Zulehner: Unausweichlichen Umbau der Kirche mit Mut gestalten
Der Umbau der Kirche ist unausweichlich. Also sollte er mit Mut in Angriff genommen werden. Dafür hat einmal mehr der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner plädiert. Im Interview mit dem Kärntner "Sonntag" (aktuelle Ausgabe), spricht Zulehner von einer Kirche, "die nicht mehr klerikal, sondern synodal sein wird, die sich nicht mehr von der Priesterweihe her entwirft, sondern von der Taufe her. Die sich von den vielen Menschen her versteht, die ihre Berufung von Gott annehmen und sich bereit erklären, sich in die Bewegung Jesu, seine Reich-Gottes-Bewegung, mit Zeit, Fantasie und Energie einzubringen."
Diese Kirchengestalt wachse gerade "vor unseren Augen". Er sei auch in der Priesterfrage nicht pessimistisch, so der Theologe: "Aus gläubigen Gemeinschaften des Evangeliums können einem Bischof erfahrene Menschen vorgeschlagen werden, die zu Priestern geweiht werden, damit die Hauptquelle der Kirche, die Feier der Eucharistie, nicht auf der Strecke bleibt."
Es gebe noch teils eine Übererwartung der Getauften an die Priester. "Das überrascht nicht, weil ihnen jahrhundertelang beigebracht worden ist, dass ein Ordinierter sie versorgt." Zulehner spricht in diesem Zusammenhang von einem "Erwartungsklerikalismus", der sich aber nicht nur auf die ordinierten Priester richte, sondern in ähnlicher Weise auch auf die Hauptamtlichen in der Kirche. "Eine solche Kirche ist bequem, weil man versorgt ist. Aber sie ist im Auslaufen", so der Pastoraltheologe: "Wir werden das nicht mehr lange weiterführen können. Die Dienstleistungskirche geht zu Ende, es kommt eine Kirche, die gute Dienste leistet."
Dabei werde es darauf ankommen, "dass viele Menschen, die eine Berufung und eine Begabung haben, diese akzeptieren und bereit sind, sie synodal, also im Hören aufeinander, in gemeinsamer Arbeit und im kreativen pastoralen Team, einzubringen". Anders ausgedrückt: "Wir nähern uns wieder diesem biblischen Normalfall." Die Kirchengemeinde der Zukunft werde kein priesterlicher Sologesang mehr sein, sondern ein "orchestrierter Chorgesang".
Er rate den Gemeinden, nicht nur um Priesterberufungen, sondern um Kirchenberufungen zu beten "und Menschen anzureden, ob sie eine Berufung spüren, an einem der Projekte unserer kirchlichen Gemeinschaften inmitten der Welt von heute mitzuwirken". Sei es in der Friedensarbeit, beim Einsatz für die Mitwelt, in der Sorge um Migranten oder an der Seite der Armen. Zulehner: "Ermuntern wir junge Menschen zu prüfen, ob Gott sie braucht. Ich beobachte, dass sie mitmachen, wenn sie herausgefordert werden und man ihnen Verantwortung gibt."
Zusätzlich rate er, "nicht mehr von 100 Prozent herunterzurechnen: Rechnen Sie von null Prozent hinauf." Er sei fest überzeugt, "dass Gott kein Zyniker ist, sondern dass er uns genauso viele und diejenigen Berufungen gibt, die wir jetzt und heute als Kirche in unserer taumelnden Welt brauchen. Wir müssten so etwas sein wie pastorale Trüffelschweine, die diese wunderbar duftenden Pilze finden - es gibt sie."
Quelle: kathpress