Caritas fordert Bildungsgerechtigkeit für Kinder mit Behinderungen
"Ein gemeinsames Schulsystem, das allen Kindern die gleichen Chancen bietet": So lautet die Forderung der Caritas anlässlich des internationalen Tags der Bildung (24. Jänner) an die Regierungsverhandler. Es müssten "endlich Schritte weg von der Sonderschule, hin zu inklusiven Schulen für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich" gesetzt werden. Nur so könne "die Grundlage für Bildungsgerechtigkeit und die Basis für Inklusion in der Gesellschaft" geschaffen werden, betonte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler in einer Aussendung am Donnerstag. Die Hilfsorganisation verlangt etwa mehr Investitionen in geschultes Fachpersonal, inklusive Unterrichtsmodelle und mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung und ihren Familien.
"Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, das darf weder eine Frage des Wohnortes noch der Behinderung sein", so Tödtling-Musenbichler. Es sei höchste Zeit, über Reformen im Bildungssystem nachzudenken, die in Richtung inklusive Schule weisen. Dazu gehöre auch ein einklagbarer Rechtsanspruch auf den Besuch inklusiver Bildungseinrichtungen - "vom Kindergarten über die gesamte Schullaufbahn bis ins Erwachsenenalter", so die Caritas-Präsidentin.
Die Hilfsorganisation erinnerte daran, dass Österreich 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet habe, die eine Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen beinhaltet. Österreich hinke vor allem im Bereich inklusiver Bildung bei der Umsetzung hinterher. Das zeige eine Staatenprüfung aus dem Jahr 2023, bei der durch den zuständigen UN-Fachausschuss gravierende Mängel festgestellt worden seien.
Sonderschulen isolieren Kinder
Besonders kritisiert wurde das Festhalten am österreichischen Sonderschulsystem. "Sonderschulen trennen Kinder mit Behinderungen von der Gesellschaft, verhindern Begegnungen und den Alltag mit Gleichaltrigen und erschweren so ihre Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben", hieß es seitens der Caritas.
Für ein inklusives Bildungssystem brauche es speziell geschulte Pädagoginnen und Pädagogen, technische Hilfsmittel und Bewusstseinsarbeit von klein auf, denn das Bildungssystem benachteilige Kinder mit Behinderungen schon ab dem Kindergarten systematisch, erklärte Tödtling-Musenbichler.
Auch ein Rechtsanspruch auf das 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderungen und die flächendeckende Einrichtung ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote seien notwendig, forderte die Caritas mit einem Verweis auf aktuelle Probleme: "Bis heute gibt es keinen Rechtsanspruch auf einen inklusiven Kindergartenplatz - stattdessen sind lange Wartelisten und ein starkes Stadt-Land-Gefälle nach wie vor Realität." Der Mangel an ganztägigen Betreuungsangeboten bedeute eine finanzielle Belastung für die Familien, da damit die Berufstätigkeit der Eltern erschwert werde.
35.000 Schüler brauchen besondere Unterstützung
Wie die Caritas informierte, haben derzeit fünf Prozent aller Pflichtschülerinnen und -schüler aufgrund ihrer Behinderung einen besonderen Unterstützungsbedarf. Im Schuljahr 2023/24 waren das rund 35.000 Kinder. Derzeit sei jedoch nur die Hälfte dieses Bedarfs budgetär gedeckt. In der Praxis bedeute diese Unterfinanzierung, "dass Kinder mit Behinderungen nicht ausreichend oder schlimmstenfalls gar keine gezielte Unterstützung erhalten", hieß es.
Seit 1992 sei das Budget für die Unterstützung von Schülerinnen und Schüler mit einem sogenannten "Sonderpädagogischen Förderbedarf" (SPF) nicht erhöht worden, obwohl die Anzahl der Kinder mit einem SPF stark gestiegen sei, bemängelte die Caritas. Auch ein Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2019 und Handlungsempfehlungen der Vereinten Nationen kritisierten, dass die Ressourcen für inklusive Bildung in Österreich chronisch unterfinanziert seien, während weiterhin Mittel in das parallele Sonderschulsystem fließen.
"Ein Festhalten am separierenden Sonderschulsystem wird die Bildungschancen von Kindern mit Behinderungen weiterhin blockieren", warnte Tödtling-Musenbichler. Eine Gesellschaft sei nur dann stärker, "wenn alle Kinder die Chance haben, ihre Talente zu entfalten und Teilhabe zu erfahren".
Quelle: kathpress