"Emmaus"-Gründer Rottenschlager: Jeder verdient zweite Chance
"Der Traum von Emmaus" lautet der Titel eines jetzt erschienenen Buches über den Gründer der Emmaus-Gemeinschaft, Karl Rottenschlager, der sich seit Jahrzehnten für die Resozialisierung von Haftentlassenen einsetzt. In einem Doppelinterview von "Kirche bunt" mit dem Theologen und früheren Sozialarbeiter in der Justizanstalt Stein und mit Buchautor Karl Vogd erläuterte Rottenschlager seine christliche Motivation für sein Engagement, das 1982 im "Scherbenviertel" von St. Pölten begann: "Das Wichtigste war und ist, dass jeder Mensch bei Emmaus die Erfahrung macht: Ich werde geliebt!" Ein Kripo-Chef habe ihm einmal gesagt: "Ah, Sie sind der, der jedem eine zweite, dritte oder vierte Chance gibt." Das sei die schönste Definition für Emmaus, sagte Rottenschlager.
Die Biografie beschreibt den Werdegang des heute 77-Jährigen, der bei seiner Sozialarbeit in der Justizanstalt erkannte, wie schwierig ein Neustart für Haftentlassene ist. Die Emmaus-Gemeinschaft umfasst mittlerweile vier Wohnheime, drei Notschlafstellen, zwei Tageszentren und vier Betriebe, die den Einstieg in den Berufsalltag erleichtern sollen. Rottenschlager ist zudem Gründer des Sozialmarktes in St. Pölten für Personen mit geringem Einkommen.
Ihm sei es immer darum gegangen, jeden Menschen "radikal anzunehmen", sagte er im "Kirche bunt"-Interview. Seine christliche Überzeugung dahinter: "Du bist von Ewigkeit her geliebt, um selber grenzenlos lieben zu können." Leicht sei ihm das keineswegs immer gefallen, gab Rottenschlager zu: Unter seiner Klientel gebe es Fehlverhalten, "wo man sagt: So geht das nicht!" "Auf gut Wienerisch geht dir jeder zweite oder dritte auf den Zaga." Zugrunde liege eine oft katastrophale Prägung, "die meisten waren als Kinder im Heim, viele lebten auf der Straße, waren spiel- und/oder drogensüchtig, landeten im Gefängnis." Orte, an denen destruktive Verhaltensmuster einstudiert worden seien.
Angenommensein wird nachgeholt
Bei Emmaus Alternativen zu trainieren koste viel Kraft, berichtete Rottenschlager. "Hier gelten Regeln, dazu gehört, dass man arbeits- und therapiewillig ist und dass man auf jede Art von Gewalt, aber auch auf Drogen oder Alkohol verzichtet." Großen Wert werde auch auf "das versöhnte Miteinander von Nationen, Kulturen und Religionen" gelegt. Seit es Emmaus gibt, seien in deren Einrichtungen mehr als 15.000 Menschen aus 65 Nationen gewesen. Jeder von ihnen wisse, dass seine Taten nicht gutgeheißen werden, aber "er als Mensch geliebt und angenommen ist". Dieses Angenommensein wie in einer intakten Familie werde in den Emmaus-Einrichtungen nachgeholt, so Rottenschlager, "viele unserer Bewohner erleben das bei uns zum ersten Mal".
Buchautor Karl Vogd ist pensionierter Deutsch- und Geschichte-Lehrer, der immer wieder auch journalistisch tätig ist - u.a. mit Artikeln über Emmaus. Er habe Karl Rottenschlager bereits als Teenager kennengelernt, als dieser in seiner Herzogenburger Jugendgruppe von seiner Arbeit in der Justizanstalt berichtete. "Er hat mich tief beeindruckt", so Vogd. Er nannte Rottenschlager einen "pragmatischen Visionär": "Mich haben auch seine Geschicklichkeit und die Hartnäckigkeit beeindruckt, mit der er seine Visionen vorantreibt."
Strafvollzug sollte mehr Thema sein
Als Vogd Rottenschlager auf das Buchprojekt ansprach, sei dieser "zuerst nicht so begeistert davon" gewesen, denn er sei "gegen jeden Personenkult". Dann aber dachte sich Rottenschlager: "Wenn es der Sache dient und wenn das Buch dazu beiträgt, zu verstehen, warum es Emmaus braucht, dann stimme ich zu." Über Strafvollzug und Resozialisierung werde in Österreich viel zu wenig gesprochen. "Die Einstellung der Bevölkerung war - und ist auch zum Teil heute noch so - dass es Vorurteile gegen haftentlassene Menschen gibt", berichtete Rottenschlager. Mehrfach habe er bei der Standortsuche für Emmaus gehört: "Eine tolle Sache, aber bitte nicht bei uns."
"Der Traum von Emmaus - ein Leben für haftentlassene und benachteiligte Menschen" von Karl Vogd erschien im Tyrolia Verlag, umfasst 216 Seiten und kostet 19,99 Euro. "Kirche bunt" verlost zwei Exemplare nach Einsendungen mit Buchtitel sowie Namen und Adresse des Interessierten. ("Kirche bunt", Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten, Mail gewinnspiel@kirchebunt.at)
Quelle: kathpress