Studie: Psychische Belastungen Jugendlicher steigen weiter
Allgemein sind Kinder und Jugendliche in Österreich in den Bereichen Schule, Gesundheit, Familie und somit mit ihrem allgemeinen psychischen Wohlbefinden zufrieden. Das gaben 73 Prozent von 14.531 befragten Schülerinnen und Schülern im Vorjahr an, wie aus der neu veröffentlichten "mental-health days-Studie 2024" hervorgeht. "Wir steuern aktuell auf keine Wohlbefindenskatastrophe zu, aber der weltweite Trend bewegt sich in eine negative Richtung", erklärte Studienautor Tobias Dienlin (Uni Wien) bei einer Pressekonferenz am "Blue Monday" in Wien. Dass jedoch ein Drittel aller befragten Jugendlichen angab, in den letzten zwei Wochen an einzelnen Tagen daran gedacht zu haben, "dass sie lieber tot wären oder sich ein Leid zufügen möchten", sei besorgniserregend.
68 Prozent aller Befragten gaben in einem Online-Selbstbericht an, innerhalb der letzten zwei Wochen "an einzelnen Tagen Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit empfunden" zu haben. Paul Plener, Studienautor und Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AKH Wien, erklärte, dass insbesondere der Klimawandel, Konflikte und soziale Ungleichheiten zur Belastung der Jugendlichen beitragen.
Verschreibungshäufigkeit psychotroper Medikation steigt
Es gäbe erste Hinweise für eine leichte Reduktion der psychischen Belastung seit Corona, "jedoch liegen die Werte weiterhin über dem Niveau vor der Pandemie". Genaue Aussagen über die Situation in Österreich zu treffen, sei schwierig, weil man sich hierzulande "keine repräsentative Erhebung" leiste. Studien und Erhebungen zeigten aber weltweit, dass die Verschreibung psychotroper Medikation (Antidepressiva und Antipsychotika) bei Jugendlichen gestiegen sei.
Einen Schwerpunkt der Studie bildete zudem die Erhebung der Nutzung digitaler Medien. Durchschnittlich verbringen Schülerinnen und Schüler laut Studie 221 Minuten und damit fast vier Stunden am Tag am Smartphone, davon 96 Minuten in sozialen Netzwerken. Die Bandbreite der Hilfsangebote zum Thema Suizid sei dort aber noch ausbaufähig, waren sich die Studienautoren einig. 54 Prozent der Jugendlichen gaben nämlich an, online noch nie Hilfsangebote zum Thema Suizid gesehen zu haben. 42 Prozent hingegen behaupteten, bereits digitale Suizidaufrufe gesehen zu haben.
Negative Auswirkungen von Social Media
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass soziale Netzwerkseiten wie Instagram oder TikTok einen negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Schülerinnen und Schüler haben, betonte Dienlin. Die lange Zeit, die Jugendliche auf Social Media verbringen, "sind dann eben vier Stunden, die man beispielsweise nicht in der Kirche oder beim Sportverein verbringt, die Bewegung, das Gefühl von Sinnhaftigkeit und soziale Eingebundenheit fördern". Zudem lenke die Zeit am Smartphone vom Studieren und Arbeiten ab.
Soziale Netzwerke und Streaming-Anbieter präsentieren meist ein Idealbild von Menschen und nicht das ungefilterte Leben, ergänzte Plener. Im Vergleich mit Menschen, die keine Momente teilten, in denen es ihnen schlecht geht und sie sich mit ihrem Körper nicht im Reinen fühlen, schnitten die meisten Menschen natürlich schlechter ab.
500 Schulen auf der Warteliste
Golli Marboe, Initiator der "mental health days", forderte darum ein "europäisches öffentlich-rechtliches Alternativangebot zu oligarchenbetriebenen Netzwerken" und die Förderung von Projekten und Initiativen wie "mental health days", die zur selbstbestimmten Medienkompetenz von jungen Menschen beitragen. Die Unterstützung von Gesundheits- und Bildungsministerium und anderen Unterstützern reiche nicht aus, um die "mental health days" weiterhin kostenlos an allen anfragenden Schulen anzubieten. Derzeit stünden 500 Schulen auf der Warteliste, so der Obmann des Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien (VsUM).
Ziel der "Tage der psychischen Gesundheit" ist es, das Thema psychisches Wohlbefinden sichtbarer zu machen und einen offenen Umgang mit Gefühlen zu fördern. Zudem sollen bestehende Hilfseinrichtungen bekannter gemacht werden. Im Rahmen der VsUM-Initiative, die 2022 von Marboe ins Leben gerufen wurde, konnten bisher rund 130.000 Schülerinnen und Lehrlinge erreicht werden. Themen, die in Workshops besprochen werden, sind etwa: Mobbing, Körperbild und Essstörungen, Sucht, Depression und Suizidalität.
Einen Ausbau und eine fixe Verankerung von Initiativen wie die "mental health days" sowie eine Aufstockung von Sozialarbeitern und Schulärztinnen forderte Paul Freysinger, Vorstandsmitglied der Bundesjugendvertretung (BVJ). "Die Gesundheit von Jugendlichen darf nicht aufgrund von Einsparmaßnahmen aufs Spiel gesetzt werden", so seine Warnung. Mentale Gesundheit müsse als Schulfach genauso seine Berechtigung haben wie Mathematik oder Geografie. Nicht nur die traditionelle Wissensvermittlung sei Aufgabe der Schulen; diese müssten auch informieren, wohin sich Schülerinnen und Schüler wenden können, wenn sie selbst oder ihr Umfeld mit Problemen zu kämpfen hätten.
Quelle: kathpress