Scheuer: "Inneres Glaubensbauwerk" wichtiger als Kathedralen
Auf die am Wochenende wiedereröffnete Pariser Notre-Dame-Basilika und mögliche Parallelen zum Glaubensleben des Einzelnen Christen hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Sonntag zum kirchlichen Hochfest Mariä Empfängnis hingewiesen. Schauplatz war die Festmesse zum Patrozinium des Linzer Mariendoms, die zugleich den Schlusspunkt von dessen 100-Jahr-Jubiläum bildete. "Wir dürfen dankbar und mit Stolz feststellen, dass der Linzer Mariendom in den Herzen der Oberösterreicher einen Platz hat", stellte der Bischof bei der musikalisch von der "Missa De beata virgine" (1567) von Giovanni Pierluigi da Palestrina umrahmten Messe fest, um nachzusetzen: "Was aber ist mit dem inneren Bauwerk des Glaubens, was mit der Kirche in den Seelen der Menschen?"
Erst der Brand der Notre-Dame 2019 habe deren Bedeutung klargemacht, der weltweite Schock und die Bestürzung habe viele von "herzzerreißenden Szenen" oder einem "Stich ins Herz der Franzosen und für uns Europäer" reden lassen, erinnerte Scheuer. Der Brand einer Kathedrale sei eine "Wunde für die Seele von Menschen, aber auch für die kulturelle und religiöse Identität von Völkern, sofern es sie (noch) gibt". Andere sagten, dass die Katastrophe die Destruktion von Religion und Kultur versinnbildlicht habe und die Notre-Dame folglich "so etwas wie ein Phantomschmerz Europas" sein müsse. Dagegen spreche allerdings die Wiedererrichtung mit der soeben erfolgten Wiedereröffnung und Altarweihe.
Nicht übersehen dürfe man, dass es neben äußeren sehr wohl auch innere Zerstörungswerke gibt, so der Linzer Bischof weiter. Er erinnerte hier an den oberösterreichischen NS-Märtyrer Franz Jägerstätter (1907-1943), der in Briefen den Umgang der Nationalsozialisten mit kirchlichen Gebäuden und mit dem Glauben in den Seelen aufgegriffen hatte. Beide müssten vor Zerstörung geschützt werden. "Stillschweigende Kompromisse der Kirche mit den Nationalsozialisten, die erreichen, dass das kirchliche Leben weitergeht, sind schlechter als die Zerstörung oder Schließung der Kirchengebäude. Das listige Zerstörungswerk der Seelen ist schlimmer als das Abreißen der Kirchengebäude", so Scheuer.
Auch in Linz sei eine umfangreiche Domrenovierung in Angriff genommen worden und laufe derzeit noch, die spektakuläre Turmsanierung sei mittlerweile abgeschlossen, zog Scheuer Parallelen. Sichtbar geworden sei dabei, dass die Renovierung und Sanierung des äußeren Bauwerks von vielen Menschen in Oberösterreich und darüber hinaus mitgetragen werde. Der Dom - er ist der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht - sei "Stein, Architektur und Kunst gewordener Ausdruck des Glaubens an die Erwählung und Vollendung Mariens", so der Bischof weiter.
Das diesem Glaubensdogma gewidmete Fest am 8. Dezember weist nach Scheuers Worten darauf, "dass es noch andere Verhältnisse gibt als die bestehenden. Hass, Neid, Not, Angst, all das verliert an Gewicht". Es stehe für Erlösung - "dass es leichter wird, bei der Arbeit, beim Tragen von Lasten und Belastungen, bei all der Plagerei mit dem Herzen und mit dem Schnaufen".
Quelle: Kathpress