Notre-Dame-Wiedereröffnung
Paris hat seine Kathedrale wieder
Notre-Dame-Wiedereröffnung
Paris hat seine Kathedrale wieder
Von den vielen beeindruckenden Bildern dieses Wochenendes aus Paris bleibt sicher auch dieses in Erinnerung. Wie Erzbischof Laurent Ulrich am Samstagabend bei Regen und starkem Wind vor der riesigen Kathedrale Notre-Dame steht. Dreimal klopft er mit seinem Bischofsstab an das Hauptportal, um die Türen der weltberühmten Kirche zu öffnen, die seit dem verheerenden Brand im April 2019 verschlossen waren. Eine ebenso einfache wie eindrückliche Geste, in der vor allem eine Botschaft steckte: die Wiederkehr kirchlichen Lebens in Notre-Dame.
In Frankreich, wo Staat und Religion dem Gesetz nach getrennt sind, fließen die Ebenen an diesem Wochenende ineinander über. Wegen des schlechten Wetters hält Präsident Emmanuel Macron seine Rede in der Kirche, und nicht wie ursprünglich geplant auf dem Vorplatz. Darin bringt er den Dank der ganzen Nation zum Ausdruck an all jene, die zur Rettung und zum Wiederaufbau von Notre-Dame beigetragen haben. "Heute Abend läuten die Glocken von Notre-Dame wieder", so der Präsident. Einmal mehr ist von "Stolz" und "Freude" die Rede.
"So schön, so herrlich"
Auf den Straßen sehen sie das ähnlich, auch wenn den Einwohnern und Touristen an diesem Wochenende aufgrund der hohen Sicherheitsvorkehrungen nur die Rolle von Zaungästen bleibt. "Für mich ist das wie ein Wunder", meint eine Passantin. "Die Steine stammen aus meinem Heimatort in Nordfrankreich", erklärt sie und weiß sich auf diese Weise als ein, wenn auch kleiner Baustein der "Jahrhundertbaustelle". Die Katholikin erinnert sich noch gut, als sie fassungslos und mit Tränen in den Augen auf die TV-Bilder vom Brand blickte. Jetzt schaut sie Richtung Kathedrale. "So schön, so herrlich."
Für einen Moment scheinen die Französinnen und Franzosen eins - in politisch und gesellschaftlich herausfordernden Zeiten. Eine Regierungskrise im Innern und die Kriege und Konflikte in der Welt, das alles lässt sich auch an diesem Wochenende nicht verdrängen. Kurz vor der Eröffnung spricht Macron mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das Thema: Russlands Krieg gegen die Ukraine. "Wir alle wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich und auf gerechte Weise beendet wird", schrieb Selenskyi hinterher auf X.
Weltpolitik im Schatten der Kathedrale
Als Macron mit seiner Frau Brigitte wenig später vor Notre-Dame die Spitzenpolitiker empfängt, mutet das Shake-Hands mit Trump wie ein Armdrücken an. Selenskyi wird bei seiner Ankunft in dem Gotteshaus mit freundlichem Applaus empfangen - während der französische Präsident noch Small-Talk mit dem britischen Thronfolger Prinz William hält. Notre-Dame wird einmal mehr zur Kulisse für besondere Begegnungen.
In seiner Rede bemüht sich Macron, die Einigkeit und die Tatkraft seiner Landsleute zu beschwören. "Fraternité" - "Brüderlichkeit", eines der Schlagwörter aus der Französischen Revolution von 1789 greift auch Erzbischof Laurent Ulrich in seiner Predigt am Sonntag beim ersten Gottesdienst in der Kathedrale auf - freilich bezogen auf die weltweite Verbundenheit der Kinder Gottes.
Querverweise aller Art
Symbolische Querverweise - wer will, kann einige davon entdecken. Etwa als die beiden Brüder Renaud und Gautier Capucon am Samstagabend ein kurzes Musikstück auf Geige und Cello erklingen lassen. Das sei vergleichbar mit dem spontanen Konzert des Menschenrechtlers und Starcellisten Mstislaw Rostropowitsch an der Berliner Mauer im November 1989, raunen die Kommentatoren des TV-Senders France24.
Unterdessen will ein Journalist in der vom Elysée eingerichteten Signal-Gruppe wissen, warum wohl der Dauerpräsident der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso, in der ersten Reihe sitzt, wo unter anderen auch Trump, die Gattin von US-Präsident Joe Biden und das Ehepaar Macron Platz genommen haben. Immerhin: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender haben es in die zweite Reihe geschafft. So schlecht, wie oft beschrieben, scheint es also nicht um das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zu stehen.
Der Sonntagmorgen gehört dann ganz der Kirche. In farbenfrohen, von dem Designer Jean-Charles de Castelbajac gestalteten Gewändern zieht eine schier unübersehbare Reihe von Bischöfen in die Kirche ein. Mit der Weihe des von dem Designer Guillaume Bardet geschaffenen Altars ist symbolisch die letzte Etappe dieses Wochenendes geschafft. Ab sofort können wieder reguläre Gottesdienste in der Kathedrale gefeiert werden.
Das Ehepaar Macron ist abermals zugegen. Mehrfach hatte der Elysée im Vorfeld betont, dass der Katholik Macron nicht die Kommunion empfangen werde, weil er in seiner Eigenschaft als Präsident dem Gottesdienst beiwohne. Der kann damit offenbar ganz gut leben an diesem Tag. Er weiß: nach Francois Mitterand mit der Glaspyramide am Louvre oder Jacques Chirac mit dem Museum Quai Branly hat er sich als Präsident mit dem Wiederaufbau von Notre-Dame in der Stadt ebenfalls ein Denkmal gesetzt. Das kann ihm keiner nehmen.
Quelle: Kathpress