Paris: Notre-Dame in feierlicher Zeremonie wiedereröffnet
Die Pariser Notre-Dame-Basilika ist fünf Jahre nach dem verheerenden Brand im April 2019 und ihrem Wiederaufbau in Rekordzeit wiedereröffnet worden. Unter den Klängen der größten Glocke des Geläuts von Notre-Dame "Emmanuel" stieß der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich am Samstagabend die Pforten der Kathedrale in Paris auf. In einem symbolischen Akt klopfte er gegen 19.20 Uhr dreimal mit seinem Bischofsstab an die Tür des Hauptportals, woraufhin Sängerinnen und Sänger der Maitrise de Notre-Dame jedes Mal mit einem Psalmgesang antworteten.
An den unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen veranstalteten Eröffnungsfeierlichkeiten nahmen unter den 1.500 geladenen Gästen zahlreiche Spitzenvertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft teil. Dazu gehörten der designierte US-Präsident Donald Trump, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der britische Thronfolger Prinz William, Prinz Albert von Monaco, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola und der Unternehmer Elon Musk. Aus Österreich war Bundeskanzler Karl Nehammer angereist.
Nach dem Einzug des Erzbischofs wurde ein Film über das Feuer und den Wiederaufbau gezeigt. Unter stehenden Ovationen betraten anschließend rund 160 Feuerwehrleute, die bei der Katastrophe im Einsatz waren, die Kathedrale. Auf die illuminierte Fassade von Notre-Dame wurde das Wort "Danke" in verschiedenen Sprachen projiziert. Nach einer kurzen musikalischen Darbietung von Renaud und Gautier Capuçon auf Geige und Cello ergriff Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Wort und dankte denen, die zur Rettung und zum Wiederaufbau des weltberühmten Gotteshauses beigetragen hatten.
Macron: Kirche als Hoffnungssymbol
"Heute Abend läuten die Glocken von Notre-Dame wieder", so Macron, der in seiner Rede an die Szenen von 2019 erinnerte. Trotz der großen Schäden sei Aufgeben keine Option gewesen. "Wir haben uns für den Aufbruch entschieden." Die Kirche sei zu einem Bild geworden für das, was die Nation, was Menschen auf aller Welt leisten könnten. "Heute Abend können wir Freude und Stolz teilen", so der Präsident, der seine Rede beendete mit den Worten: "Vive Notre-Dame, vive la République, vive la France!"
Ursprünglich hatte Macron wegen der Trennung von Kirche und Staat in Frankreich diese Rede auf dem Vorplatz der Kirche halten sollen. Wegen des schlechten Wetters mit Sturmwarnung für Paris wurde auch dieser Teil der Zeremonie ins Innere der Kathedrale verlegt.
Papst-Botschaft lobt "prophetische" Wiedergeburt
Im Anschluss ging Ulrich, der seit April 2022 Erzbischof von Paris ist, zum ersten Mal zu seinem Bischofsstuhl, der Kathedra. Von dort aus dankte er ebenso wie Macron all denen, die zum Wiederaufbau von Notre-Dame beigetragen hatten. Mit Applaus bedacht wurde eine Botschaft von Papst Franziskus. Darin schreibt Franziskus: "Möge die Wiedergeburt dieser bewundernswerten Kirche ein prophetisches Zeichen des Wiederauflebens der Kirche in Frankreich darstellen."
Der Papst erinnerte ebenfalls an den Brand vor fünf Jahren, der große Teile der Kirche zerstört hatte. "Unsere Herzen schnürten sich zusammen vor der Gefahr, ein solches Meisterwerk des Glaubens und der christlichen Baukunst, einen jahrhundertealten Zeugen Ihrer nationalen Geschichte vernichtet zu sehen."
Auch das Kirchenoberhaupt dankte den Feuerwehrleuten, die die Kirche vor der Zerstörung gerettet hatten, sowie den Unterstützern in Frankreich und im Ausland, die zur Wiedererrichtung von Notre-Dame beitrugen. Deren Elan sei "nicht nur Ausdruck einer Verbundenheit zu Kunst und Geschichte, sondern noch mehr - und wie ermutigend ist das - ein Zeichen, dass der symbolische und heilige Wert eines solchen Gebäudes immer noch weithin wahrgenommen wird", schrieb er. Abschließend bat der Papst darum, dass die Kathedrale für alle Besucher weiterhin großzügig und kostenfrei zugänglich bleiben möge und den Menschen als Ort der spirituellen Erneuerung diene.
Papst Franziskus nahm selbst nicht an der Wiedereröffnung von Notre-Dame teil, sondern wurde von seinem Apostolischen Nuntius in Frankreich, Erzbischof Celestino Migliore, vertreten, der die Botschaft vorlas. Bereits im Vorfeld hatte Migliore betont, dies sei nicht als Distanzierung des römischen Pontifex zu Frankreich zu verstehen, der das Land auch heute trotz fortgeschrittener Säkularisierung als "fruchtbarer Boden für pastorale Kreativität und Heiligkeit" schätze. Bereits am 15. Dezember wird Franziskus auf die zu Frankreich gehörende Mittelmeerinsel Korsika zu einem Kongress über Volksfrömmigkeit reisen.
Nach der Verlesung der Papst-Botschaft erweckte Erzbischof Ulrich in einem "Dialog" mit der Hauptorgel das Instrument zum Leben, wie die Verantwortlichen diesen besonderen Moment im Vorfeld umschrieben. Mit 115 Registern und 8.000 Pfeifen gehört die Orgel von Notre-Dame zu den größten in Frankreich.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, der in Paris Bundespräsident Alexander Van der Bellen vertrat, bezeichnete im Interview mit der "Krone" (Sonntagsausgabe) die Notre-Dame-Wiedereröffnung als schönen Moment für Europa wie auch als starkes Symbol nach einer Krise. Der Brand 2019 habe ihn sehr getroffen, zumal er mit seiner Frau vor der Hochzeit oft in Paris gewesen sei, wobei die Kathedrale stets Mittelpunkt der Besuche war. Die Notre-Dame stehe "für das christliche Erbe Europas" und sei ein "Ort der Begegnung, des Gebets und des Nachdenkens", so Nehammer.
Inbegriff der Kathedralen
Die frühgotische Pariser Bischofskirche Notre-Dame ist ein Wahrzeichen von Paris und gilt als Inbegriff der Kathedralen Frankreichs. Die der Gottesmutter Maria geweihte Kirche liegt exponiert auf der Seine-Insel Ile de la Cite im historischen Zentrum und wurde vor dem Großbrand von 2019 jährlich von rund 12 bis 14 Millionen Menschen besucht. Der Nachfolgebau früherer Bischofskirchen wurde 1163 begonnen. Bereits 1182 war der Chor fertiggestellt, danach folgten das Hauptschiff sowie die Westfassade (1225) und die Türme (1250). Das monumentale Kircheninnere mit fünf Schiffen ist rund 130 Meter lang und 33 Meter hoch. Die beiden Türme der Fassade erreichen 69 Meter Höhe.
Wie so viele Kirchen in Frankreich erfuhr die Pariser Kathedrale während der Revolution tiefe Demütigung. Zunächst als revolutionärer "Tempel des Höchsten Wesens" entweiht, wurde sie später zum Weinlager. Erst Napoleon ordnete 1802 wieder eine Nutzung für den Gottesdienst an und krönte sich hier im Dezember 1804 in Anwesenheit von Papst Pius VII. selbst zum Französischen Kaiser. Victor Hugos Roman "Der Glöckner von Notre-Dame" (1831) machte das verfallende Gotteshaus zum Gegenstand romantischer Verklärung.
Neben der herausragenden kunsthistorischen Bedeutung des Gesamtbauwerks und einem bedeutenden Kirchenschatz verdienen auch die berühmten Chimären-Figuren auf der oberen Galerie sowie die Figurenportale Beachtung. Letztere, auch die überlebensgroßen Königsstatuen am Mittelportal, sind allerdings Neuschöpfungen, da die Originale während der Revolution zerschlagen wurden.
Im Zuge von Renovierungsarbeiten brach am 15. April 2019 auf dem Dach von Notre-Dame ein Großfeuer aus, das Dächer und Dachstuhl, Teile der Gewölbe sowie den Vierungsturm zerstörte. Präsident Macron hatte damals angekündigt, die Kirche binnen fünf Jahren wiederaufzubauen, was mit einem durch Spenden ermöglichten Aufwand von rund 700 Millionen Euro und Arbeit im Rekordtempo gelang und zu der nunmehrigen zweitägigen Wiedereröffnung führte. Der erste Gottesdienst samt Altarweihe war für Sonntagmorgen um 10.30 Uhr angesetzt.
Quelle: Kathpress