Geschichte der Heiligen Jahre: Glaubensdemonstration und Versöhnungsfeier
"Pilger der Hoffnung": Unter dieses Motto hat Papst Franziskus das Heilige Jahr 2025 gestellt, das er zu Weihnachten im Petersdom eröffnen wird. Bis ins Mittelalter reicht die Historie der Jubiläumsjahre in der katholischen Kirche, die sich vom jüdischen "Jubeljahr" (Jobelfest) ableiten. Nach der Bibel (Levitikus 25) wurde zu jedem 50. Jahr das Widderhorn (Jovel) geblasen, und es galt: "Erklärt dieses 50. Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus". Es war ein Jahr zum Schuldenerlass; verschuldetes Land ging an den ursprünglichen Besitzer zurück, Schuldsklaven sollten freikommen.
Der Blick auf die Geschichte offenbart den höchst unterschiedlichen Charakter der einzelnen Heiligen Jahre, bei denen rauschende barocke Feste im Kontrast zu nüchternen Glaubensdemonstrationen standen und Jubelfeste oder Dankfeiern mit Buß- und Sühnejahren wechselten. Manche Jahre fielen Kriegen und Unruhen zum Opfer. Von Anfang an aber galten die Heiligen Jahre als "besondere Zeiten der Kirche" zur Vertiefung des Glaubens und der Mitmenschlichkeit. Die Anfang des 14. Jahrhunderts vom Papst ursprünglich vorgesehene Zeitspanne von 100 Jahren wurde bald auf 50, dann auf 33 und schließlich auf 25 Jahre verkürzt.
Das erste Heilige Jahr rief Papst Bonifatius VIII. (1294-1303) im Jahr 1300 aus: Er griff die Endzeitstimmung zum Jahrhundertwechsel auf und gewährte "allen, die in diesem gegenwärtigen und in jedem folgenden hundertsten Jahr ehrfürchtig zu diesen Basiliken kommen, ... vollste Vergebung aller ihrer Sünden". Die Romfahrt bekam eine neue Dimension und ersetzte die Buß- und Wallfahrtsidee der gescheiterten Kreuzzüge.
Aufgrund einer Petition der Römer an Papst Clemens VI. (1342) wurde die Wartezeit auf das jeweils nächste Jubeljahr noch im selben Jahrhundert auf 50 Jahre verkürzt. Clemens ergänzte den für die Pilger vorgesehenen Besuch der Basiliken St. Peter und St. Paul um die römische Bischofskirche im Lateran. Das Heilige Jahr 1350 fand allerdings ohne den Papst statt, der im französischen Avignon residierte. Urban VI. fügte Santa Maria Maggiore zum Pilgerprogramm hinzu und legte 1389 auch fest, dass alle 33 Jahre ein Jubeljahr stattfinden solle. Das Heilige Jahr 1390 selbst war dann geprägt vom großen abendländischen Schisma. Die Resonanz war gering.
Um 1400 herrschte eine ähnliche religiöse Spannung wie 100 Jahre zuvor. Aus Südfrankreich kamen Büßer und religiöse Fanatiker. Am "Zug der Weißen" ("Bianchi") - benannt nach ihrer Kutte - sollen 120.000 Menschen teilgenommen haben. 1450 berichten Chroniken von einem großen Pilgerzuspruch, ausgelöst von der Heiligsprechung des franziskanischen Predigers Bernhardin von Siena durch Papst Nikolaus V.
Eine "Heilige Pforte" wurde im Petersdom erstmals 1500 vom umstrittenen Borgia Papst Alexander VI. geöffnet, einem Freund feierlicher Zeremonien. Er stellte neben dem Portal große Truhen für das Opfergeld auf, das zum Teil in den Taschen seines Sohnes Cesare landete. Daher verbot Clemens VII. für 1525, Opfergeld zu kassieren. Trotz der Reformation berief er ein Heiliges Jahr ein - wegen der unsicheren Lage kamen nur wenige Besucher, ähnlich 1550.
Petersdom-Rohbau und Waffenverbot
Kaum ein Heiliges Jahr war so stark von Glaubens- und Kirchenerneuerung geprägt wie das von 1575. Nach der Reformation hatte der Katholizismus mit dem Trienter Konzil wieder Tritt gefasst. Gastgeber vor dem Rohbau des neuen Petersdoms war Gregor XIII., der Papst der Kalenderreform. Eine hohe Teilnehmerzahl melden die Chronisten auch für 1600. Das nächste Heilige Jahr 1625 war überschattet vom Dreißigjährigen Krieg. Papst Urban VIII. verbot, Rom mit Waffen zu betreten. Das barocke Leben mit Festen und Schauspiel prägte dieses wie die nächsten Jubiläumsjahre.
Kein Heiliges Jahr gab es 1800. Pius VI. war von Napoleon verschleppt worden und starb 1799 im Exil. Bei der Wahl seines Nachfolgers war es für ein Heiliges Jahr zu spät. Für 1825 kündigte Leo XII. wieder ein Anno Santo an. Es fand in einem Klima der Angst vor Verschwörungen statt. Danach blieb die Heilige Pforte für 74 Jahre geschlossen. 1848 brachen Revolutionen aus; Pius IX. musste fliehen. 25 Jahre später rief der gleiche Papst, der sich nach dem Ende des Kirchenstaates 1870 als "Gefangener" im Vatikan fühlte, nur symbolisch ein Jubeljahr aus.
Für Leo XIII. Imagepolitik
"Sozial-Papst" Leo XIII. verfolgte mit dem Jubiläum von 1900 ein doppeltes Ziel: Seine "Politik der Pilgerzüge" - man reiste inzwischen per Bahn an - sollte der katholischen Welt die schwierige Lage des Papstes zeigen. Und Italiens Regierung sollte die Beliebtheit des Papstes erfahren. Das Heilige Jahr begann mit Duldung des Staates. Aber bald kamen Spannungen auf. Italienische Patrioten feierten säkulare Gegenveranstaltungen.
In einer Aufbruchstimmung mit starkem missionarischen Charakter fanden das Heilige Jahr 1925 statt. Die erste Heilig-Jahr-Statistik ermittelte für 1925 die Zahl von exakt 582.234 Pilgern.
1950 nach Weltkrieg und Faschismus und vor dem Hintergrund der Teilung Europas bestimmte Pius XII. die festliche Szene. Drei Millionen Pilger kamen. Im Zuge der Feiern verkündete der Papst das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.
Nüchterner, im Geist des Konzils, war das "Anno Santo" 1975. Die Zahl der Romfahrten erlebte mit neun Millionen Besuchern einen ersten Höhepunkt. Anliegen war die innere Erneuerung und Versöhnung der Menschen. Es war das erste Jubiläum, das auch im Fernsehen übertragen wurde.
Das "Große Jubiläum" 2000 war für Johannes Paul II. sein großes Lebensziel: Er wollte die Kirche ins Dritte Jahrtausend führen. In die Kirchengeschichte ging das historische Schuldbekenntnis ein, mit dem der Papst im Petersdom eine Vergebungsbitte für Sünden von Katholiken in der Geschichte sprach. Eines der Hauptereignisse war die Einbindung des Weltjugendtages in Rom, an dem über zwei Millionen Jugendliche teilnahmen und der bis heute eine der großen regelmäßigen Veranstaltungen der katholischen Kirche ist.
"Außerordentliche" Jubiläen
Neben den "ordentlichen" Heiligen Jahren gab es wiederholt "außerordentliche" Jubiläen: etwa 1566, um Schutz vor den Osmanen zu erbitten, 1605 zum Amtstritt von Papst Paul V. oder auch 1933, 1.900 Jahre nach Christi Auferstehung. 50 Jahre später berief Johannes Paul II. 1983 ein außerordentliches "Heiliges Jahr der Erlösung" ein.
Auch das "Jubiläum der Barmherzigkeit", das Papst Franziskus am 8. Dezember 2015 eröffnete, war ein "außerordentliches" Heiliges Jahr zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Erstmals - und vielleicht auch einmalig - gab es Heilige Pforten nicht nur in den vatikanischen Basiliken: "Pforten der Barmherzigkeit" wurde auf Bitte des Papstes in Kathedralen, Heiligtümern, Krankenhäusern und Gefängnissen in aller der Welt geöffnet.
Quelle: kathpress