Missionar: Versorgungskrise in Kuba spitzt sich zu
Von einer weiteren Verschlimmerung der bereits jetzt massiven Nahrungsmittel- und Gesundheitskrise auf Kuba berichtet ein auf der Karibikinsel tätiger Missionar. Seit 2021, als die schlechte Versorgungslage große Sozialproteste ausgelöst hatte, habe sich die Situation weiter zugespitzt und sei aktuell durch die hohe Inflation sowie durch Naturkatastrophen und Kraftwerksschäden verschlimmert, schilderte der aus Belgien stammende Priester Sebastian Dumont, der derzeit in Österreich und der Schweiz um Unterstützung für die Sozial- und Pastoralprojekte seiner Ordensgemeinschaft "Missionare Diener der Armen" wirbt, am Donnerstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress.
In den vergangenen Wochen war Kuba von einer Serie von Naturkatastrophen erschüttert worden. Am 10. November erlebte der Osten der Insel ein Erdbeben der Stärke 6,8, vier Tage nachdem ein Hurrikan der Stärke 3 auf die Insel getroffen hatte und die Evakuierung von über 280.000 Menschen erforderlich machte. Ein weiterer Hurrikan hatte bereits Ende Oktober sechs Menschenleben gefordert. In Summe wurden fast 15.500 Häuser und 37.500 Hektar Ackerland zerstört, 180 Gesundheitseinrichtungen in drei Provinzen erlitten schwere Schäden und es gab landesweite Stromausfälle infolge des Zusammenbruchs eines Kraftwerkes.
Zu kleine Rationen
Auch abgesehen von den Katastrophen ist der Alltag in Kuba denkbar schwierig, schilderte P. Dumont im Interview. Am meisten beeinträchtige derzeit die begrenzte Lebensmittelzuteilung - die sogenannte "Cuota" - den Alltag. Der Normalpreis in Geschäften sei angesichts von Monatsgehältern von 15 bis 40 US-Dollar kaum leistbar, weshalb die Versorgung vor allem von den vom Staat zu vergünstigten Preisen bereitgestellten Grundnahrungsmitteln abhängt. Die zugeteilten Rationen würden jedoch den Bedarf nicht decken und immer weiter schrumpfen, so der Missionspriester. "Zum Beispiel liegt die Reiszuteilung aktuell bei eineinhalb bis zwei Kilo pro Monat pro Person, Zucker ist nur unregelmäßig erhältlich, und Bohnen, einst eine Grundnahrung, werden kaum noch verteilt."
Die kubanische Bevölkerung ergänze ihre Ernährung über den Schwarzmarkt, auf dem sich die Preise jedoch drastisch erhöht hätten. Dabei sei es für Familien mit kleinen Kindern, Schulkindern oder älteren Menschen oft schwer, eine ausreichende Ernährung zu gewährleisten. "Viele Eltern opfern ihre eigene Nahrung und essen oft nur einmal täglich, damit die Kinder genug bekommen", berichtete P. Dumont, der selbst in den bisher zwei Jahren seines Einsatzes um zehn Kilogramm abgenommen hat. Auch ältere Menschen, die eine spezielle Diät benötigen, litten stark unter dieser Situation.
Ohne Strom kein Schlaf
Ähnlich eingeschränkt ist der Zugang zu Benzin: Diesen bekämen nur noch Staatsbetriebe und bestimmte öffentliche Einrichtungen regelmäßig, während die Bevölkerung oft stundenlang auf eine Möglichkeit zur Fahrt zur Arbeit oder zu wichtigen Besorgungen warten müsse, sagte der Ordensmann. Extrem schwer zu bekommen seien auch Medikamente: Apotheken bekämen Lieferungen oft nur von wenigen Packungen, die an die ersten in Warteschlangen Wartenden weitergegeben werde. "Alle anderen müssen auf den Schwarzmarkt ausweichen, wo über WhatsApp Medikamente zu überhöhten Preisen angeboten und Übergaben an geheimen Orten vereinbart werden."
Zum Alltag gehören auf Kuba auch Stromausfälle, die sich in den letzten Monaten verschärft haben: "Gab es solche Ausfälle früher vier bis sechs Stunden täglich, waren zuletzt wiederholt der Großteil des Landes und auch die Hauptstadt Havanna mehrere Tage lang durchgehend ohne Strom", so P. Dumont. Grund dafür seien eine marode Infrastruktur und unzureichende Reparaturen der Kraftwerke. Die Folgen der Blackouts seien schwerwiegend: "Handys und Kühlschränke fallen aus, verderbliche Lebensmittel verrotten schnell, und die hohen Temperaturen machen den Alltag unerträglich." Angesichts der ständigen Hitze finde man ohne Ventilatoren kaum Schlaf und könnte dann den Alltag nicht bewältigen.
Wachsende Offenheit
Das Überleben gelinge vielen Menschen durch Geldzusendungen von Verwandten im Ausland, berichtete Dumont. Schätzungen zufolge haben mehr als eine halbe Million Kubaner seit 2021 das Land verlassen. Wichtig sei auch der eigene Anbau im Garten, viele versuchten sich auch durch Verkauf durch Obst, handwerkliche Tätigkeiten wie Reparaturarbeiten zusätzliche Einkünfte zu sichern. Auch die Kirche versucht mit ihren wenigen verfügbaren Möglichkeiten zu helfen, "wir beschaffen im Ausland Medikamente und geben sie kostenlos an Patienten, die dafür ein Arztrezept besitzen", schilderte der Priester, der in seiner Missionsstation Yuca, Tomaten und Avocados anbaut, um sie Bedürftigen weiterzugeben. Auch nach Sonntagsmessen werden Reis und Bohnen, zuvor am Schwarzmarkt gekauft, verteilt.
Gefordert sehen sich die in Kuba tätigen katholischen Priester - deren Zahl in P. Sebastians Diözese Cienfuegos vom Regime auf 15 beschränkt ist - jedoch vor allem in spiritueller Weise. Der christliche Glaube und die Sakramente seien für viele Menschen eine "Quelle der Hoffnung", habe es in Kuba doch nach Zeiten der Repression und staatlich verordnetem Atheismus seit dem Besuch von Papst Johannes Paul II. 1998 einen Wandel zu mehr Toleranz und Dialog seitens der Behörden gegeben. "Jetzt gibt es eine wachsende Offenheit und viele, die sich taufen lassen möchten. Die Angst der Menschen schwindet, sich auch öffentlich als Katholiken zu bekennen", berichtete Dumont. Daneben seien im Kult der "Santeria" immer noch Elemente der Naturreligionen und Hexerei weit verbreitet, auch Sekten und evangelikale Gemeinschaften verfolgen eine teils aggressive Missionsstrategie.
Teilen trotz Armut
Als seine eigene "Mission" bezeichnete es der Geistliche, der regelmäßig in Europa von seinem Einsatz berichtet, "Brücken zwischen den reichen und den armen Teilen der Welt zu bauen". In Kuba und anderen von großer Armut betroffenen Ländern herrsche große materielle Not, "gleichzeitig aber viel menschlicher Reichtum, sichtbar in beeindruckender Solidarität der Menschen untereinander und außergewöhnlicher Gastfreundschaft. Man teilt miteinander, auch wenn man selbst kaum etwas besitzt." Diese Offenheit könnte eine Bereicherung für Europa sein, wo man oft eine "Entfremdung durch individuellen Konkurrenzdruck" verspüre, so P. Dumont. (Infos: www.msptm.com/de, Spenden: Verein Missionare Diener der Armen, Hypo-Bank Landeck, IBAN: AT82 5700 0001 8003 8400)
Quelle: kathpress