auftrag für die Menschen, für die Welt, für die Gesellschaft hat." Das fordere nun auch ein Umdenken, "denn wir dürfen ja nicht vergessen, wir haben in Österreich jahrhundertelang in einem Land gelebt mit einer katholischen Staatskirche". Es sei nicht notwendig gewesen, hinauszugehen oder hinauszuschauen. Diesen Zustand wünsche er sich freilich nicht zurück, so Grünwidl: "Glaube hat immer etwas zu tun mit einer freien, persönlichen Entscheidung. Wir haben mit dem Evangelium eine Botschaft, die den Menschen hilft und die die Welt braucht."
Das ganze Interview zum Nachlesen: https://dersonntag.at/gruenwidl. Radio Klassik Stephansdom strahlt das Interview am Freitag, 31. Jänner, um 17.30 Uhr in der Sendung "Perspektiven" aus.
Quelle: kathpress