![Martin Schenk / Diakonie Österreich / Luiza Puiu NGOs warnen vor 'blinden Flecken' bei Regierungsverhandlungen](/img/95/05/dd9a3e98ef876b1dec81/Martin_Schenk-asset-0cf2068d5df0931fdf12.jpg)
NGOs warnen vor "blinden Flecken" bei Regierungsverhandlungen
Wohnen, Gesundheit, Kinder, Armut und ein gerechtes Budget sollten laut dem NGO-Bündnis "Armutskonferenz" im Rahmen der Regierungsverhandlungen stärker thematisiert werden. Auch frauenpolitische Maßnahmen würden aktuell nicht ausreichend berücksichtigt. "Wenn sozialer Zusammenhalt, Schutz vor Armut oder gute Aufstiegschancen nicht als Ziele formuliert werden, wird die Zukunft für den ärmeren Teil der Bevölkerung düster", betonte der Sozialexperte Martin Schenk in seinem Verweis auf "blinde Flecken" der Verhandlungen.
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Abschwünge seien "kluge Investitionen und soziale Sicherheit besonders wichtig", so das Netzwerk aus mehr als 40 Sozialorganisationen. Wichtig sei ein gerechtes Budget, ein "fairer Mix aus einnahmenseitigen und ausgabenseitigen Maßnahmen". Schon bei den letzten Budgetkonsolidierungen der Jahre 2000 und 2011 habe das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben jeweils etwa die Hälfte ausgemacht. Gerechter wäre es auch, den Klimabonus einkommensabhängig zu reformieren, anstatt ihn ersatzlos zu streichen.
Kritik äußerten die Organisationen auch an der von den Koalitionsverhandlern FPÖ und ÖVP geplanten Streichung des Zuverdienstes zum Arbeitslosengeld. Das aktuelle Modell wirke sich positiv auf Langzeitarbeitslose aus, denn "der Zuverdienst verkürzt die Langzeitarbeitslosigkeit", erklärte die Armutskonferenz. Zudem helfe das System Menschen, die aufgrund schwerer psychischer Erkrankungen lange arbeitslos sind, den Tagesablauf zu strukturieren, soziale Kontakte zu pflegen und aktiv zu bleiben. "Das Arbeitslosengeld ist ja im internationalen Vergleich in Österreich sehr niedrig, die Armutsraten von Erwerbsarbeitslosen überproportional hoch. Wird das Arbeitslosengeld jetzt insgesamt noch weiter gekürzt, die Notstandshilfe wie bei Hartz IV abgeschafft beziehungsweise befristet?", warnten die Organisationen.
Investitionen in soziale Dienstleistungen gefordert
Bereits jetzt gebe es ausreichend Instrumente und Möglichkeiten in den Bereichen Bildung, Wohnen und soziale Dienstleistungen, um Armut entgegenzuwirken, erinnerte die Armutskonferenz an bewährte Maßnahmen. Konkret forderte sie Investitionen in alltagsunterstützende Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Frühförderung, Beratungsangebote für Menschen in sozialen Notlagen sowie Wohnangebote für Jugendliche und Schuldenberatung. "Hier entstehen Win-win-Situationen zwischen Einkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Entlastung pflegender Angehöriger", rechnete das NGO-Netzwerk vor.
Positive Effekte hätte zudem ein Bildungssystem, das den sozialen Aufstieg fördert und nicht sozial selektiert. Ebenso müssten neue soziale Risiken wie prekäre Jobs oder psychische Erkrankungen angemessen sozialpolitisch adressiert werden. Auch in den Bereichen Wohnen und Gesundheit sah die Armutskonferenz erheblichen Handlungsbedarf. So brauche es etwa eine bessere Versorgung mit psychosozialen Notdiensten, insbesondere im ländlichen Raum, sowie kassenfinanzierte Therapieangebote.
Zur Armutskonferenz gehören 44 Organisationen aus dem Sozial-, Bildungs- und Forschungsbereich, die sich mit Armut und sozialer Ausgrenzung beschäftigen. Unter den Mitgliedern sind beispielsweise die Caritas, Diakonie, Katholische Aktion Österreich, die Katholische Sozialakademie und der Katholische Familienverband. (Link: www.armutskonferenz.at)
Quelle: kathpress