Innsbruck: Sonderausstellung über Holocaust-Überlebende eröffnet
Eine neue Sonderausstellung im Innsbrucker Landhaus widmet sich dem Schicksal der Holocaust-Überlebenden Leokadia Justman, die durch die Hilfe von Tirolerinnen und Tiroler die Verfolgung durch das NS-Regime überlebte. Landeshauptmann Anton Mattle eröffnete die Ausstellung mit dem Titel "Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol" am Montag offiziell. Mit dabei waren die beiden Kuratoren Niko Hofinger und P. Dominik Markl SJ sowie Jeffrey Wisnicki, der Sohn von Justman und der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler. Die Ausstellung, die am internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocausts eröffnet wurde, kann bis zum 26. Oktober von Montag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr im sogenannten ehemaligen "Gauleiter-Hofer-Zimmer" besichtigt werden.
Kuratiert vom Historiker Niko Hofinger und P. Dominik Markl SJ - seit 2023 Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Innsbruck -, kombiniert die Ausstellung multimediale Inhalte mit historischen Fotografien, Dokumenten und Karten. Besucher können sich interaktiv mit Justmans Flucht und dem Netzwerk aus Unterstützern und Verfolgern auseinandersetzen.
Die Ausstellung basiert auf Leokadia Justmans autobiografischem Bericht, dem ersten literarischen Zeugnis einer Holocaust-Überlebenden aus Tirol. Justman entkam zusammen mit ihrem Vater aus dem Warschauer Ghetto und überlebte die NS-Verfolgung unter falscher Identität in Tirol und Salzburg. Ihre Mutter wurde in ein Vernichtungslager deportiert und ermordet, um ihrer Tochter das Leben zu retten.
Symbolträchtiger Ausstellungsort
"Es ist ein starkes und wichtiges Zeichen, dass die Ausstellung gerade im sogenannten 'Gauleiter-Hofer-Zimmer' gezeigt wird - einem Raum, der wie kaum ein anderer die düsteren Kapitel der NS-Zeit symbolisiert", erklärten die Kuratoren in einer Presseaussendung. Das Neue Landhaus, erbaut 1938/1939 als Gauhaus für die nationalsozialistischen Parteidienststellen, ist das größte noch bestehende NS-Bauwerk Tirols.
Ein zentraler Schwerpunkt der Ausstellung ist der Ausbruch Justmans und ihrer Freundin aus dem Polizeigefängnis beim Innsbrucker Bahnhof am 18. Jänner 1945. Dieses Gebäude, das als Sammelpunkt für die Deportation zahlreicher Häftlinge in Konzentrationslager diente, ist laut den Kuratoren im kollektiven Gedächtnis weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Schau untersucht auch die Rolle von Justmans Bekannten und Mithäftlingen. So sollen etwa fünf Tiroler Polizisten und drei Frauen ihr eigenes Leben riskiert haben, um die beiden zu retten. Alle acht Menschen wurden posthum von der Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet.
Aktive Erinnerungskultur als Ziel
Die Schau versteht sich als Fortsetzung der 2023 präsentierten Ausstellung "Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte", die die NS-Vergangenheit des Landhauses als Täterort thematisierte. Laut Landeshauptmann Mattle haben bereits mehr als 12.500 Menschen, darunter zahlreiche Schulklassen, diese Ausstellung besucht. Das begleitende Rahmenprogramm soll insbesondere junge Menschen für die NS-Vergangenheit sensibilisieren.
"Die Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen - sehr wohl aber liegt es in unser aller Verantwortung, dass sich solche Gräueltaten niemals wiederholen", so Mattle in seiner Eröffnungsrede. Das Schicksal von Leokadia Justman sei ein eindrucksvolles Zeugnis von Überlebenswillen und Solidarität inmitten unmenschlicher Verfolgung. "Ihre Geschichte ist ein Appell an uns alle, demokratische Werte wie Pluralität, Solidarität und Gleichberechtigung zu wahren."
Die Ausstellung ist eine Kooperation des Landes Tirol mit der Universität Innsbruck und dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, der Pädagogischen Hochschule Tirol, dem Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, dem Programm ERINNERN:AT des OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung) zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust sowie dem Verein Wissenschaft und Verantwortlichkeit.
Ergänzend zur Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm mit monatlichen Kuratoren-Führungen, Konferenzen und Veranstaltungen. So findet am 26. März eine wissenschaftliche Tagung zum Thema "Überleben und Erinnerung" statt. Am 10. April wird eine Graphic Novel des Tiroler Illustrators Alwin Hecher vorgestellt, die Justmans Geschichte in künstlerischer Form aufgreift.
Quelle: kathpress