Wien: Symposion räumt mit katholisch-orthodoxer Kirchenspaltung auf
Das Jahr 1054 gilt gemeinhin als Jahr, in dem es zur Trennung zwischen der Katholischen und Orthodoxen Kirche kam. Dass dem aber wohl nicht so war, beleuchtet ein internationales Symposion am 16. und 17. Jänner in Wien. Die ökumenische Fachtagung geht aus historischer und ökumenischer Perspektive der Frage nach, was tatsächlich im Jahre 1054 passiert ist. Denn wenn in diesem Jahr zwischen den Kirchen nach aktuellen Forschungen kein "Schisma" erfolgt wäre, dann hätten die Kirchen qualitativ andere Beziehungen zueinander, heißt es dazu im Vorfeld der Tagung. Der ökumenische Dialog gewänne so eine ganz neue Ausgangsposition und hoffnungsvollere Perspektiven.
1054 war Kardinal Humbert von Silva Candida im Auftrag von Papst Leo IX. nach Konstantinopel gereist, um ein militärisches Bündnis gegen die Normannen zu schließen. Das misslang. Unglückliche Umstände führten dann aber dazu, dass er den Patriarchen Michael Kerullarios exkommunizierte. Kurz darauf folgte die Gegenexkommunikation. Das wurde in der Kirchengeschichte bisher oftmals als offizielles Datum der katholisch-orthodoxen Kirchenspaltung aufgefasst.
Die Festrede bei der Eröffnung der Tagung am Donnerstag, 16. Jänner, im Kleinen Senatssaal der Universität Wien hält Kardinal Kurt Koch, Präsident des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen. Sein Vortrag steht unter dem Motto: "Auf dem Weg zur Wiedergewinnung der Einheit in der Kirche zwischen Ost und West".
Die Tagung wird von der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistoriker Österreichs, Prof. Michaela Sohn-Kronthaler, und von Prof. Thomas Németh, Vorstand des Instituts für Historische Theologie an der Universität Wien, eröffnet und thematisch eingeleitet. Grußworte sprechen der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer, Referatsbischof für Ökumene in der Österreichischen Bischofskonferenz, der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der neue Präsident von "Pro Oriente", Botschafter Clemens Koja.
Die Fachbeiträge am Freitag, 17. Jänner, werden von Expertinnen und Experten aus der Kirchengeschichte, der Ökumenischen Theologie und der Geschichte gehalten. Der Grazer orthodoxe Theologe Prof. Grigorios Larentzakis befasst sich mit dem sogenannten Schisma von 1054 und fragt, was tatsächlich 1054 passiert ist; der Mittelalter-Experte Axel Bayer, Leiter des Stadtarchivs Wülfrath in Nordrhein-Westfalen, beleuchtet dessen Rezeption im Mittelalter. Der katholische Kirchenhistoriker und Patrologe Christian Lange von der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht die Historiografie des sogenannten "Morgenländischen Schismas".
Jennifer Wasmuth, evangelisch-lutherische Theologin und Lehrstuhlinhaberin für "Ökumenische Theologie unter besonderer Berücksichtigung des Orthodoxen Christentums und seiner globalen Wirkung in Geschichte und Gegenwart" an der Universität Göttingen, befasst sich aus evangelischer Perspektive mit dem Jahr 1054. Thomas Németh, Leiter des Instituts für Historische Theologie an der Universität Wien, spricht aus ukrainisch-griechisch-katholischer Perspektive über "Fehlende Communio und Kirchentrennung". Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät Salzburg und Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler spricht schließlich über Patriarch Athenagoras, Kardinal König und die "Aufhebung" der Anathemen von 1054.
Die Tagung schließt am Freitag mit einer gemeinsamen Schlusserklärung der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistoriker Österreichs, die im Vorfeld der Tagung ihr Jahrestreffen veranstaltet.
Die Arbeitsgemeinschaft veranstaltet die Tagung gemeinsam mit dem Fachbereich Theologie und Geschichte des christlichen Ostens des Instituts für Historische Theologie der Universität Wien und mit der Stiftung Pro Oriente. Das Symposion ist öffentlich zugänglich.
Quelle: kathpress