Experte: Religiöse Themen im US-Wahlkampf heuer besonders wichtig
Religiöse Themen hatten im US-Wahlkampf 2024 eine besonders hohe Bedeutung. Dieses Resümee hat der deutsche Politikwissenschaftler Klaus Stüwe im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe) gezogen. Obwohl Donald Trumps persönliche Lebensführung aus religiöser Sicht "durchaus fragwürdig ist", habe er es geschafft, sich zum faktischen Anführer der weißen evangelikalen Christen zu stilisieren. Diese hätten ihn schon 2016 und 2020 zu 80 Prozent unterstützt, weil er in bestimmten Fragen deren Positionen lautstark vertritt.
Zum Beispiel im Hinblick auf die Ehe von Gleichgeschlechtlichen, die Trump ablehne und die auch von den Evangelikalen abgelehnt werde. Oder die Frage der geschlechtlichen Identität. "Trump vertritt die Auffassung, dass das Geschlecht mit der Geburt festgelegt wird. Damit ist er eins zu eins auf der Linie der evangelikalen Christen", so Stüwe. Auch bei der Frage der Abtreibung decke er sich wiederum mit deren Positionen.
Mit anderen Worten: "In einigen Positionen, die von weißen evangelikalen Christen vertreten werden, stimmt Trump im Prinzip zu 100 Prozent mit ihnen überein. Und wird damit faktisch zu einem Verfechter religiöser Standpunkte."
Das Thema Abtreibung sei eines der wichtigsten für Christen in den USA und mit der Kandidatur von Kamala Harris sei es noch wichtiger geworden, analysierte Stüwe weiter: "Wir konnten beobachten, dass Vizepräsidentin Harris das Recht auf Abtreibung stark in ihrer eigenen Kampagne priorisierte."
Anders als in vielen europäischen Ländern sei Abtreibung in den USA ein dauerhaft hochpolitisches Thema. Nicht zuletzt seitdem im Jahr 2022 der US Supreme Court eine Rechtsprechung aus den 1970er-Jahren mit dem Titel "Roe versus Wade" im Prinzip konterkariert und zur Sache der Einzelstaaten gemacht habe, wie sie den Zugang zur Abtreibung regeln. Stüwe: "Natürlich müssen sich US-Präsidenten dazu positionieren."
Die Position Trumps sei klar. "Er lehnt das weiterhin ab." Kamala Harris sei genau das Gegenteil: "Sie ist für eine bundesweite Lösung." Sie habe auch angekündigt, wenn sie Präsidentin wird, dass sie bundesweit wieder das Recht auf Zugang zur Abtreibung im Rahmen eines Gesetzes einführen würde. Das entfremde sie von einem großen Teil der konservativen katholischen Wählerschaft, so Stüwe.
"Man wählt das geringere Übel"
Zum US-Wahlkampf hat im "Sonntag" auch der Klosterneuburger Chorherr Elias Carr Stellung genommen. Carr ist ein gebürtiger New Yorker und hat in New York auch viele Jahre als Seelsorger gewirkt, bevor er ca. einem Jahr nach Österreich übersiedelte. Seit einem dreiviertel Jahr ist er als Kämmerer für die zahlreichen Wirtschaftsbetriebe des Stiftes verantwortlich und zugleioch auch als Seelsorger tätig.
Christen seien immer noch die Mehrheit in den USA. In New York seien es hauptsächlich Katholiken, so Carr. Historisch hätten diese eher die Demokratische Partei gewählt, "weil sie vor allem Arbeiter angesprochen hat und die Katholiken sind am Anfang vor allem Arbeiter und Einwanderer gewesen". Als die Katholiken in den Mittelstand aufgestiegen sind, hätten sie zunehmend auch die Republikaner gewählt. Carr: "Demokraten und Republikaner schließen keine katholische Soziallehre ein. Sie decken einige Themen ab - aber nicht alle. Für Katholiken ist es schwierig zu entscheiden, welche Partei im Einklang mit der Kirche und ihrer Lehre ist."
Darauf angesprochen, dass Donald Trumps Lebensweg alles andere als ein Leben im christlichen Glauben wiederspiegle und er trotzdem so viele Christen und Christinnen in Amerika anspreche, meinte Carr: "Man wählt das geringere Übel."
Viele Menschen würden auch gar nicht wählen, weil sie sich nicht vertreten fühlen. Mit dem Rücktritt von Präsident Joe Biden als Kandidat habe sich dies noch verschärft, so Carr: "Obwohl die Demokraten für Abtreibung und Transgender-Rechte stehen, war Biden immer noch Katholik. Dieser stärkere Unterschied zwischen Harris und Trump könnte ihr helfen, aber auch viele Leute abschrecken."
Quelle: Kathpress