Linz: Schönborn und Stelzer würdigen Gehörlosen-Pionier Fellinger
Begleitet von mehr als 400 Gästen und Prominenz aus öffentlichem Leben, Wissenschaft und Kirche hat am Freitag, 17. Jänner, im Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz die feierliche Übergabe der Leitung des Instituts für Sinnes- und Sprachneurologie (ISSN) stattgefunden. Primar Johannes Fellinger (65), der das renommierte Institut aufgebaut und über Jahrzehnte hinweg geleitet hat, übergab an seinen Nachfolger, Primar Johannes Hofer (42). Bei dem Festakt wurden die Pionierarbeit und zahlreichen Verdienste von Fellinger im Bereich der Versorgung und Inklusion von Menschen mit Hör-, Sprach- und Entwicklungsstörungen gewürdigt.
Landeshauptmann Thomas Stelzer verlieh Fellinger das Goldene Verdienstzeichen des Landes. Er betonte, dass das ISSN einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit beeinträchtigter Kommunikationsfähigkeit leistet und auch künftig eine zentrale Rolle im Gesundheitssystem Oberösterreichs spielen wird. Internationale Kooperationspartner von der Harvard Medical School, Prof. Dr. William Barbaresi und Dr. Jason Fogler, verdeutlichten die globale Bedeutung der Arbeit des ISSN.
Kardinal Christoph Schönborn hob am Vorabend seiner eigenen Verabschiedungsfeier im Wiener Stephansdom Fellingers außergewöhnliches Engagement für Menschen mit beeinträchtigter Kommunikation hervor. In seiner ausführlichen Würdigungsrede verwies er auf die christliche Dimension der Arbeit und zitierte Dietrich Bonhoeffer: "Das Christliche ist nicht etwas Jenseitiges, sondern es will mitten im Menschlichen sein." Schönborn betonte, dass Fellinger diesen Ansatz in seiner Arbeit am Institut in herausragender Weise umgesetzt und aktive Nächstenliebe vorgelebt habe.
Taubheit als Segen für andere
Besonders hob der Kardinal Fellingers Fähigkeit hervor, den Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen und durch medizinische sowie soziale Unterstützung zu fördern. Schönborn verwies auch auf seine eigene Freundschaft mit Fellinger, deren Ergebnis der gemeinsam herausgegebene, soeben erschienene Bildband "Meine Augen haben das Heil gesehen. Auf Jesus schauen mit Helmut Michael Berger" ist. Das Buch widmet sich dem Werk von Fellingers Schwiegervater, dem Künstler Helmut Michael Berger (1925-2013), der als Jugendlicher sein Gehör verlor und in der bildenden Kunst eine Ausdrucksform fand.
Auch Fellingers leiblicher Vater Matthäus Fellinger war als 15-jähriger infolge von Meningitis ertaubt und später Künstler geworden. Obwohl er dadurch viel mitgemacht habe, habe er kurz vor dem Tod im Anblick dessen, was für Gehörlose entstanden sei, gesagt, er sei "dem lieben Gott so dankbar, dass ich taub geworden bin", berichtete der Primar über seinen Vater. Er selbst sei durch seine familiäre Prägung und den engen Kontakt zur Gehörlosengemeinschaft früh für die Bedürfnisse dieser Menschen sensibilisiert worden. Es habe seine berufliche Laufbahn bestimmt wie auch den Wunsch, Barrieren in der Medizin abzubauen und Inklusion voranzutreiben, so der Neurologe und Psychiater.
Österreichs erste Gehörlosenambulanz
Das Institut für Sinnes- und Sprachneurologie wurde 1991 gegründet, um gehörlosen Menschen medizinische Versorgung in Gebärdensprache anzubieten. Die Angebote der österreichweit ersten Gehörlosenambulanz wurden über die Jahre erweitert, unter anderem durch die Gründung der Schule für Sozialbetreuungsberufe sowie der Lebenswelt Schenkenfelden, einer Einrichtung für gehörlose Menschen mit Mehrfachbeeinträchtigungen. Im Jahr 2000 wurde die neurologisch-linguistische Ambulanz ins Leben gerufen, die heute als erste Anlaufstelle für Entwicklungsstörungen gilt.
Im Jahr 2018 wurde die Ambulanz für inklusive Medizin eröffnet, die Menschen mit Schwer- und Mehrfachbehinderungen eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Gesundheitsversorgung bietet. 2019 folgte die Gründung des Forschungsinstituts für Entwicklungsmedizin an der Johannes Kepler Universität, das sich mit Entwicklungsstörungen über die gesamte Lebensspanne hinweg beschäftigt.
Ein wesentliches Verdienst von Primar Fellinger war die Entwicklung eines interdisziplinären Ansatzes, der medizinische, soziale und psychologische Aspekte in der Betreuung gehörloser Menschen vereint. Seine Initiative führte zur Einführung von spezialisierten Versorgungsmodellen, die Gehörlosen eine barrierefreie Kommunikation im Gesundheitswesen ermöglichen. Unter seiner Leitung wurde das Institut zu einem Vorreiter in der inklusiven Medizin, das eng mit Fachkräften aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammenarbeitet und so eine umfassende Betreuung gewährleistet.
Frühzeitige Diagnostik und Begleitung
Fellingers Nachfolger, Primar Johannes Hofer, skizzierte die künftigen Herausforderungen und Schwerpunkte des Instituts. Er betonte die Wichtigkeit der frühzeitigen Diagnostik und Begleitung von Menschen mit Entwicklungsstörungen, insbesondere von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Auch die medizinische Versorgung von gehörlosen Menschen sowie Menschen mit Mehrfachbeeinträchtigungen soll weiter ausgebaut werden. Dabei setze er auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und wissenschaftliche Begleitforschung, um die Angebote kontinuierlich zu verbessern, sagte der neue Leiter.
Quelle: kathpress