Scheuer zur Ukraine: Legitim, dem Aggressor Einhalt zu gebieten
Die aktuelle Entwicklung mit dem Krieg in der Ukraine hat gezeigt, "dass ein reiner Pazifismus auch naiv sein kann und nicht dazu führt, dass ein Krieg vermieden wird". Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer, der im Vorjahr das von Russland attackierte Land besuchte, in den "OÖ Nachrichten" (24. Dezember) erklärt. Von der katholischen Friedensethik her sei entscheidend, dass alles dafür getan werden muss, um Konflikte und Gewalt zu vermeiden. Als ultima ratio sei Gewalt zur Abwehr von ungerechtfertigter Gewalt aber legitim. "Das heißt nicht, dass es einen gerechten Krieg gibt, aber eine gerechtfertigte Abwehr von Gewalt", sagte Scheuer.
Was die Aufrüstung der westlichen Unterstützer der Ukraine betreffe, sollte man sich davon nicht versprechen, dass sich dadurch die Atmosphäre und die Weltlage verbessern, gab der Bischof zu bedenken. In der aktuellen Konstellation halte er den Einsatz von Waffen für eine gerechtfertigte Verteidigung: "Dem Aggressor Einhalt zu gebieten, ist ein Dienst an den Menschen und an den Menschenrechten."
Grundsätzlich halte er es aber für gefährlich, "wenn sich der Krieg in den Köpfen festsetzt". Scheuer zitierte die deutsche Literatin Christa Wolf, wonach "Krieg die Gehirne krank macht". Wohin das gesellschaftlich führt, habe man in Europa nach dem Ersten Weltkrieg gesehen. "Friedensarbeit ist daher nie naiv", betonte der Bischof.
Er sei sehr dankbar für die friedliche Entwicklung der vergangenen 80 Jahre in Europa, "das war alles andere als selbstverständlich". Es sei aber auch Wachsamkeit gefordert. "Die Schreckgespenster von Gewalt, Rassismus und Antisemitismus sind nicht einfach vergangen, und das, was gegenwärtig da und dort wieder lautstark gesagt wird, das macht mich nachdenklich und manchmal sogar ängstlich", sagte Scheuer.
Sorge über soziale Medien
Mit Sorge betrachte er die Rolle der sozialen Medien dabei. Deren Verteufelung helfe nicht, "aber die Meinung, diese Kanäle würden die Menschen freier und informierter machen, ist naiv. Wer das sagt, ist ein Dummkopf oder ein strategischer Verführer der Massen", so Scheuer wörtlich. Es steckt schon auch "etwas Dämonisches" in den sozialen Medien - "etwas, das uns durcheinander bringt und uns gegeneinander aufbringt".
Nur Kritik zu üben, ist nach den Worten des Bischofs aber nicht hilfreich: Es brauche auch positive Räume der Kommunikation. "Gegenwärtig wird leider oft so getan, als gehe es dabei nur um faktenorientiertes wissenschaftliches Wissen auf der einen und Verschwörungstheorien auf der anderen Seite." Die Wissenschaft brauche aber auch die Ethik und die Religion im Sinne der Offenheit für Transzendenz, ist der Bischof überzeugt. "Trost und Hoffnung haben eine große Bedeutung, weil Demokratie auch Haltungen und Werte voraussetzt, die man nicht mehrheitlich dekretieren kann."
Quelle: kathpress