Zulehner: Kirchenentwicklung in Österreich braucht visionäre Ansätze
Der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner ermutigt die österreichischen Diözesen, in den sogenannten Kirchenentwicklungsprozessen visionäre Ansätze zu verfolgen. Konkret bedeute dies "einen Wandel vom Dienstleistungsbetrieb zur Gemeinschaft des Evangeliums, die gute Dienste an Menschen leistet", so der Theologe im Interview mit der "Kleinen Zeitung" (29. November).
Als zukunftsweisend bezeichnete Zulehner die Stärkung von ehrenamtlichen Frauen und Männern, etwa durch die Beauftragung von Begräbnisleiterinnen und -leitern und Ständigen Lektorinnen und Lektoren. Dies könne eine Grundlage für lokale Priesterteams schaffen, wie sie etwa der südafrikanische Bischof Fritz Lobinger vorgeschlagen habe: "Die Ausbildung, Ernennung und möglicherweise Segnung von Laien für kirchliche Aufgaben sehe ich als wichtigen Schritt in die richtige Richtung", so Zulehner.
Der Theologe warnte vor der Schließung von Pfarren: "Aus Umfragen wissen wir, dass die Auflösung Kirchengemeinden demütigt. Und das ist keine gute Energie, die man für eine positive Entwicklung braucht." Stattdessen solle die Kirche verstärkt auf den Erhalt lokaler Strukturen und die Integration ehrenamtlicher Mitarbeit setzen.
Österreichweit laufen aktuell etwa in den Diözesen Gurk-Klagenfurt, Graz-Seckau und Linz Kirchenentwicklungsprozesse, die Erzdiözese Wien setzt auf den diözesanen Entwicklungsprozess "APG2.1". Die unterschiedlichen Wege der österreichischen Diözesen im Umgang mit kirchlichen Herausforderungen bezeichnete Zulehner zwar als Chance, kritisierte jedoch das fehlende Lernen voneinander: "Erstaunlicherweise gehen alle Diözesen in Österreich eigene Wege und schauen nicht, was es von anderen Gutes zu lernen gebe." Positiv bewertete er die Ansätze in den Diözesen Linz und Gurk-Klagenfurt, die in der Evaluation von Strukturreformen gut abgeschnitten hätten.
Frauen in der Kirche: Zugang zur Priesterweihe gefordert
Zur Debatte über Frauen in kirchlichen Ämtern äußerte sich Zulehner kritisch gegenüber aktuellen Entwicklungen. Rom habe die Tür zum Diakonat der Frau "gerade zugemacht", doch sei "das letzte Wort nicht gesprochen". Zulehner erklärte, er teile nicht den Wunsch vieler Frauen, Diakonin zu werden, denn "das könnte dazu führen, dass wir für die nächsten 500 Jahre die unterste Stufe mit Frauen besetzen und die darüberliegenden Stufen für Priester und Bischöfe mit Männern besetzt bleiben." Frauen sollten stattdessen den Zugang zur Priesterweihe fordern, um echte Gleichberechtigung zu erreichen. Zulehner wörtlich: "Frauen sollten den Zugang zur Ordination wollen."
Kirchenentwicklung in Kärnten
Den Kirchenentwicklungsprozess der Diözese Gurk-Klagenfurt nannte Zulehner "sehr gut" und "visionär". Die synodale Ausrichtung und die Gespräche mit Verantwortlichen in der Ortskirche seien zentral. Besonders hob er hervor, dass keine Pfarrgemeinden aufgelöst werden. "Im Gegensatz zu anderen Diözesen macht das Gurk-Klagenfurt nicht und ist damit gut beraten."
Der Prozess versuche nicht nur den Mangel an Priestern, Geld und Gläubigen zu verwalten, sondern auch den "Übergang in die Zukunft, wie das Evangelium in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ins Land hineingesungen werden kann".
Zulehner lehrte von 1984 bis 2009 in Wien am weltweit ältesten Lehrstuhl für Pastoraltheologie, der 1774 unter Kaiserin Maria Theresia zur Ausbildung der staatlichen Religionsdiener gegründet worden war. Er wurde im Rahmen der Festveranstaltung "250 Jahre Pastoraltheologie in Wien" am Montagabend für seine Tätigkeit als langjähriger Vorstand geehrt.
Quelle: kathpress