Katholische Sozialakademie zeigt Demokratie-Defizite auf
Auf Entwicklungen, die die demokratische Kultur und Stabilität in Österreich beschädigen, hat die Katholische Sozialakademie (ksoe) in einem Blogeintrag aufmerksam gemacht. Als Problemfelder nennt Autor Johannes Webhofer die wachsende soziale Ungleichheit und die durch ein "restriktivstes Staatsbürgerschaftsgesetz" und durch ökonomische Schwäche eingeschränkte politische Teilhabe. Hinzu komme eine Mediennutzung, die populistische Simplifizierung begünstigt. Gefordert sei "ein Umdenken auf vielen Ebenen und ein klares Bekenntnis zur Stärkung der demokratischen Kultur in allen Bevölkerungsgruppen - insbesondere seitens der politischen Parteien", so der wissenschaftliche Mitarbeiter der ksoe.
"Soziale Ungleichheit ist ein wachsendes Problem in vielen modernen Demokratien und hat weitreichende Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und Stabilität demokratischer Systeme." Dies zeigt Webhofer zunächst am Beispiel der jüngsten Nationalratswahl auf: Die danach kolportierte Schlagzeile "Österreich hat gewählt" sei angesichts der von der Statistik Austria vorgelegten Zahlen fragwürdig. Den 6,34 Millionen Stimmberechtigten, stehe die wachsende Zahl von zuletzt 1,4 Millionen in Österreich lebenden Menschen gegenüber, die aufgrund fehlender Staatsbürgerschaft nicht an der Wahl teilnehmen durften. Und das, obwohl die meisten von ihnen hier einer Beschäftigung nachgehen und entsprechend Abgaben entrichten würden.
Diese 18 Prozent der erwachsenen Wohnbevölkerung waren laut Statistik eine gleich große Gruppe wie die Nichtwählerinnen und -wähler sowie die Wählerschaft der FPÖ, die aus der NR-Wahl als stimmenstärkste Partei hervorging.
Zu hohe Hürden für Staatsbürgerschaft
Webhofer beklagte, dass viele an den Hürden zum Erwerb der Staatsbürgerschaft scheitern, "sei es aufgrund der finanziellen Anforderungen oder des Fehlens einer Option zur Doppelstaatsbürgerschaft". Österreich habe im europäischen Vergleich "eines der restriktivsten Staatsbürgerschaftsgesetze". Wer Österreicher/Österreicherin werden möchte, benötige als alleinstehende Person ein Nettoeinkommen von etwa 2.000 Euro - was nur die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmer:innen verdiene. Diese ökonomischen Voraussetzungen erwiesen sich für zahlreiche Betroffene somit als kaum erfüllbar, so der ksoe-Experte: "Dies führt zu einem wachsenden demokratiepolitischen Defizit, da eine wachsende Zahl der hier lebenden Menschen von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen bleibt." Ihre "Ausgrenzung" widerspreche dem Ideal einer inklusiven Demokratie und untergrabe langfristig den sozialen Zusammenhalt, warnte Webhofer.
Demokratische Kultur verlange aber auch Augenmerk auf sozioökonomische Faktoren wie formale Bildung, wirtschaftliche Sicherheit und subjektive gesellschaftliche Selbstverortung. Webhofer verwies auf eine Studie über Wien und politische Teilhabe in Stadtteilen, für die Berufe mit geringem Ansehen, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittliche Einkommen charakteristisch seien. Dort liege die Wahlbeteiligung erheblich unter dem gesamtstädtischen Durchschnitt, es gebe auch weniger Mitarbeit in politischen Parteien oder Bürgerinitiativen, Teilnahme an Demonstrationen, Sammeln von Unterschriften für politische Anliegen oder aktive Beteiligung an politischen Diskussionen. Webhofer sprach von einem Muster: "Menschen mit höherer formaler Bildung und solidem finanziellem Hintergrund engagieren sich deutlich aktiver und gestalten somit die politische Landschaft maßgeblich mit." Sozial schwächere Bevölkerungsgruppen fänden weniger Gehör.
Populistische Kommunikation
Zuletzt beleuchtete der Politikwissenschaftler in Diensten der ksoe die politische Öffentlichkeit bzw. Kommunikation. Das Internet biete dafür zwar Vorteile, "schafft aber auch demokratiegefährdende Räume". Webhofer nannte verschwörungstheoretische Foren, algorithmische Social-Media-Kanäle, die Filter-Blasen fördern, oder Influencer-Kanäle, die ungenügend reflektierte politische Inhalte verbreiten. Laut dem Digitalen News Report 2024 gilt für Österreich, dass hochwertige politische Berichterstattung oft an sozial schwächeren Gruppen vorbeigeht: Populistische Kommunikation mit ihrer Tendenz, komplexe Themen auf simple Lösungsansätze zu reduzieren und dabei häufig Sündenböcke zu präsentieren, finde dort leichter Gehör.
Diese Strategie habe problematische Folgen, wies Webhofer hin: "Sie fördert nicht nur die gesellschaftliche Polarisierung, sondern nährt auch die Neigung, bestimmte Gruppen - oft Ausländer:innen - pauschal für diverse Probleme verantwortlich zu machen." Fazit im ksoe-Blog: Nur durch eine aktive Bekämpfung sozialer Ungleichheit und die Förderung inklusiver politischer Prozesse könne die langfristige Stabilität und Legitimität demokratischer Systeme gesichert werden. (Link: www.ksoe.at)
Quelle: kathpress