Abu Dhabi: Dialogforum mit Bekenntnissen zu interreligiöser Toleranz
Religionen können entscheidend zu Frieden, Toleranz und Verständnis in einer multikulturellen Welt beitragen - wenn Dialog zwischen ihren Anhängern gelingt: Das ist der Grundtenor eines am Mittwoch gestarteten Gipfels in Abu Dhabi zwischen Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), an dem Staats- und Religionsvertreter beider Länder beteiligt sind. Das erste "interkulturelle und interreligiösen Dialogforum" ist eine "Feier des gemeinsamen Bekenntnisses zu Toleranz, Friede und Wahrung der Menschenwürde", formulierte VAE-Toleranzminister Nahayan Mabarak Al Nahyan bei der Eröffnung. Dialog gelte es zu fördern, als "Herz einer toleranten Gesellschaft".
Als ranghöchster Kirchenvertreter aus Österreich nimmt Militärbischof Werner Freistetter an dem Treffen im Persischen Golf teil. Dialog, jedoch auch Religionsfreiheit und interreligiöse Zusammenarbeit seien für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft wichtig, sagte der Leiter der Kommission Weltreligionen in der heimischen Bischofskonferenz am Donnerstag im Interview mit Kathpress. Österreich verfolge hier den Grundsatz "Freie Religion(en) in einem freien Staat". Die katholische Kirche als größte Glaubensgemeinschaft schätze die staatliche Garantie für Religionsfreiheit und freie Religionsausübung für alle religiösen Gruppen sehr und fühle sich verpflichtet, "die anderen zu unterstützen, ohne sie zu bevormunden".
Hinsichtlich der Kooperation äußerte sich Freistetter dankbar für das "gute und vertrauensvolle Verhältnis" zwischen den Religionsführern. Erfolgreiche Beispiele gebe es in Österreich viele. Die Kommission Weltreligionen etwa leiste Überzeugungsarbeit für Religionsdialog und fördere "interreligiöse Kompetenzen", organisiere zudem einmal jährlich eine Konferenz mit Wissenschaftlern und Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften. Der Bischof würdigte weiters die Treffen von Religionsvertretern auf Einladung des Bundespräsidenten und der Bundesregierung, bei denen es dann um Gedankenaustausch, Beratung politischer Entscheidungsträger sowie Veranstaltungen wie die "Stunde des Friedens" im Jänner 2024 gehe.
Probleme lokal lösen
Auch auf regionale Dialoginitiativen in Österreich verwies der Militärbischof im Interview: etwa auf den 2006 gegründeten "Interreligiösen Beirat der Stadt Graz" oder den im Zuge des Nahostkonflikts 2023 ins Leben gerufenen "Rat der Religionen der Stadt Wien". Könne man auf diese Weise auch noch keine Kriege lösen, trage dies dennoch dazu bei, "damit verbundene Probleme auf lokaler Ebene anzugehen. Ziel ist es, zu zeigen, dass die Religionsgemeinschaften sich einig sind und keine Angriffe auf Menschen tolerieren", erklärte Freistetter. Er erwähnte hier auch die Basisinitiative "Religions for Future", das in Wien verortete "Forum für Weltreligionen" und andere interreligiöse Projekte.
Wie Bischof Freistetter unterstrich, kämen Toleranz, Dialog und Religionsfreiheit in Österreich weiters auch durch das "Recht auf Religionsunterricht in seiner eigenen Religion" - genauer gesagt, in den 16 anerkannten Religionsgemeinschaften - zum Ausdruck. Das Modell, dass der Staat den Rahmen und die Finanzierung bereitstelle, die Inhalte jedoch von den Gemeinschaften, stelle sicher, "dass Religionsunterricht auch im Licht der Öffentlichkeit stattfindet und zu einem gewissen Bildungsstand in Religion beiträgt, um auch resilienter gegen extremistische Positionen zu werden", so Freistetter. Auch in der Militärseelsorge gebe es viel an interreligiöser Zusammenarbeit und man sei um die Unterstützung von Dialoginitiativen bemüht.
Theologin: Frauen anerkennen
Auf die "Anerkennung der Frau als vollwertiges menschliches Wesen mit gleichen Würden" verwies gegenüber Kathpress die ebenfalls am Dialogforum teilnehmende Innsbrucker Theologin Prof. Michaela Quast-Neulinger. Nach christlichem Verständnis habe Gott Mann und Frau gleichermaßen nach seinem Bild geschaffen. Dem stünden aktuelle Entwicklungen zu einer "tiefen Entmenschlichung" entgegen, wie Femizide und die von fundamentalistischen Gruppen betriebene Propagierung "männlicher Werte", die sich gegen Empathie und Gleichheit richten. Empathie sei jedoch "keine Gefahr, sondern essenzielle Ressource für Dialog und friedliches Zusammenleben", hielt Quast-Neulinger dem entgegen.
Überzeugt zeigt sich die im Religionsdialog engagierte Fundamentaltheologin auch davon, "dass die abrahamitische Familie in ihrer Vielfalt einen wesentlichen Beitrag zu einer neuen Kultur des Lebens leisten kann". Glaube und Dialog hätten eine "prophetische Dimension", die es angesichts multipler aktueller Krisen neu zu beleben und einen "Horizont der Geschwisterlichkeit, Empathie und tiefen Solidarität" zu eröffnen gelte. Dabei sei der Beitrag aller wichtiger als Expertenansprachen. "Indem wir unsere Freuden und Leiden, Ängste und Hoffnungen miteinander teilen, können wir beginnen, ein Netzwerk von Freundschaft und tiefer Solidarität zu knüpfen", so Quast-Neulinger. Sich gemeinsam eine Welt des Friedens vorzustellen, sei "nicht verrückt".
Haus der Familie Abrahams
Beeindruckt vom symbolträchtigen Veranstaltungsort des "Abrahamic Family House" - ein von Star-Architekt Sir David Adjayes geschaffener Komplex, der eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge umfasst - sowie auch vom Bekenntnis des Gastgeberlandes zum Frieden und Dialog zeigte sich Christoph Thun-Hohenstein. Der Sektionschef des Außenministeriums für Internationale Kulturangelegenheiten hob die seit über 50 Jahre bestehenden engen Beziehungen zwischen den VAE und Österreich hervor, die im Mai zu einem gemeinsamen "Memorandum of Understanding" geführt hatten und nun im Bereich Bildung und interreligiöser bzw. interkulturelle Dialog noch weiter vertieft würden.
Rehumanisierung und Menschenwürde
Religionen sollten eine wichtige Rolle in der Diskussion ethischer Fragen spielen, aktuell unter anderem angesichts der "riesigen Herausforderungen" durch Künstliche Intelligenz, befand Thun-Hohenstein. Über eine nötige "Re-Humanisierung" sprach die bei Google tätige britisch-amerikanische Psychologin Prof. Elizabeth Churchill, die hier auch die Kunst und die Geisteswissenschaften gefordert sah.
Oft fiel in den Panels auch der Begriff der Würde aller Menschen: Zivilgesellschaft, Staaten und Tech-Firmen müssten für deren Wahrung kooperieren, hieß es, zudem seien Bildung und Wissensvermittlung über andere Religionen und Kulturen nötig sowie ganz besonders auch konkrete Begegnungen: "Wenn sich Menschen in die Augen sehen, können sie einander nicht mehr dämonisieren", brachte dies Rabbi David Rosen, Präsident der Initiative "Religions of Peace", bei den Diskussionsrunden auf den Punkt.
Weitere Teilnehmer des noch bis Freitag dauernden Forums sind u.a. der für Kultur und Tourismus zuständige Scheich Mohamen Khalifa Al Mubarak sowie Österreichs Botschafter Entienne Berchtold. Zu den heimischen Religionsvertretern gehören Präsident Ümit Vural von der Islamischen Glaubensgemeinschaft IGGÖ, Prof. Zekirija Seijdini vom Institut für Islamische Theologie der Universität Innsbruck und der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. Mit Bischof Paolo Martinelli war auch der oberste katholische Kirchenvertreter Arabiens anwesend.
Quelle: kathpress