Theologe Tück: "Jesus war Jude, kein Befreiungskämpfer"
Heftige Kritik an der vermeintlichen Schlagseite von Papst Franziskus zugunsten der Palästinenser im Krieg im Heiligen Land hat der Wiener Theologe Prof. Jan-Heiner Tück geübt. "Jesus war Jude, kein angehender Befreiungskämpfer", so Tück in einem Gastkommentar in der "Presse" (Samstag). Er erteilt darin allen Versuchen eine Absage, "Jesus zu entjuden und zu einem Befreiungskämpfer zu stilisieren". Der Theologe zeigt sich mit jüngsten Positionen, Aussagen und Gesten des Papstes höchst unzufrieden.
Gewiss sei es wichtig, mit den Opfern des Krieges Solidarität zu zeigen, so Tück: "Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung schreit zum Himmel und muss ein Ende haben." Ob die militärischen Mittel des Staates Israel verhältnismäßig sind, sei ebenfalls zu hinterfragen. Aber: "Darüber zu vergessen, welche Rolle die barbarische Attacke der Hamas für den Ausbruch des Krieges gespielt hat, wäre fatal." Die Explosion der Gewalt auf israelischem Staatsgebiet habe nicht nur die Geiseln und ihre Familien, sondern ganz Israel, ja Juden in aller Welt traumatisiert. "Das darf der Papst nicht ausblenden, wenn er Freund der Juden bleiben will", befindet Tück.
Der Wiener Dogmatiker kritisiert u.a. einmal mehr, dass Franziskus vor Kurzem in der Audienzhalle des Vatikans eine Krippe besuchte, die das Jesuskind auf einem Palästinensertuch zeigte. Der schwarz-weiße Schal, die Kufiya, sei politisch keinesfalls unschuldig. Das Jesuskind darin öffentlich zu präsentieren, wirke wie Parteinahme für die Palästinenser. Nach jüdischem Protest ist die Kufiya inzwischen entfernt worden.
Die Israel-Reserve des Papstes dürfte mit seiner Herkunft zu tun haben, mutmaßt Tück: "Die lateinamerikanische Befreiungstheologie kennt die vorrangige Option für die Armen. Die im Gazastreifen lebenden Palästinenser erscheinen so als Opfer von Unrecht und Gewalt, Israel als politische Unterdrückungsmacht." Dieses Narrativ sei allerdings zu einfach, um die komplexen Hintergründe des Konflikts abzubilden. Die PLO habe das Existenzrecht des Staates Israel von Anfang an bestritten und die Terrororganisation Hamas stelle in ihrer Charta nicht nur den Staat Israel infrage, sondern fordere unter Berufung auf einen fragwürdigen Hadith auch dazu auf, jeden Juden zu töten, so Tück.
Der Theologe verweist darauf, dass über der Krippe in der Audienzhalle im Vatikan der Schriftzug "Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade" zu lesen sei. Die Friedensbotschaft von Weihnachten könnte eine Lektion enthalten, um aus der Spirale der Gewalt hinauszufinden, so Tück: "Statt immer wieder das eigene Leid als Rechtfertigung von Gewalt anzuführen, wäre eine Blickumkehr fällig: Wenn die Hamas die jüdischen Opfer und umgekehrt die israelische Regierung die Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung beachten würde, könnte das eine Exit-Strategie eröffnen."
Johann Baptist Metz, der Begründer der neuen politischen Theologie, habe daran erinnert, dass der historische Handschlag 1993 zwischen PLO-Führer Yassir Arafat und dem israelischen Premier Yitzhak Rabin zustande gekommen ist, "weil beide bereit waren, sich vom Leiden der jeweils anderen Seite betreffen zu lassen". Tück: "Weihnachten - das Fest der Compassion Gottes mit uns - könnte für Franziskus Anstoß sein, für einen neuen Handschlag zu werben."
Quelle: kathpress