Großmufti von Sarajevo besucht Wiener Pfarre
Im Zeichen des christlich-islamischen Dialogs ist ein außergewöhnlicher Besuch in der Wiener Pfarre Hildegard Burjan gestanden, von dem die Erzdiözese Wien am Mittwoch berichtet hat: Der Großmufti (Reisu-l-ulema) von Bosnien und Herzegowina, Husein Kavazovic, wurde im Auftrag von Kardinal Christoph Schönborn im Pfarrhaus Rudolfsheim von seinem langjährigen Islam-Beauftragten, Pfarrer Martin Rupprecht, empfangen.
In Rupprechts Pfarre haben der Dialog und die enge Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft in Bosnien lange Tradition, hieß es. Seit Jahren pflegen beide Seiten intensive Kontakte, die sich in konkreten Projekten widerspiegeln. Besonders das Pfarrnetzwerk Asyl, ein Zusammenschluss, der sich für Flüchtlinge engagiert, hat mit Moscheegemeinden in Bosnien beeindruckende Arbeit geleistet und unter anderem einen interreligiösen Friedhof an der serbisch-bosnischen Grenze für dort verstorbene Geflüchtete errichtet.
Im vergangenen Oktober hatte Pfarrer Rupprecht, als Teil der Delegation des staatlichen Kultusamtes, in Sarajevo an der Eröffnung der Ausstellung "Islam in Bosnien" teilgenommen. Dort kam es zu ersten Gesprächen mit Großmufti Kavazovic über zentrale Themen wie die Flüchtlingssituation, den gesellschaftlichen Umbruch in Europa, den gemeinsamen Kampf gegen Extremismus und die Ausbildung von Geistlichen.
Schon vor Jahren hatte Pfarrer Rupprecht den Vorgänger des aktuellen Großmuftis, Mustafa Ceric, empfangen und im Auftrag der Familie Habsburg ein jüdisch-christlich-muslimisches Totengebet für Otto Habsburg organisiert. Die Tradition zu diesem Gebet reicht bis ins Jahr 1910 zurück, als der damalige Großmufti aus Anlass des 80. Geburtstags von Kaiser Franz Joseph ein Gebet sprach - worauf auch der aktuelle Amtsinhaber Kavazovic beim nunmehrigen Besuch verwies.
Demokratie, Menschenrechte und Pluralismus
Eigentlicher Anlass des Wien-Besuchs von Kavazovic war die Unterzeichnung eines "Memorandums of Understanding" mit dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural. Mehr internationale Kooperation bei der Förderung der Imam-Ausbildung und Seelsorge in Österreich wurde darin vereinbart. Am Montag nahm der Großmufti zudem an einer Fachtagung teil, die sich mit Grundlagen einer fundierten, auch auf Erfordernisse der pluralen Gesellschaft eingehenden Imame-Ausbildung in Österreich beschäftigte.
Der Großmufti hatte bei der Tagung das Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten und europäischem Pluralismus der von ihm angeführten Islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina hervorgehoben. Die von der als flexibel geltenden hanafitischen Rechtsschule und dem Sufitum (Tasawwuf) geprägte Gemeinschaft behielt in der langen osmanischen Herrschaft und auch in der Habsburger-Zeit ab Ende des 19. Jahrhunderts und später im jugoslawischen Staat ihre religiöse und kulturelle Identität bei und bekennt sich seit der Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina trotz der traumatischen Erfahrungen von Krieg und Genozid zu Demokratie, Menschenrechten und europäischem Pluralismus, so Kavazovic in seinem Vortrag.
Bosniens Muslime legten laut Kavazovic großen Wert auf Dialog mit anderen Religionen und Kulturen, auf Zusammenarbeit mit anderen muslimischen Gemeinschaften in Europa und auch auf die Weitergabe ihrer Erfahrung als größte autochthone, traditionelle und autonome muslimische Gemeinschaft in Europa. Sie sähen sich zudem als "Brücke zwischen islamischer und europäischer Zivilisation" und als Modell, wie religiöse Werte mit modernen Errungenschaften verbunden werden können.
Quelle: kathpress