Ökumene-Expertin: Schönborn öffnete "Räume des Dialogs"
Die ökumenischen Verdienste Kardinal Christoph Schönborns hat die Ostkirchen- und Ökumene-Expertin Prof. Andrea Riedl gewürdigt. In einem Beitrag für einen dem Kardinal zu seinem 80. Geburtstag gewidmeten aktuellen Sonderdruck der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" bilanziert Riedl die vergangenen Jahrzehnte. Ein freundschaftliches, respektvolles und vom Glauben getragenes Aufeinander-Zugehen habe die ökumenische Haltung Kardinal Schönborns geprägt, und damit sei es ihm gelungen, "Räume des Dialogs" zu öffnen. Während Schönborns Amtszeit als Erzbischof hätten sich viele wegweisende ökumenische Schritte, aber auch ein "konsolidierendes Innehalten auf dem ökumenischen Weg" ergeben, so Riedl.
Als Erzbischof von Wien ist Kardinal Schönborn seit 30 Jahren Vorsitzender des Kuratoriums von Pro Oriente. Mit der Arbeitsweise der Stiftung sei er aber bereits als junger Theologe und Teilnehmer am berühmten Ersten Ekklesiologischen Kolloquium Koinonia im April 1974 in Berührung gekommen, das gleichsam den Auftakt für den sechs Jahre später beginnenden offiziellen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche auf Rhodos und Patmos bildete.
Bis heute sei es das Kapital und die Chance von Pro Oriente, "dass der ökumenische Dialog auf inoffizieller Ebene und nicht durch offizielle Sendung der Kirchen stattfindet, um auf diese Weise den Kirchen Unterstützung und Rückendeckung im Benennen des Trennenden, im Suchen des Gemeinsamen und Stärken der kirchlichen Communio anzubieten", so Riedl.
Überwindung von Konflikten
Die Haltung Kardinal Schönborns zu den Kirchen des christlichen Ostens sei bis heute von einem Aufeinander-Zugehen geprägt, das freundschaftlich, respektvoll und vom Glauben getragen sei - "eine Haltung, die Räume des Dialogs öffnet und damit auch gesamtgesellschaftlich relevante Beiträge zur Überwindung von Konflikten und Förderung von Versöhnung in religiösem Kontext zu leisten vermag".
Schönborns Zugang zu den Ostkirchen sei vom Studium und der Wissenschaft her erfolgt, so Riedl: "Seine Dissertation 1974 zum Christusbild des Maximus Confessor sowie die Ostkirchenkunde in seinem Lehre-Repertoire, als er Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg in der Schweiz war, prädestinierten ihn für den orthodox-katholischen Dialog in verschiedensten Foren" - so auch seit Beginn der 1980er Jahre im Vorstand und später im Kreis der Konsultorinnen und Konsultoren von Pro Oriente.
Für die Ökumene habe die Ernennung Schönborns zum Erzbischof von Wien im Jahr 1995 stabile und konstruktive Kontinuität mit wissenschaftlichem Tiefgang und spirituellem Sensorium bedeutet. In zumindest einer Hinsicht habe die Ernennung aber auch die Erschließung von Neuland mit sich gebracht, erinnerte Riedl im Blick auf die katholischen Ostkirchen. Sie verwies darauf, dass noch 1974 Kardinal König wiederholt bekräftigt hatte, es solle - bei allem ökumenischen Aufbruch - gerade deswegen keine gezielte Kontaktaufnahme mit den katholischen Ostkirchen geben, um Ressentiments zu vermeiden, die die Beziehung zu den getrennten Ostkirchen erschweren könnten. Hier gab es freilich im katholisch-orthodoxen Dialog in den 1980er und 1990er Jahren Fortschritte.
So hielt die offizielle orthodox-katholische Dialogkommission 1990 in der Erklärung von Freising und 1993 im Dokument von Balamand fest, dass Proselytismus ("Abwerbung" von Gläubigen) und Uniatismus als Einheitsmodell abzulehnen seien. Zugleich wurde das Existenzrecht der katholischen Ostkirchen und das Recht auf Sorge für ihre Gläubigen anerkannt und das Verständnis der orthodoxen und der katholischen Kirche als Schwesterkirchen in apostolischer Sukzession und mit sakramentaler Fülle betont.
Wachstum der katholischen Ostkirchen
Während es beim Amtsantritt Schönborns 1995 nur eine griechisch-katholische Pfarre (St. Barbara/Wien) und zwei Seelsorgestellen für die Gesamtheit der katholischen Ostkirchen in Österreich gab, habe sich ihre Zahl und Ausstattung mittlerweile in allen Bundesländern vervielfacht, so Riedl. Unter Schönborns Verantwortung als Ordinarius für die katholischen Ostkirchen in Österreich wurde 2018 das bisherige Byzantinische Ordinariat zum Ordinariat für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich erweitert.
Ökumenische Highlights
Prof. Riedl verwies in ihrem Beitrag zudem auf einige markante Ökumene-Ereignisse in Schönborns Amtszeit: Im Rahmen eines offiziellen Besuchs von Pro Oriente in Rumänien im Jahr 2000 wurde Kardinal Schönborn das Ehrendoktorat der Universität Bukarest für seine Verdienste um die Forschung zur Theologie der östlichen Kirchenväter verliehen. Im Juni 2004 erfolgte der erste offizielle Besuch des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Wien und Graz.
Die Gründung einer Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich im Oktober 2010, die auf einen Beschluss der vierten Panorthodoxen Vorkonziliaren Konferenz in Chambésy zurückgeht, bot neue Foren der ökumenischen Verständigung auf Bundesebene. 2013 empfing Kardinal Schönborn das Oberhaupt der Koptischen Kirche Papst Tawadros II. in Wien und ernannte ihn zum Protektor von Pro Oriente.
Zahlreiche Empfänge und Besuche, Festakte und Symposien, aber auch die Fortsetzung des "Ökumenischen Tees" (begründet von Kardinal König) in Form der "Ökumenischen Empfänge" jeweils zu Jahresbeginn zeugten vom Bemühen Kardinal Schönborns um gute Beziehungen und günstige ökumenische Wetterlage, so Riedl.
Als besonderes Verdienst Schönborns stellt Prof. Riedl heraus, dass er gerade in den letzten Jahren unermüdlich dazu ermutigt und Zeichen dafür gesetzt habe, junge und ökumenisch aufgeschlossene Theologinnen und Theologen zu fördern.
Riedls persönliche Schlussbemerkung: "Seine zuversichtliche Rede von den 'Schätzen der Kirchen', die erst in der ökumenischen Zusammenschau zur vollen Entfaltung und gegenseitigen Bereicherung gelangen, und von der 'unaufgeregten Ökumene', die solide und alltagstauglich, weltgewandt und krisenerprobt ist, hat mich immer beeindruckt."
Kardinal Christoph Schönborn wird am 22. Jänner 80 Jahre alt. Andrea Riedl ist u.a. Vorstandsmitglied von Pro Oriente und Vertretungsprofessorin für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Universität Regensburg.
Quelle: kathpress