Wien: Positive Erfahrungen mit Kooperation im Religionsunterricht
Die Chancen und Grenzen der Zusammenarbeit der verschiedenen Religionen beim schulischen Religionsunterricht waren Thema einer Enquete, die am Montagnachmittag im Wiener Rathaus stattgefunden hat. Kooperative Modelle sorgten für mehr Wissen voneinander, stärkten Toleranz, Respekt und Wertschätzung des anderen und wirkten Vorurteilen und Stereotypen entgegen, hieß es bei den Diskussionsrunden von 140 Beteiligten aus neun Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Als "Notlösungen" - da organisatorisch leichter im Stundenplan unterzubringen als konfessionell getrennter Unterricht - sollten solche Kooperationen jedoch nicht eingesetzt werden, auch brauche es dazu noch rechtliche Klärungen, so der Tenor.
Mehrere Erfolgsbeispiele für konfessionell kooperativen Religionsunterricht wurden präsentiert, etwa das Friedensprojekt "optimis-TISCH", das vor einem Jahr nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel gestartet wurde. Religionslehrkräfte hatten an verschiedensten Schulen in ganz Wien Tischaktionen initiiert, um "gelebte Vielfalt zu stärken" und dabei Bilder und Zeichen der Hoffnung, Zuversicht, Solidarität und Haltung zu schaffen, berichteten Andreas Niedermayr vom Erzbischöflichen Amt für Schule und Bildung sowie die Leiterin des Islamischen Schulamts, Amina Baghajati. Dank schon bestehender interreligiöser Zusammenarbeit gelinge die phasenweise intensive Kooperation, wobei das Projekt durchaus ein "Sprungbrett für weitere Kooperationsmodelle" sein könne, so die beiden Bildungsbeauftragten.
Schon seit 2016 kooperieren die christlichen Religionslehrkräfte an der Katholischen Privatschule Sta. Christiana in Wien-Rodaun. Themenkreise wie Bibel, Kirchenjahr, Sakramente oder auch Menschen- und Kinderrechte werden "gemeinsam geplant, abgesprochen und gegebenenfalls adaptiert", berichteten die daran federführend Beteiligten Irene Miller (evangelisch), Ulrike Sychrovsky (katholisch) und Ioannis Männl (orthodox). Schülerinnen und Schüler sähen "enorme Vorteile" in der nun größeren Unterrichtsgruppe und erlebten den konfessionell kooperativen Religionsunterricht, der nun "diversitätsbewusster und differenzsensibel" sei, als kulturelle und religiöse Bereicherung.
Groß, klein und divers
Dass es bei dieser Kooperation neben "tollen Ergebnissen" auch Herausforderungen und Grenzen gibt, wurde von Theologen wie etwa dem evangelischen Religionspädagogen Robert Schelander angemerkt. Für erfolgreiche Zusammenarbeit großer und kleiner Partner und angesichts der großen Vielfalt an konfessionellen Eigenheiten reiche es zudem nicht, bloß Mehrheits- und Minderheitsmodelle zu reflektieren, ergänzte der orthodoxe Theologe Ioan Moga. Der orthodoxe Religionsunterricht habe sich erst deshalb durchsetzen können, "da man auch innerorthodox verstanden hat, dass man kooperieren muss". Moga mahnte zugleich Kompetenzen in der interreligiösen Kooperation ein. Nur darauf zu bauen, dass die Chemie zwischen den handelnden Personen stimme, sei als Basis zu fragil.
In Summe biete der Religionsunterricht in Österreich die Möglichkeit der Begegnung aller Glaubensgemeinschaften auf Augenhöhe unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Größe, hob der alevitische Theologe Erdal Kalayci hervor. Vieles habe in der alevitischen Community erst aufgebaut werden müssen, seit die Religionsgemeinschaft 2013 in Österreich offiziell anerkannt wurde. Wenn sehr kleine Glaubensgemeinschaften in manchen gemeinsamen Projekten nicht sichtbar seien, liege das nicht an mangelnder Kooperationsbereitschaft, sondern "weil es sich einfach personell nicht ausgeht".
Religionen für den Gemeinsinn
Die Enquete unter dem Motto "Gemeinsam.Zukunft.Bilden" hatte neben Fachleuten, Bildungsbeauftragten und Führungskräften aus den Kirchen und Glaubensgemeinschaften - darunter der langjährige Untersekretär der vatikanischen Bildungskongregation, Friedrich Bechina - auch Vertreterinnen und Vertreter der Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft versammelt.
Ein weiterer Schwerpunkt war neben der Kooperation auch der Beitrag des Religionsunterrichts zur Demokratiebildung und für Frieden. Die Schule sei heute ein Ort des selbstverständlichen Miteinanders der Religionen, mit dem gemeinsamen Ziel des Religionsunterrichts aller Glaubensgemeinschaften, "Werte zu vermitteln und den Gemeinsinn stärken", formulierte dabei die Wiener Gymnasialdirektorin Silvia Böck.
Quelle: kathpress