Betriebsseelsorgerin: Schockstarre nach KTM-Insolvenz
Unsicherheit, Wut und Bestürzung: Von diesen Emotionen berichtet die Betriebsseelsorgerin Susanne Lew vom Treffpunkt "mensch & arbeit Braunau" der Diözese Linz, nachdem der Motorradhersteller KTM am Freitag einen Insolvenzantrag beim Landesgericht Ried eingebracht hat. Rund 3.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind von der Zahlungsunfähigkeit betroffen. Die Kirche bietet den Betroffenen nun praktische Unterstützung. Der Treffpunkt "mensch & arbeit Braunau" kooperiert u. a. mit der Caritas der Diözese Linz und bietet aktuell spezielle Kriseninformation. Neben Seelsorgegesprächen und Workshops wird in den Pfarren über zusätzliche Hilfsmaßnahmen beraten. Auch die Gewerkschaft und Arbeiterkammer stehen für Beratungen zur Verfügung.
Das ausgebliebene Novembergehalt inklusive Weihnachtsgeld habe vor allem junge Familien und Alleinerziehende in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, schilderte Lew in der Kirchenzeitung der Diözese Linz (Ausgabe 49/2024). Hinzu komme der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Insolvenz: "Jetzt kommt Weihnachten. Und man startet mit so einer Situation ins neue Jahr - und weiß nicht, wie es persönlich weitergeht."
"Die Leute können es kaum glauben. KTM hat sich immer als Gewinnermarke präsentiert, und jetzt: Insolvenz", so die Seelsorgerin über die Stimmung. Besonders die Unsicherheit, wer künftig gekündigt wird, belaste die Betroffenen. Ein anonym bleibender Mitarbeiter äußerte, dass vor allem Leasingkräfte und junge Familien schwer betroffen seien.
"Uns ist es nicht egal, wie es jeder und jedem Einzelnen geht", betonte die Betriebsseelsorgerin. Für die Betroffenen gehe es nun um die gesamte Lebensplanung. "Existenzängste können wir den Menschen nicht nehmen. Aber ein Gespräch hilft, sich zu sortieren und im Kopf klar zu werden, um zu überlegen, was die nächsten Schritte sein können. Und manchmal geht es einfach darum, für die Menschen da zu sein und zuzuhören."
Kirche fordert gerechtes Wirtschaften
Tief besorgt zeigte sich auch Propst Leon Sireisky, Pfarrer von Mattighofen - dem KTM-Standort: "Es tut einfach weh. Es ist eine echte Katastrophe für die Stadt Mattighofen und das gesamte Umland. Ich hoffe, dass es nicht noch schlimmer kommt - zu einem völligen Zusammenbruch."
Die Diözese Linz fordert in der Kirchenzeitung überdies eine Reflexion über die Wirtschaftsstruktur. Michaela Pröstler-Zopf, Leiterin des Fachbereichs Arbeitswelten, kritisierte etwa die zunehmende Ungleichheit durch das aktuelle Wirtschaftssystem: "Während der Reichtum Einzelner weiterhin steigt, werden flächendeckend Betriebe geschlossen und umstrukturiert. Das betrifft nicht nur die Fahrzeugindustrie; auch im Handel und in anderen Branchen sehen wir große Turbulenzen."
Die Aufgabe von Kirche und Betriebsseelsorge sieht Pröstler-Zopf nun in der Unterstützung von Betroffenen, "so gut es geht". Außerdem müsse die Kirche die Frage der Gerechtigkeit wieder verstärkt in den Blick rücken, so die Arbeitswelten-Leiterin. Der Treffpunkt "mensch & arbeit" wird von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern der Betriebsseelsorge sowie durch die "Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung" (KAB) unterstützt.
Die KTM AG, die zu 100 Prozent der Pierer Mobility AG gehört, meldete am 29. November Insolvenz an. Die Verschuldung beläuft sich auf mehrere Milliarden Euro. Das eigenständige Unternehmen KTM Fahrrad GmbH ist nicht betroffen. Rund 3.600 Beschäftigte sind von der KTM-Pleite betroffen. Bis Mittwoch sind Betriebsversammlungen bei den drei betroffenen Firmen KTM AG, KTM Components GmbH und KTM F&E GmbH in Mattighofen, Munderfing und Schalchen angesetzt.
Quelle: kathpress