OSZE-Daten: Mehr Hassverbrechen gegen Juden, Muslime und Christen
Die Zahl der Hassverbrechen gegen Gläubige verschiedener Religionen in europäischen Staaten steigt. Das belegen Informationen aus der Datenbank zum neuen "Hate Crime"-Bericht, den das Menschenrechtsbüro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Freitag in Warschau vorgelegt hat.
Knapp 9.000 antisemitische und 6.000 antimuslimische Hassverbrechen wurden demnach 2023 von Regierungen auf Basis von Polizeidaten offiziell berichtet. Meldungen zu antijüdischer Hasskriminalität lagen aus 16 Staaten, zu antimuslimischer "Hate Crime" aus 12 Staaten vor. 10 Staaten meldeten 1.230 antichristliche Hassverbrechen, im Jahr davor hatte eine vergleichbare Zahl von Staaten noch 1.029 Fälle registriert, wie eine der Nachrichtenagentur Kathpress vorliegende Auswertung der OSZE-Zahlen durch die in Wien ansässige Beobachtungsstelle OIDAC zeigt.
Dass die ODIHR von den Staaten zur Verfügung gestellten Daten nur einen Teil des Gesamtbildes darlegen und die tatsächliche Anzahl an Hassverbrechen "wesentlich höher" liegt, betonte Anja Hoffmann, Geschäftsführerin des "Observatory On Intolerance And Discrimination Against Christians In Europa" (OIDAC Europe). Ihre Beobachtungsstelle habe für 2023 aus Berichten von Polizei und Zivilgesellschaft in 35 europäischen Ländern mehr als 2.400 antichristliche Hassverbrechen und verschiedene Einschränkungen der Religionsfreiheit registriert, gehe aber selbst bei dieser Zahl noch von einer hohen Dunkelziffer aus, machte Hoffmann aufmerksam. Frankreich und einige andere Länder würden etwa keine diesbezüglichen Polizei-Statistiken an die OSZE übermitteln.
Der ebenfalls am Freitag veröffentlichte OIDAC-Europe-Jahresbericht verzeichnet für Frankreich im Vorjahr fast 1.000 antichristlichen Hassverbrechen, in Großbritannien mehr als 700 Fälle. In Deutschland haben sich die von der Beobachtungsstelle registrierten antichristliche Hassverbrechen mit 277 (2022: 135) verdoppelt. Allerdings würden in Deutschland nur politisch motivierte Hassverbrechen erfasst, fügte Hoffmann hinzu. Bekannte Fälle wie das Verbrennen einer Bibel in einer Kirche oder Beschmierungen christlicher Gotteshäuser mit satanistischen Graffiti scheinen demnach in der offiziellen staatlichen Statistik nicht auf.
Antichristliche "Hate Crime" in Österreich und Deutschland
Aus OIDAC vorliegenden Zahlen der deutschen Landeskriminalämter zu Sachbeschädigungen an religiösen Einrichtungen könne man schließen, dass 2023 mehr als 2.000 Sachbeschädigungen in und an deutschen Kirchen registriert wurden, so Hoffmann. "Natürlich handelt es sich nicht bei allen Fällen um antichristliche Hasskriminalität, aber sie sind ein interessanter Vergleichspunkt zur bundesweiten deutschen Statistik."
Dies werde auch im Vergleich zu Österreich deutlich, wo 2023 150 antichristliche Hassverbrechen registriert wurden, berichtete die OIDAC-Geschäftsführerin hinzu. Laut dem österreichischen Lagebericht "Hate Crime" betraf etwa die Hälfte dieser Fälle Sachbeschädigungen an Kirchen. Allerdings verzeichnete Österreich auch 13 Fälle von Körperverletzungen und 7 gefährliche Drohungen gegen Christen.
Angesichts der hohen Zahl antichristlicher Hassverbrechen in Europa betonte Hoffmann die Notwendigkeit einer koordinierten Zusammenarbeit. Sie spricht sich unter anderem für die Schaffung des Amtes eines EU-Koordinators für die Bekämpfung antichristlicher Hassverbrechen aus, parallel zu den bestehenden Mandaten für die Bekämpfung von Antisemitismus und antimuslimischen Hassverbrechen.
OSZE-Sonderbeauftragte Polak besorgt
Besorgt äußerte sich die Wiener Theologieprofessorin Regina Polak, die seit einigen Jahren OSZE-Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, mit Fokus auf Christen und Angehörige anderer Religionen ist. "Christen werden in der gesamten OSZE-Region zur Zielscheibe von Hassverbrechen. Die Art dieser Straftaten reicht von Graffiti über Vandalismus bis hin zu körperlichen Angriffen auf Christen, die religiöses Material verteilen", so Polak laut Pressemitteilung von OIDAC.
Antichristliche Hassverbrechen sendeten eine Botschaft der Ausgrenzung an die Opfer und ihre Gemeinschaften sowie an die Gesellschaft als Ganzes, hielt Polak weiter fest. "Diese Phänomene müssen auch im weiteren Kontext von Intoleranz und Diskriminierung gegenüber anderen Gruppen und insbesondere gegenüber Mitgliedern religiöser Gemeinschaften, sowohl von Minderheiten als auch von Mehrheiten, gesehen werden."
Entsprechend müsse die Zunahme von Diskriminierung und Hassverbrechen gegen Christen in Europa von Regierungen und Zivilgesellschaft ernster genommen werden, forderte Polak. Es sei eine "gründliche Untersuchung" nötig, "um ihre spezifische Natur und ihre Ursachen zu verstehen". Die Expertin verwies auf die vom OSZE-Menschenrechtsbüro bereitgestellten Leitlinien zur Bekämpfung von Hassverbrechen gegen Christen und ermutigte die Opfer, Vorfälle dem ODIHR zu melden.
OSZE: Viele Lücken bei Verfolgung von Hassverbrechen
Das OSZE-Menschenrechtsbüro seinerseits erinnerte am Freitag in Warschau, dass sich alle Mitglieds-Staaten dazu verpflichtet haben, Hasskriminalität zu bekämpfen. Sie dabei zu unterstützen, sei ein Schlüsselbereich der Arbeit von ODIHR, sagte die stellvertretende Direktorin Tea Jaliashvili. Nach wie vor wird in den 57 OSZE-Teilnehmerstaaten die Überwachung, Erfassung und Aufzeichnung von Hassverbrechen sehr unterschiedlich gehandhabt - dies reiche bis hin zu gesetzlichen Lücken, die Staatsanwaltschaften die Verfolgung von Hasskriminalität erschwerten, so ODIHR laut einer Pressemitteilung.
Jaliashvili dankte ausdrücklich allen zivilgesellschaftlichen Partnern, die ODIHR Informationen für den "Hate Crime"-Bericht zur Verfügung stellen. "Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Intoleranz in der gesamten OSZE-Region und ist daher ein unschätzbarer Partner für die Staaten, wenn es darum geht, auf alle Formen von Hass zu reagieren", so Jaliashvili.
Anlässlich der Aktualisierung der Hate-Crime-Datenbank, die laut ODIHR der weltweit größte Datensatz über Hassverbrechen ist, veröffentlichte das OSZE-Menschrenrechtsbüro auch eine seine jährliche Statistik zu jenen Fällen von Hasskriminalität, die - nicht von Staaten offiziell etwa aus Polizeiberichten - aber aus Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen für 2023 bei ODIHR gemeldet wurden. Für den Beobachtungszeitraum 2023 wurden demnach 9.891 (2022: 8.106) gegen Menschen und Einrichtungen gerichtete Vorfälle verzeichnet. Auf 4.484 (2022: 3.575) gestiegen ist die Zahl der gemeldeten antisemitisch motivierten Hassverbrechen.
Unter "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" ordnet der Report 3.069 (2022: 2.510) von zivilgesellschaftlichen Organisationen dokumentierte Vorfälle ein. Hasskriminalität richtete sich unter anderem auch gegen Christen bzw. christliche Gotteshäuser, Symbole und Einrichtungen (583 Fälle), gegen Muslime (238) oder LGBTI-Personen (1.632). Weitere dokumentierte Vorfälle richteten sich u.a. gegen Menschen mit Behinderungen, die Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti bzw. Angehörige anderer Religionsgemeinschaften.
Quelle: Kathpress