Expertenrunde: Schönborn-Nachfolger muss politischer Bischof sein
Ein potenzieller Nachfolger von Kardinal Christoph Schönborn als Erzbischof von Wien muss ein politischer Bischof sein: Darin zeigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer ORF-Diskussion am Mittwoch in der Ö1-Sendung "Im Klartext" einig. Angesicht der sich verschärfenden politischen Situation sei ein "Wegducken" etwa im Blick auf die Unvereinbarkeit der christlichen Botschaft mit völkisch-nationalistischem Denken nicht mehr möglich, betonte in der Diskussion etwa die Chefredaktion der Wochenzeitung "Die Furche", Doris Helmberger-Fleckl. Und der Theologe Paul M. Zulehner ergänzte, "politische Intervention" dürfe nicht nur Sache der Katholischen Aktion oder des Laienrates sein, sondern müsse von einem potenziellen Nachfolger aktiver als von Schönborn betrieben werden.
Wobei beide festhielten, dass Schönborn unzweifelhaft ein "Pro-Europäer" gewesen sei und sich auch etwa in Asyl- und Migrationsfragen immer wieder politisch zu Wort gemeldet habe. Die Zeit verlange jedoch nach mehr politischer Intervention und klarerer Positionierung, so Zulehner - auch wenn im Sinne des "Mariazeller Manifests" klar bleiben müsse, dass die Kirche zwar politisch sei, aber keine Parteipolitik betreibe. Kardinal Schönborn sei im Blick auf die Politik "eher 'untermütig' als übermütig" gewesen, so Zulehners Wortschöpfung.
Wertschätzend äußerten sich die Diskutanten - darunter außerdem der Obmann der Pfarrerinitiative und frühere Wiener Generalvikar Helmut Schüller - im Blick auf die persönlichen Begegnungen mit dem scheidenden Erzbischof und Qualitäten, die er an der Spitze der Erzdiözese Wien im Laufe seiner drei Jahrzehnte währenden Amtszeit erworben hat.
Als Ordensmann und Weihbischof relativ rasch zum Nachfolger Kardinal Hans-Hermann Groers ernannt, habe Schönborn ebenso rasch lernen müssen, was es heißt, eine Diözese zu managen, so Schüller, den Schönborn damals zum Generalvikar ernannte. Im Umgang mit den unter Groer öffentlich gewordenen Missbrauchsfällen habe Schönborn sich mit großer Energie für eine Aufarbeitung und die Einrichtung einer Ombudsstelle eingesetzt. Die österreichische Kirche habe diesbezüglich "schnell gelernt" und sei so zu einem internationalen Vorreiter geworden, erinnerte Zulehner. "Schönborn war das wirklich ein Anliegen und er hat sich da auch international weit rausgelehnt", erinnerte Schüller.
Im Blick auf die unter Schönborn gestartete Wiener Diözesanreform betonte Schüller, dass es da durchaus unterschiedliche Einschätzungen und Diskussionen zwischen Schönborn und ihm gebe - auch damals rund um seine Entlassung als Generalvikar seien unterschiedliche Schwerpunktsetzungen sichtbar geworden; es gebe jedoch diesbezüglich heute keine Verbitterung oder Konflikte mehr zwischen ihnen beiden. Keinen Zweifel ließ Schüller indes daran, dass er die Schaffung neuer Großpfarren als Antwort auf fehlenden Priesternachwuchs und den anhaltenden Exodus der Gläubigen für verfehlt hält.
Quelle: kathpress