Österreichische Friedenspionierin Hildegard Goss-Mayr wird 95
Hildegard Goss-Mayr, die Ehrenpräsidentin des "Internationalen Versöhnungsbundes", wird am Mittwoch, 22. Jänner, 95 Jahre alt. Die geborene Wienerin ist seit mehr als 70 Jahren in der Bewegung für Gewaltfreiheit engagiert. Gemeinsam mit ihrem 1991 verstorbenen Mann Jean Goss hat Hildegard Goss-Mayr im unermüdlichen Einsatz in vielen Krisengebieten - von Lateinamerika bis zu den Philippinen, vom Libanon bis Afrika - die Menschen mit Spiritualität und Praxis des gewaltfreien Einsatzes für Gerechtigkeit und Frieden vertraut gemacht. Die überzeugte Katholikin wurde bereits zwei Mal für den Friedens-Nobelpreis nominiert. 1991 wurde sie mit dem Niwano-Friedenspreis ausgezeichnet.
Anlässlich ihres Geburtstags feierte der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler am Wochenende mit Goss-Mayr, ihrer Familie und Freunden einen Dankgottesdienst in einem Seniorenheim in Wien-Hernals. In seiner Predigt würdigte der für Pax Christi zuständige Referatsbischof das Lebenswerk der österreichischen Friedensaktivistin und rief dazu auf, ihrem Beispiel zu folgen. "Durch Menschen wie Hildegard Goss-Mayr bleiben Liebe und Vergebung nicht nur leere Worte - sie werden zur konkreten und lebendigen Wirklichkeit. Sie hat ihr ganzes Leben in den Dienst des Friedens gestellt", so Bischof Glettler.
Menschen wie Hildegard Goss-Mayr würden dazu inspirieren, "jeden Tag ein Stück Frieden zu schaffen", sagte Glettler. Sei es durch kleine freundliche Gesten, durch Wertschätzung, durch Verständnis und Toleranz und durch eine bewusste Absage an alle gefährlichen Freund-Feind-Schemata, die nur Unheil erzeugen. "Es sind die vielen kleinen Schritte der Versöhnung, die Bereitschaft zum Dialog und zum Miteinander, die den entscheidenden Unterschied machen. Unsere Welt, die von vielen ungelösten Konflikten, Ausbeutung und Unrecht erschüttert ist, braucht dringend solche Hoffnungszeichen. Frieden ist tägliche Arbeit."
Glettler richtete seinen Blick nicht nur auf den Nahen Osten, sondern auch in die Konfliktregionen Afrikas - stellvertretend für die vielen blutigen Konflikte im Schatten der Weltöffentlichkeit. Gerade die geopolitischen Brennpunkte stellten das humanitäre Völkerrecht besonders auf die Probe und erfordern die besondere Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Glettler: "Es braucht entschlossenes Handeln, um neue Wege zu einem echten und dauerhaften Frieden zu finden. Alles beginnt mit der Bereitschaft, das Leid des anderen wahrzunehmen - nur eine Kultur der Sorge füreinander entzieht der Gewalt ihren Nährboden." Denn letztlich sei es die Gleichgültigkeit gegenüber Armut und Ausbeutung, die Bedingungen für Konflikte und Instabilität weit über die betroffenen Regionen hinaus schafft und die globale Sicherheit gefährdet.
Der Innsbrucker Bischof ermutigte Goss-Mayr, auch selbst nochmals das Wort zu ergreifen. Sie blickte kurz zurück auf einige ihrer Einsätze, wo es darum ging, "die Gewalt einzudämmen, die Kräfte des Friedens zu stärken und Gerechtigkeit aufzubauen". Für die Überwindung von Unrecht sei freilich Engagement nötig. Zugleich sei es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn es längere Durststrecken zu überwinden gilt. "Denn das Licht ist da und Gott ist in uns und im rechten Augenblick bekommen wir immer die Kraft, das Richtige zu tun." Mit der Kraft Gottes könnten Liebe und Gerechtigkeit in der Welt wachsen "und jede und jeder von uns sollte daran mitwirken", so Goss-Mayer. Sie blicke mit großer Dankbarkeit zurück auf ihr Leben.
Frieden und Gerechtigkeit
Hildegard Goss-Mayr wurde 1930 in Wien als Tochter des Gründers des österreichischen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes, Kaspar Mayr, geboren. Nach den Erfahrungen der NS-Herrschaft in ihrer Kindheit studierte sie in Wien und in New Haven (USA) Philosophie, Philologie und Geschichte. 1953 promovierte sie als erste Frau an der Wiener Universität "sub auspiciis". Im selben Jahr begann sie für den Internationalen Versöhnungsbund zu arbeiten. 1958 heiratete sie den französischen Friedensaktivisten Jean Goss, mit dem sie zwei Kinder bekam.
Bis Anfang der 1960er Jahre engagierte sie sich vor allem für den Aufbau gewaltfreier Bewegungen und für den Ost-West-Dialog. 1958 fanden auf Betreiben Hildegard Goss-Mayrs zum ersten Mal katholische, evangelische und orthodoxe Christen aus aller Welt, auch aus der damaligen Sowjetunion, zusammen, um sich mit der Bedeutung der Gewaltlosigkeit Jesu zu befassen. 1962 begann sie ihre Arbeit in Lateinamerika für den Aufbau gewaltloser Befreiungsbewegungen. Sie wurde Beraterin von Bischöfen wie Dom Helder Camara. Von ihr beeinflusst ist auch der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, der den gewaltlosen Kampf gegen die argentinische Militärdiktatur anführte.
Einfluss auf das Konzil
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils erstellte Goss-Mayr zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden. Anfang der 1970er Jahre weitete sie ihr Engagement auf Afrika und in den Nahen Osten aus, Anfang der 1980er Jahre nach Asien. Der Erfolg der "Rosenkranz-Revolution" gegen das Marcos-Regime auf den Philippinen war auch ihrem Einfluss und ihrer Schulung von Gruppen für den gewaltlosen Widerstand zu verdanken; Hildegard Goss-Mayr wurde deswegen auch 1987 - wie schon 1979 - für den Friedensnobelpreis nominiert. Später galt ihr Engagement vor allem der Friedensförderung in den Staaten des Gebietes der "Großen Seen" (Grands Lacs) in Ostafrika.
In Österreich setzte sie sich v.a. für die Umsetzung der aktiven Gewaltfreiheit in den christlichen Kirchen und im interreligiösen Dialog, für die Schaffung von Friedensdiensten sowie für die Ziele der UNO-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit (2001-2010) ein.
Von 1966 bis 1985 war Hildegard Goss-Mayr die Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 1985 ist sie Ehrenpräsidentin der Organisation. Sie veröffentlichte zahlreiche Publikationen zu den Themen Gewaltfreiheit, Frieden und Versöhnung. 1996 erschien ihre Autobiografie mit dem Titel "Wie Feinde Freunde werden" mit einem Geleitwort von Kardinal Franz König. Ihr Engagement wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, unter anderem erhielt sie 1979 den Preis der "Bruno-Kreisky-Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte.
Hildegard Goss-Mayr lebt inzwischen zurückgezogen in Wien-Hernals, nimmt aber immer noch rege an den Aktivitäten des Internationalen Versöhnungsbundes anteil.
Quelle: kathpress